Urteil des BVerwG vom 26.03.2014

Beratung, Kritik, Verfahrensmangel, Prozessbeteiligter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 8.14
OVG 3 L 228/11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. März 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Dr. Külpmann
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Mecklenburg-Vorpommern vom 13. November 2013 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde meint, dass Oberverwaltungsgericht habe den klägerischen
Vortrag zu dem in der Nähe des Vorhabengrundstücks belegenen Obstanbau-
betrieb verkannt und dadurch eine entscheidungserhebliche Frage verfehlt.
Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. In der Regel ist davon auszugehen,
dass ein Gericht bei seiner Entscheidung die Ausführungen der Beteiligten zur
Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (Beschluss vom 25. Juni
2013 - BVerwG 4 BN 21.13 - juris Rn. 9). Deshalb müssen im Einzelfall beson-
dere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteilig-
ten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung
nicht erwogen worden ist (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR
986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss vom 25. November 1999
- BVerwG 9 B 70.99 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 64 S. 8). Solche
Umstände sind nicht ersichtlich. Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Ur-
teil festgestellt, dass die nähere Umgebung nahezu ausschließlich durch Wohn-
nutzung geprägt ist und dass die anderweitigen Nutzungen auf Grundstücken in
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der näheren Umgebung keine prägende Wirkung entfalten (UA S. 10) und das
Flurstück 7/21 zur näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks gehört.
Damit spricht es den im rückwärtigen Bereich des Flurstücks 7/21 vorhandenen
und im Termin zur Beweisaufnahme vom 26. Juni 2013 in Augenschein ge-
nommenen Baulichkeiten eine prägende Wirkung ab. Der von dem Kläger ver-
missten Auseinandersetzung mit der Nutzung des Flurstücks 7/24, auf dem sich
die Mehrzahl der baulichen Anlagen des Obstanbaubetriebes befindet, bedurfte
es nicht. Denn die dort befindliche Halle gehört nach der tatrichterlichen Ein-
schätzung nicht zur näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks im Sinne
des § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB (UA S. 9 f.).
Die Beschwerde wirft dem Oberverwaltungsgericht ferner eine Überraschungs-
entscheidung und damit einen Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs
(§ 108 Abs. 2 VwGO) vor (vgl. Beschluss vom 13. Januar 2014 - BVerwG 4 BN
37.13 - juris Rn. 12). Das Oberverwaltungsgericht sei verpflichtet gewesen, sei-
ne rechtliche Bewertung der baulichen Nutzung einzelner Grundstücke anzu-
kündigen. Eine Hinweispflicht des Gerichts setzt indes voraus, dass das Gericht
bei seiner Entscheidung auf eine rechtliche Sichtweise oder eine bestimmte
Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit der auch ein gewissenhafter und
kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens unter
Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen
braucht (stRspr, Urteil vom 31. Juli 2013 - BVerwG 6 C 9.12 - NVwZ 2013, 1614
Rn. 38). Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Nutzung des Flurstücks 7/21 war
Gegenstand von Beteiligtenvorbringen, des Termins zur Beweisaufnahme und
der mündlichen Verhandlung; auch zur Nutzung der angrenzenden Grundstü-
cke haben sich die Beteiligten geäußert. Der Kläger musste mit einer rechtli-
chen Würdigung der dortigen baulichen Situation rechnen, ohne dass das
Oberverwaltungsgericht verpflichtet gewesen wäre, unter Vorwegnahme seiner
abschließenden Beratung auf seine rechtliche Einschätzung hinzuweisen. Hier-
von unabhängig trägt die Beschwerde nicht - wie erforderlich - substantiiert vor,
was auf einen Hinweis noch entscheidungserheblich vorgetragen worden wäre.
Der Kläger macht allein geltend, in diesem Falle hätte er erneut auf die Rele-
vanz der tatsächlichen Nutzung hingewiesen. Dies reicht nicht aus.
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Im Ergebnis beschränkt sich die Verfahrensrüge damit auf eine Kritik an der
Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, die, auch wenn sie
zutreffen sollte, grundsätzlich keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufzeigen könnte (Beschluss vom 2. Mai 2012 - BVerwG
10 B 10.12 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 65 Rn. 7) und daher
nicht zur Zulassung der Revision führt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Petz
Dr. Külpmann
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