Urteil des BVerwG vom 12.11.2003

Ermessen, Erhaltung, Nichtigkeit, Verfassungskonform

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 97.03
OVG 1 A 11997/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. November 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und G a t z
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-
Pfalz vom 21. August 2003 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Der Rechts-
sache kommt nicht die grundsätzliche Bedeutung zu, die ihr der Kläger beimisst.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob die bloße Regelung
eines eigentumsbeschränkenden Genehmigungserfordernisses ohne gesetzliche
Vorgabe des Entscheidungsmaßstabes im Wege der 'verfassungskonformen Ausle-
gung' durch die Rechtsprechung um den Entscheidungsmaßstab 'pflichtgemäßes
Ermessen' ergänzt und auf dieser Grundlage angewendet werden kann, auch wenn
der zuvor geregelte Entscheidungsmaßstab durch das Bundesverfassungsgericht für
mit Artikel 14 GG unvereinbar erklärt worden ist und eine von ihm gesetzte Frist für
die Neuregelung zwischenzeitlich abgelaufen ist". Die Frage zielt auf die Rechtsauf-
fassung des Oberverwaltungsgerichts, die Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts (Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226), dass § 13
Abs. 1 Satz 2 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zum Schutz und zur Pflege
der Kulturdenkmäler (DSchPflG) vom 23. März 1978 (GVBl S. 159) mit Art. 14 Abs. 1
GG unvereinbar sei, lasse den Genehmigungsvorbehalt des § 13 Abs. 1 Satz 1
DSchPflG unberührt. Die Erteilung einer Abbruchgenehmigung für ein Kulturdenkmal
stehe im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Denkmalschutzbehörde, wel-
ches sich an dem durch das Denkmalschutz- und -pflegegesetz normierten Denkma-
lerhaltungsinteresse und an dem Abbruchinteresse des Denkmaleigentümers zu
orientieren habe. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage führt nicht zur Zulas-
sung der Revision, weil sie sich ohne weiteres auf der Grundlage des Gesetzes und
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beantworten lässt.
§ 13 Abs. 1 DSchPflG ist Bestandteil des irrevisiblen Landesrechts. An die Ausle-
gung des nicht revisiblen Rechts ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden
(§ 137 Abs. 2 VwGO). Revisibel ist allerdings, ob die Auslegung einer nicht revisiblen
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Vorschrift des Landesrechts mit Bundesrecht, insbesondere mit den Grundrechten
des Grundgesetzes in Einklang steht. Grundsätzliche Bedeutung kann daher auch
die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer landesrechtlichen Vorschrift haben. Die
Beschwerde legt aber nicht dar, dass die Auslegung des § 13 Abs. 1 DSchPflG durch
das Berufungsgericht eine verfassungsrechtlich bedeutsame Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.
Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich und nicht in einem Revisionsverfahren klä-
rungsbedürftig, dass das Berufungsgericht den Genehmigungsvorbehalt in § 13
Abs. 1 Satz 1 DSchPflG vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 2. März 1999 (a.a.O.) im Sinne einer Ermessensvorschrift auslegt
und sich dabei einerseits an dem hohen Stellenwert des Denkmalschutzes und an-
dererseits an der Gewährleistung des Eigentums in Art. 14 Abs. 1 GG orientiert (vgl.
UA S. 14). Das Berufungsgericht weist überdies zu Recht daraufhin, dass dieses
Auslegungsergebnis in dem vorgenannten Beschluss des Bundesverfassungsge-
richts bereits vorgezeichnet wird. In dem Beschluss (BVerfGE 100, 226 <247>) wird
ausgeführt, dass die Nichtigkeit des § 13 Abs. 1 Satz 2 DSchPflG zur Folge hätte,
dass die Beseitigung eines geschützten Kulturdenkmals weiterhin genehmigungsbe-
dürftig bliebe, die Denkmalschutzbehörde über einen entsprechenden Antrag aber
nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und dabei auch die Belange des
Eigentümers zu berücksichtigen hätte. In Fällen, in denen dem Eigentümer die Erhal-
tung des Denkmals nicht zumutbar sei, müsse das Ermessen verfassungskonform
dahin ausgeübt werden, dass die Genehmigung zum Abbruch des Denkmals erteilt
werde. Diese für den Fall der Nichtigkeit des § 13 Abs. 1 Satz 2 DSchPflG ange-
nommene Rechtsfolge ist nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts inzwi-
schen eingetreten, weil der Landesgesetzgeber innerhalb der ihm vom Bundesver-
fassungsgericht gesetzten Frist bis zum 30. Juni 2001 keine Neuregelung des § 13
Abs. 1 Satz 2 DSchPflG getroffen hat. Das Berufungsgericht weist in den Gründen
des angefochtenen Urteils zu Recht daraufhin, dass das Bundesverfassungsgericht
diese Rechtsauffassung in seinem Beschluss vom 2. März 1999 gebilligt hat (vgl.
BVerfGE 100, 226 <248>; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2002
- BVerwG 4 B 4.02).
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Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe unter Verkennung
des Art. 14 GG die Zumutbarkeit der Erhaltung der streitbefangenen Umfas-
sungsmauer fehlerhaft eingeschätzt, erschöpft sie sich in einer inhaltlichen Kritik an
der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung. Eine derartige
Entscheidungskritik ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssa-
che im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Paetow
Prof. Dr. Rojahn
Gatz