Urteil des BVerwG vom 24.02.2004

Abrede, Sportanlage, Rückgriff, Grundstück

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 9.04
OVG 1 LB 323/02
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und Prof. Dr. R o j a h n
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 4. November 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen,
die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerde-
verfahren auf 12 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
1. Die Divergenzrüge ist unzulässig. Sie genügt nicht den formellen Anforderungen
des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der Kläger legt nicht dar, mit welchem abstrakten
Rechtssatz sich das Berufungsgericht zu einem Rechtssatz in Widerspruch gesetzt
haben soll, den das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 24. April 1991
- BVerwG 7 C 12.90 - (BVerwGE 88, 143) aufgestellt hat. Er missversteht die in die-
ser Entscheidung getroffene Aussage, dass "eine Ermittlung und Bewertung der ge-
samten Umstände der konkreten Situation" notwendig ist, wenn er aus ihr ableitet,
dass die Vorinstanz "zur Beurteilung der Lärmimmissionen die anderen Geräusch-
quellen der näheren Umgebung (Landstraße 32, Kreisstraße 118, Landmaschinen-
handel mit Werkstatt, Parkplatz am Gemeinschaftshaus)" in die Betrachtung hätte mit
einbeziehen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 24. April 1991
zum Ausdruck gebracht, dass bei der Prüfung der Frage, ob die Geräuschbe-
einträchtigungen, die von einem Sportplatz ausgehen, erheblich ins Gewicht fallen,
nicht bloß Einzelgeräusche eine Rolle spielen, die sich - wie das Aufprallen von Bäl-
len auf ein Ballfanggitter - durch einen erhöhten Lästigkeitsgrad auszeichnen, son-
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dern sämtliche Lärmeinwirkungen zu berücksichtigen sind, die durch den Sportbe-
trieb hervorgerufen werden (a.a.O. S. 147/148). Dass die Vorinstanz diese Rechts-
auffassung in Zweifel gezogen haben könnte, macht der Kläger selbst nicht geltend.
Im Hinblick auf die von ihm stattdessen angesprochene Frage nach der rechtlichen
Relevanz des sportexternen sonstigen Umgebungslärms scheidet eine Divergenz im
Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von vornherein aus, weil die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 1991 zu diesem Problemkreis keine Aus-
sage enthält, zu der das Berufungsgericht eine gegenteilige Ansicht hätte vertreten
können.
2. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
Der Kläger hält dem Berufungsgericht der Sache nach vor, unter Verstoß gegen die
in § 86 Abs. 1 VwGO normierte Aufklärungspflicht keinen Beweis durch einen Sach-
verständigen erhoben zu haben. Er macht indes selbst nicht geltend, in der mündli-
chen Verhandlung vom 4. November 2003 einen entsprechenden Beweisantrag ge-
stellt zu haben. Ebenso wenig lässt sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen,
dass sich der Vorinstanz auch ohne ein förmliches Ersuchen eine Beweisaufnahme
von Amts wegen hätte aufdrängen müssen. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass
sich das Berufungsgericht auf gutachtliche Äußerungen stützt. Die im angefochtenen
Urteil verwerteten gutachtlichen Stellungnahmen reichen freilich nach seiner Ein-
schätzung als Überzeugungsgrundlage nicht aus, da er sie als fehlerhaft und zur
Entscheidung ungeeignet ansieht. Ein gutachterlich aufgehellter Sachverhalt ist ge-
gebenenfalls durch die Einholung eines weiteren Gutachtens weiter aufzuklären,
wenn die Aussagekraft des vorhandenen Erkenntnismaterials durch substantiierte
Einwände eines Beteiligten oder durch die übrige Ermittlungstätigkeit des Gerichts
ernsthaft in Frage gestellt erscheint. Wie durch die Entscheidungsgründe des ange-
fochtenen Urteils belegt wird, hat die Vorinstanz indes nicht den Eindruck gewonnen,
dass das Gutachten vom 11. Dezember 1998 in der Fassung, die es durch die nach-
folgenden Ergänzungen erhalten hat, die Mängel aufweist, die ihm nach Ansicht des
Klägers anhaften: Nach Auffassung des Berufungsgerichts brauchte der Sachver-
ständige die Lärmbeiträge, die von Immissionsquellen außerhalb der Sportanlage
herrühren, aus Rechtsgründen nicht zu berücksichtigen. Da die zukünftige Ge-
räuschbelastung im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens prognostisch zu
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ermitteln war, durfte er es mit Berechnungen bewenden lassen, ohne Messungen
vorzunehmen. In seine Untersuchungen brauchte er lediglich die Lärmeinwirkungen
einzubeziehen, die durch die Benutzung des Sportgeländes in dem bauordnungs-
rechtlich genehmigten Umfang zu erwarten sind. Belastungen, die auf eine miss-
bräuchliche Inanspruchnahme außerhalb der zugelassenen Nutzungszeiten oder für
sportfremde Zwecke zurückzuführen sind, konnte er als durch die Baugenehmigung
nicht gedeckte nachteilige Folgen außer Betracht lassen. Die Anwendung überholter
technischer Normen war unschädlich, da das Ergebnis nach der Einschätzung der
Vorinstanz auch bei Rückgriff auf die an sich einschlägigen Regelwerke nicht anders
ausgefallen wäre. Der Lärm, der von den weiter entfernt gelegenen Sportfeldern und
Parkflächen ausgeht, durfte ausgeblendet werden, da sich das Grundstück des Klä-
gers nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mehr im Einwirkungsbe-
reich dieser Anlagen befindet. Dem ursprünglich von ihm nicht berücksichtigten Spit-
zenpegelaspekt hat der Sachverständige nachträglich Rechnung getragen, ohne
dass sich die Gesamtbeurteilung dadurch als korrekturbedürftig erwiesen hätte. Die
Bewertung des durch den Sportbetrieb erzeugten Lärms als Gesamtphänomen unter
Einschluss insbesondere der Schiedsrichterpfiffe, Spielerrufe, Beifalls- und Missfal-
lensbekundungen von Zuschauern sowie der Aufprallgeräusche der Bälle hält das
Berufungsgericht ungeachtet der Einwände des Klägers für nachvollziehbar und ver-
tretbar. Diese dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung des Beweismaterials unterliegt
einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht allein deshalb, weil der Kläger andere
Schlüsse für angebracht hält.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfest-
setzung beruht auf § 14 Abs. 1 und 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Paetow Halama Prof. Dr. Rojahn