Urteil des BVerwG vom 30.06.2014

Amtspflicht, Feststellungsklage, Kritik, Umdeutung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 9.14
OVG 1 A 825/10
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Sächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2013 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Er-
folg.
Das Oberverwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Zuläs-
sigkeit der Klage verneint. Es fehle der Klägerin an dem für die - hier vorliegen-
de - (nachträgliche) Feststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresse
zur Vorbereitung eines nicht offensichtlich aussichtlosen Amtshaftungsprozes-
ses. Zum einen könne schon keine Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht
festgestellt werden. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung zur sogenann-
ten Kollegialgerichts-Richtlinie liege zum anderen auch kein schuldhaftes Ver-
halten eines Beamten der Beklagten vor. Letztlich sei die von der Klägerin be-
gehrte Feststellung auch deshalb ausgeschlossen, weil für den Teilabriss des
Nachbargebäudes ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt worden sei,
womit nach § 12 Abs. 3 SächsDSchG ein denkmalschutzrechtliches Genehmi-
gungsverfahren entfalle. Ausweislich der Entscheidungsgründe soll dabei jeder
dieser Gründe die Entscheidung selbständig tragen. Ist die vorinstanzliche Ent-
scheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann
die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründun-
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gen ein Revisionszulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (stRspr; vgl. nur
Beschluss vom 28. Januar 2014 - BVerwG 4 B 50.13 - juris Rn. 2 m.w.N.).
Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann
kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang
des Verfahrens ändert (Beschluss vom 9. September 2009 - BVerwG 4 BN
4.09 - ZfBR 2010, 67 = juris Rn. 5). Vorliegend scheitert die Beschwerde bereits
daran, dass jedenfalls in Bezug auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts,
es fehle an der Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht, Zulassungsgründe
nicht gegeben sind.
1. Die Sache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Grundsätzlich bedeut-
sam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn
in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichter-
lich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegen-
den Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserhebli-
chen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist.
In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO),
d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage
des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre
Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so
bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90
<91>; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011 - BVerwG 7 B 45.10 - juris
Rn. 15).
Dem wird die Klägerin nicht gerecht. Mit ihrer Frage,
ob das Feststellungsinteresse einer Feststellungsklage
aufgrund offensichtlicher Erfolglosigkeit eines Schadens-
ersatzprozesses zur Geltendmachung von Ansprüchen
aus Amtshaftung schon dann fehlt, wenn diesen (scil: den
Ansprüchen auf Amtshaftung) die behauptete, schuldhafte
Pflichtverletzung der unterlassenen Einwirkung einer Ge-
bietskörperschaft auf ein ihr zu 100% gehörendes Unter-
nehmen zu Grunde liegen,
macht sie grundsätzlichen Klärungsbedarf in Bezug auf das von § 839 BGB,
Art. 34 Satz 1 GG vorausgesetzte Tatbestandsmerkmal der Verletzung einer
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„drittgerichteten Amtspflicht“ geltend. Unter welchen Voraussetzungen von der
„Drittgerichtetheit einer Amtspflicht“ auszugehen ist, ist in der Rechtsprechung,
auf die das Oberverwaltungsgericht Bezug genommen hat, jedoch hinreichend
geklärt (vgl. zuletzt etwa BGH, Urteil vom 8. November 2012 - III ZR 151/12 -
BGHZ 195, 276 = juris Rn. 14, 15 m.w.N.). Einen darüber hinaus gehenden Klä-
rungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie beschränkt sich vielmehr in der
Art einer Berufungsbegründung auf eine inhaltliche Kritik am Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts.
2. Die Grundsatzrüge der Klägerin führt auch nicht nach Umdeutung in eine
Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Zulassung der Revision. Es
ist nicht dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass das Oberverwaltungsge-
richt die Anforderungen an die Geltendmachung eines Feststellungsinteresses
für eine (nachträgliche) Feststellungsklage überspannt und damit die prozes-
suale Bedeutung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung verkannt hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung
des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Decker
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