Urteil des BVerwG vom 09.03.2005

Transport, Wagen, Messung, Anbau

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 8.05
VGH 26 B 00.1126
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. März 2005
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a ,
Prof. Dr. R o j a h n und G a t z
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 18. August 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen,
die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob "rechtskräftige,
auch dem Nachbarschutz dienende Auflagen in einem Baugenehmigungsbescheid
grundsätzlich einen Rechtsanspruch der Nachbarn auf gerichtlich einklagbares Tä-
tigwerden der Baugenehmigungsbehörde bei Verstößen gegen die Erfüllung oder
Einhaltung der Auflagen bzw. Bedingung" begründen. Diese Frage hat nicht die
grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst. Ob dem Nachbarn bei der
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Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift oder Auflage ein im Wege einer Er-
messensreduzierung auf Null gebundener Anspruch auf behördliches Einschreiten
zusteht, entscheidet sich grundsätzlich nach dem gemäß § 137 Abs. 1, § 173 VwGO
i.V.m. § 560 ZPO irrevisiblen Landesrecht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Dezem-
ber 1997 - BVerwG 4 B 204.97 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 148; Beschluss
vom 24. Mai 1988 - BVerwG 4 B 93.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 80).
Dem Landesbaurecht ist zu entnehmen, wie das Ermessen entsprechend dem
Zweck der Ermächtigung auszuüben ist und wo die Grenzen des Ermessens liegen;
ebenso entscheidet sich grundsätzlich nach Landesrecht, ob und gegebenenfalls
unter welchen Voraussetzungen eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht
kommt. Die Bauaufsichtsbehörde hat die für und gegen ein Einschreiten sprechen-
den Gesichtspunkte sachgerecht abzuwägen und bei der Verletzung nachbarschüt-
zender Vorschriften oder Auflagen zur Baugenehmigung neben dem besonderen
öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände auch die
Interessen des in seinen Rechten möglicherweise verletzten Nachbarn zu berück-
sichtigen (vgl. Beschluss vom 10. Dezember 1997 - BVerwG 4 B 204.97 - a.a.O.,
S. 60 m.w.N.). Die Erwägungen, die die Beschwerde zur grundsätzlichen Bedeutung
der aufgeworfenen Rechtsfrage anführt (Beschwerdebegründung S. 4 bis 9), er-
schöpfen sich im Übrigen in einer inhaltlichen Kritik der vorinstanzlichen Sachver-
haltswürdigung und Rechtsanwendung und lassen einen über den Einzelfall hinaus-
gehenden, rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht erkennen.
2. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
2.1 Die Gehörsrüge geht fehl. Die Beschwerde kritisiert, in der Niederschrift über die
mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 21. Juli 2004 sei nicht fest-
gehalten worden, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Ansicht vertreten
habe, die vom Kläger gerügten Klopfgeräusche könnten nicht von den Backwagen
herrühren, sondern müssten andere Ursachen haben. Die Beschwerde folgert hier-
aus, dass das Berufungsgericht dem Vorbringen des Klägers kein ausreichendes
Gehör geschenkt habe. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Das Berufungsgericht setzt sich
in seinen Entscheidungsgründen (Urteilsabschrift S. 7) mit der Auffassung des Klä-
gers zu den Klopfgeräuschen auseinander.
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2.2 Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht habe sich hinsichtlich der
vom Kläger gerügten Klopfgeräusche nicht auf die Messungen des Umweltingenieurs
beim Landratsamt (vom 11. Oktober 2002 und vom 25. November 2002) verlassen
dürfen. Es hätte sich vielmehr unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des
Falles ein eigenes Urteil bilden müssen.
Mit dieser Rüge ist weder eine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 86
Abs. 1 VwGO) noch ein Verstoß gegen das Gebot der richterlichen Überzeugungs-
bildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) dargetan. Das Berufungsgericht hat sich die Er-
gebnisse der vom Umweltingenieur durchgeführten Messungen zu Eigen gemacht,
weil es die Messergebnisse für nachvollziehbar hält. Das Berufungsgericht teilt auch
die Auffassung des Umweltingenieurs, dass bei der Messung typische Abläufe des
Bäckereibetriebs vorlagen und die vom Kläger gerügten Klopfgeräusche auf den
Transport der mit Backblechen bestückten Wagen auf dem Wege vom Anbau in die
Backstube zurückzuführen seien. Die Vorinstanz teilt schließlich die Auffassung des
Umweltingenieurs, dass die bei dem Transport auftretenden immissionswirksamen
Pegelspitzen nach den Vorschriften der TA-Lärm die Lärmauflagen in den Genehmi-
gungsbescheiden nicht überschritten hätten. Dem Kläger sind die Messprotokolle mit
dem Schreiben des Landratsamts Lindau vom 28. November 2002 übersandt wor-
den. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass sich dem Berufungsgericht vor dem Hin-
tergrund dieser Messunterlagen weitere Ermittlungen zu den gemessenen Klopfge-
räuschen hätten aufdrängen müssen. Sie legt auch nicht dar, dass die Messergeb-
nisse des Umweltingenieurs unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Grün-
den nicht überzeugend seien, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen
ausgingen oder auf fehlender Sachkunde beruhten. Der Sache nach erweist sich das
Beschwerdevorbringen als Angriff auf die vorinstanzliche Sachverhalts- und Beweis-
würdigung, die revisionsrechtlich grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern
dem materiellen Recht zuzurechnen ist. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung
kann ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich
nicht begründet werden.
3. Soweit die Beschwerde rügen will, dass das angefochtene Urteil von dem Be-
schluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 1998 (BVerwG 4 B 64.98 -
NVwZ-RR 1999, 8 = ZfBR 1999, 54) abweicht, genügt die Beschwerde nicht den
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Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine die Revision gemäß
§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet,
wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung
tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen ent-
scheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift wider-
sprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 -
NJW 1997, 3328; stRspr). Eine derartige Divergenz zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festset-
zung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Halama Prof. Dr. Rojahn Gatz