Urteil des BVerwG vom 18.02.2015

Gemeinde, Grundstück, Polizei, Anforderung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 1.15
VGH 1 N 10.3051
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Februar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 24. September 2014 wird zurück-
gewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 40 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde
des Antragstellers hat keinen Erfolg.
1. Der Antragsteller macht als Verfahrensfehler geltend, er habe unmittelbar
nach der mündlichen Verhandlung in einem nachgereichten Schriftsatz darge-
legt, dass es sich bei der vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommenen
Wohnanlage um einen Fremdkörper handele, was zur Folge habe, dass diese
Bebauung nicht als Maßstab für eine Fortentwicklung der Bebauung zähle.
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Ein Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist damit nicht dargelegt.
Das Normenkontrollgericht hat den Schriftsatz zur Kenntnis genommen. Das
ergibt sich aus dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (UA Rn. 15).
Der Antragsteller macht auch nicht geltend, aus dem Schriftsatz ergäben sich
Tatsachen, die dem Gericht Anlass gegeben hätten, eine Wiedereröffnung der
mit einem Ortstermin verbundenen mündlichen Verhandlung gemäß § 104
Abs. 3 Satz 2 VwGO zu beschließen. Im Übrigen verkennt der Antragsteller,
dass ein Verfahrensmangel nur dann bezeichnet ist, wenn er sowohl in den ihn
(vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdi-
gung substantiiert dargetan wird (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7
B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Daran fehlt es hier. Der
Antragsteller beschränkt sich darauf, unter Verweis auf Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts der rechtlichen Bewertung des Normenkontrollge-
richts die eigene Auffassung entgegenzusetzen.
2. Die Divergenzrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genügen ebenfalls
nicht den Darlegungsanforderungen. Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, wenn die Beschwerde einen inhaltlich
bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz
benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesver-
waltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvor-
schrift widersprochen hat.
Der Antragsteller zitiert zwar einen Rechtssatz aus dem Urteil des Senats vom
10. Dezember 1982 - 4 C 28.81 - (Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 89), stellt
diesem jedoch keinen Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung gegen-
über. Er beschränkt sich vielmehr auf den Einwand, zum tatsächlich gegebenen
Bebauungszusammenhang zähle auch die Hotelanlage, die im Geltungsbereich
eines qualifizierten Bebauungsplans liege. Damit wendet er sich lediglich gegen
die Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten durch das Normenkontrollge-
richt. Für den Vorwurf, das Normenkontrollurteil basiere auf der Annahme, dass
auch Bebauung in einem qualifiziert überplanten Bereich zu dem für die Fort-
entwicklung maßgeblichen Bebauungszusammenhang zähle, gibt weder die
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angefochtene Entscheidung noch der zitierte Rechtssatz des Bundesverwal-
tungsgerichts etwas her.
Die weitere Divergenzrüge, die der Antragsteller mit einer Abweichung vom Ur-
teil des Senats vom 31. Oktober 1975 - 4 C 16.73 - (Buchholz 406.11 § 34
BBauG Nr. 50) begründet, scheitert ebenfalls daran, dass kein Rechtssatz aus
der angefochtenen Entscheidung dargelegt wird. Soweit der Antragsteller auf
die "Ausführungen in Rn. 26 a.E. und 27" verweist, wird kein Rechtssatz mar-
kiert, sondern die Sachverhaltswürdigung im Einzelfall angegriffen.
3. Die vom Antragsteller als grundsätzlich klärungsbedürftig i.S.d. § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO aufgeworfene Frage:
"Kann einem tatsächlich vorhandenen Bebauungszusam-
menhang von ausreichendem Gewicht die für § 34 Abs. 1
Satz 1 BauGB erforderliche Ortsteileigenschaft wegen Man-
gelns einer organischen Siedlungsstruktur fehlen, obwohl die
Gemeinde diese vorhandene Bebauungsstruktur zum Inhalt
(mehrerer) qualifizierter Bebauungspläne macht?",
führt nicht zur Zulassung der Revision. Feststellungen dazu, dass "die Gemein-
de diese vorhandene Bebauungsstruktur zum Inhalt (mehrerer) qualifizierter
Bebauungspläne macht", hat das Normenkontrollgericht nicht getroffen. Sollte
der Antragsteller damit Bezug nehmen wollen auf die vom Verwaltungsge-
richtshof nicht beanstandeten Festsetzungen für das von der Stiftung K. genutz-
te Grundstück sowie das von der Fachhochschule der Polizei verwaltete
Grundstück (UA Rn. 29), fehlt es an Darlegungen, dass sich daraus ein verläss-
licher Maßstab für die bauliche Fortentwicklung ergeben könnte. In diesem Zu-
sammenhang auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu verweisen, genügt nicht.
Unabhängig davon sind die Maßstäbe, die an eine organische Siedlungsstruk-
tur zu stellen sind, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ge-
klärt. Wie das Normenkontrollgericht ausgeführt hat, schließt die Anforderung
einer organischen Siedlungsstruktur das ein, was in Entgegensetzung zur un-
erwünschten Splittersiedlung dem inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34
Abs. 1 Satz 1 BauGB entspricht, nämlich die nach der Siedlungsstruktur ange-
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messene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs.
Während unter einem Ortsteil jeder Bebauungszusammenhang zu verstehen
ist, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt
und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist, ist eine Splittersiedlung
eine bloße Anhäufung von Gebäuden (BVerwG, Beschluss vom 19. Februar
2014 - 4 B 40.13 - BayVBl 2014, 477 unter Bezugnahme auf das auch vom An-
tragsteller genannte Urteil des Senats vom 6. November 1968 - 4 C
31.66 - BVerwGE 31, 22 <27>). Hieraus folgt, dass einer Bebauung nach tat-
richterlicher Würdigung auch dann die organische Siedlungsstruktur fehlen
kann, wenn sie zwar hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung einen ausrei-
chenden Rahmen für die Fortentwicklung vorgibt, aber das Maß der baulichen
Nutzung, die überbaubare Grundstücksfläche sowie die Bauweise, nicht einmal
ansatzweise eine Regelmäßigkeit erkennen lassen (UA Rn. 26). Ob optisch
wahrnehmbare Merkmale, die eine gewisse Regelmäßigkeit oder einen Plan
erkennen lassen, feststellbar sind, ist keine Rechtsfrage, sondern eine Frage
der tatrichterlichen Würdigung.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3
VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1
GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Bumke
Dr. Decker
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