Urteil des BVerwG vom 14.04.2010

Genehmigung, Stadt, Gemeinde, Rechtliches Gehör

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 78.09
OVG 10 A 1676/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. April 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. September
2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg. Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens
einschließlich der ergänzenden Beschwerdebegründung vom 26. März 2010 ist
ein Grund für die Zulassung der Revision nicht gegeben. Der von der Klägerin
erhobene Einwand, die Beschwerde sei rechtsmissbräuchlich und daher insge-
samt unzulässig, kann auf sich beruhen.
1. Die Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), die die Beklagte geltend
macht, liegen entweder nicht vor oder sind nicht in der erforderlichen Weise
dargelegt.
1.1 Einen Verfahrensmangel sieht die Beklagte zunächst darin, dass das Ober-
verwaltungsgericht ihren Antrag auf Beiladung der Stadt Gronau abgelehnt hat;
die Beiladung sei gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig gewesen.
Die Rüge ist unbegründet. Die Stadt Gronau war nicht notwendig beizuladen.
Dritte sind gemäß § 65 Abs. 2 VwGO beizuladen, wenn sie an dem streitigen
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Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen ge-
genüber nur einheitlich ergehen kann. Streitig ist hier der Anspruch der Klägerin
gegenüber der Beklagten auf Genehmigung der 78. Änderung des Flächennut-
zungsplans. An diesem Rechtsverhältnis ist die Stadt Gronau als Nachbarge-
meinde nicht beteiligt. Die Genehmigung der Änderung des Flächennutzungs-
plans der Klägerin kann sich zwar auf die Genehmigungsfähigkeit der ebenfalls
auf die Ermöglichung eines Factory-Outlet-Centers (FOC) gerichteten Änderung
des Flächennutzungsplans der Stadt Gronau auswirken. Ob und inwieweit die
Stadt Gronau deshalb berechtigt ist, die Genehmigung der Änderung des
Flächennutzungsplans der Klägerin anzufechten, kann dahinstehen. Denn je-
denfalls wird durch die Erteilung der von der Klägerin beantragten Genehmi-
gung nicht über den Anspruch der Stadt Gronau auf Genehmigung ihrer Flä-
chennutzungsplanänderung entschieden. Insoweit ist vielmehr eine gesonderte
Entscheidung erforderlich.
Zudem ist die Beklagte durch das Unterbleiben der Beiladung nicht beschwert.
Ein Verfahrensmangel, der den Beschwerdeführer nicht in eigenen Rechten
berührt, kann der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen (Be-
schluss vom 16. September 2009 - BVerwG 8 B 75.09 - NVwZ-RR 2010, 37
Rn. 2). Die notwendige Beiladung soll die Rechte des notwendig Beizuladenden
schützen. Darüber hinaus dient sie der Prozessökonomie, in dem sie die
Rechtskraft des Urteils auf alle am streitigen Rechtsverhältnis Beteiligten er-
streckt. Wer ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt war und entsprechend auf
das Verfahrensergebnis einwirken konnte, wird hingegen durch das Unterblei-
ben der notwendigen Beiladung eines anderen nicht in eigenen Rechten berührt
(Beschluss vom 16. September 2009 a.a.O. Rn. 3). Die Beklagte ist entgegen
ihrer Auffassung auch nicht deshalb beschwert, weil sie verpflichtet wird, der
Klägerin die beantragte Genehmigung zu erteilen, ohne dass eine Rechtskraft-
erstreckung auf die Stadt Gronau erfolgt. Selbst wenn die Stadt Gronau
beigeladen worden wäre, hätte damit nicht gemäß § 121 VwGO bindend fest-
gestanden, dass ihre Klage auf Genehmigung der Flächennutzungsplanände-
rung abzuweisen ist. Denn gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile
auch die Beteiligten nur, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden
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ist. Der Anspruch der Stadt Gronau auf Genehmigung der Änderung ihres Flä-
chennutzungsplans ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
1.2 Auch durch das Unterbleiben einer einfachen Beiladung der Stadt Gronau
ist die Beklagte jedenfalls nicht beschwert. Die hilfsweise erhobene Rüge, das
Oberverwaltungsgericht habe jedenfalls sein Ermessen bei der Entscheidung
über eine einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO fehlerhaft ausgeübt,
kann schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben.
1.3 Die geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.
a) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs sieht die Beklagte zunächst darin, dass
das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung überraschend auf eine zeitli-
che und sachliche Priorität der Bauleitplanung der Klägerin im Verhältnis zur
konkurrierenden Planung der Nachbargemeinde gestützt habe, ohne darauf
während des gerichtlichen Verfahrens eingegangen zu sein.
Eine gerichtliche Entscheidung stellt sich als ein den Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzendes „Überraschungsurteil“ dar, wenn das Gericht einen bis da-
hin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage
seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit
welcher insbesondere der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf
des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Beschluss vom 23. Dezember 1991
- BVerwG 5 B 80.91 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241 S. 91; stRspr). Diese
Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Dass der Stand der Planungen der
Stadt Gronau, ihre Realisierungschance und der Umstand, dass es dort um die
Neuerrichtung und nicht - wie auf dem Gebiet der Klägerin - um die Erweiterung
eines vorhandenen FOC geht, für die Vereinbarkeit der klägerischen Planung
mit dem interkommunalen Abstimmungsgebot von Bedeutung sein konnte (vgl.
UA S. 41), lag auf der Hand; eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es insoweit
nicht. Im Übrigen hatte bereits im Planaufstellungsverfahren der von der Kläge-
rin bestellte Gutachter Prof. Dr. H. das Verhältnis der beiden Planungen unter
dem Gesichtspunkt der zeitlichen und sachlichen Priorität erörtert. Die Klägerin
selbst hatte bei der Prüfung der Anregungen und Bedenken maßgebend darauf
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abgestellt, dass auf ihrem Gebiet ein FOC bereits betrieben werde (Beschluss-
vorlage vom 2. November 2006, S. 84 ). Im Beru-
fungsverfahren hatte sie hierauf und auf das Gutachten H. Bezug genommen
(Schriftsatz vom 28. September 2009, S. 19).
b) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs sieht die Beklagte auch darin, dass das
Oberverwaltungsgericht den Kern ihres Vorbringens in Bezug auf die Tragweite
des raumordnerischen und städtebaulichen Vertrags vom 17. Oktober/24. Okto-
ber 2003 verkannt und eine entscheidungserhebliche Frage dadurch verfehlt
habe.
Auch insoweit ist das rechtliche Gehör nicht verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG ge-
währt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Betei-
ligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz
unberücksichtigt lassen; die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere
nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (Beschluss vom 23. August 2006
- BVerwG 4 A 1067.06 u.a. - juris Rn. 3 m.w.N.). Anders als die Beklagte hat
das Oberverwaltungsgericht dem raumordnerischen und städtebaulichen Ver-
trag zur Realisierung der Ansiedlung und des Betriebs eines FOC in Ochtrup
eine Vorabbindung der Klägerin nicht entnommen. Der Vertrag enthalte keinen
Verzicht auf ein Planungsrecht. Aus § 1 Abs. 5 des Vertrags ergebe sich ledig-
lich, dass die Vertragsparteien wirksamer Änderung des Bebauungsplans
einen Anspruch auf Vertragsanpassung hätten (UA S. 18 f. - Hervorhebung
nicht im Original). Die Frage, inwieweit eine Vorabbindung der planerischen
Abwägung rechtlich zulässig ist und welche Abwägungsrelevanz einer solchen
Bindung gegebenenfalls zukommt, stellte sich ausgehend von dieser Auslegung
des Vertrages nicht. Der Hinweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur Sicherung des naturschutzrechtlichen Aus-
gleichs war rechtlich ebenfalls unerheblich (dazu unten 2.6. d).
c) Die Beklagte macht schließlich geltend, das Oberverwaltungsgericht habe
ihren Vortrag übergangen, dass der parallel aufgestellte Flächennutzungsplan
keine Steuerungsfunktion für das gesamte Gemeindegebiet entfalte und es an
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einem schlüssigen Gesamtkonzept einschließlich des innerstädtischen zentra-
len Versorgungsbereichs fehle.
Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nicht übergangen, es ist ihm
lediglich nicht gefolgt. Es hat die Darstellung des FOC im Flächennutzungsplan
einschließlich der Angaben zur maximalen Verkaufsfläche für zulässig gehalten
(§ 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB); die vorgesehene Art der Bodennutzung - das FOC -
könne sich in das Konzept für das gesamte Gemeindegebiet nur dann einfügen,
wenn die maximalen Verkaufsflächen festgelegt seien (UA S. 49). Zweifel
daran, dass der Flächennutzungsplan in seiner geänderten Fassung geeignet
sei, eine Steuerungsfunktion für das gesamte Gemeindegebiet zu entfalten,
hatte das Oberverwaltungsgericht nicht.
1.4 Die Aufklärungsrügen (§ 86 Abs. 1 VwGO) greifen nicht durch. Der An-
spruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist auch insoweit nicht ver-
letzt.
a) Die Beklagte rügt, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Antrag abgelehnt
hat, zum Beweis der Tatsache, dass die Prognose im Sachverständigengutach-
ten von J. und K. nicht auf eine zuverlässige Prognosebasis gestützt worden ist,
ein Sachverständigengutachten einzuholen. Den Beweisantrag hat das Ober-
verwaltungsgericht nicht nur - wie die Beschwerde vorträgt - abgelehnt, weil er
nicht hinreichend bestimmt und unsubstantiiert, sondern auch, weil er unerheb-
lich sei und der Senat keinen Anlass sehe, ein weiteres Sachverständigengut-
achten einzuholen (UA S. 35).
Liegen bereits Gutachten oder Auskünfte vor, steht es nach § 98 VwGO, § 404
Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzli-
che Auskünfte oder Sachverständigengutachten einholt. Ein weiteres Gutachten
muss das Gericht nur einholen, wenn sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung
aufdrängte, insbesondere weil das vorhandene Gutachten Mängel aufweist, die
es im gerichtlichen Verfahren zur Sachverhaltsfeststellung ungeeignet
erscheinen lassen, oder weil das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag
eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft
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erschüttert wurde (Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - NVwZ 2007,
1074 Rn. 71; stRspr.). Gemessen hieran ist die Ablehnung des Beweisantrags
nicht zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einzelnen dargelegt,
dass das Gutachten von J. und K. den an eine Prognose zu stellenden
Anforderungen genügt (UA S. 32 ff.). Es hat insbesondere nachvollzogen, wie
das Gutachten den Untersuchungsraum und das darüber hinausreichende
Einzugsgebiet des FOC bestimmt hat. Das Gutachten habe zugrunde gelegt,
dass die Kunden weit überwiegend aus der näheren Umgebung stammten; die
Zahlen lägen auf der sicheren Seite (UA S. 36). Ausgehend hiervon bestand
kein Anlass, ein weiteres Gutachten einzuholen.
b) Die Beklagte rügt außerdem die Ablehnung ihres Antrags, ein Sachverstän-
digengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass durch den demo-
graphischen Wandel bedingte Veränderungsprozesse in den Prognosedaten
nicht berücksichtigt seien. Diesen Antrag hat das Oberverwaltungsgericht abge-
lehnt, weil er unsubstantiiert geblieben und zudem unerheblich sei. Das ergebe
sich insbesondere aus der „Modellrechnung des IT.NRW zur zukünftigen Be-
völkerungsentwicklung in den NRW-Gemeinden 2008 bis 2030“. Diese Progno-
se gehe davon aus, dass in den aufgeführten Gemeinden im Untersuchungs-
raum die Bevölkerungszahl bis zum Jahre 2030 insgesamt um 1 % wachsen
werde (UA S. 34). Hiergegen wendet die Beschwerde ein, das Gericht habe auf
eine Gesamtbetrachtung des Untersuchungsraums abgestellt; gerade in den
Nachbargemeinden seien aber bereits Stagnationen und Schrumpfungsprozes-
se zu erwarten.
Ein Aufklärungsmangel ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht. Denn einen auf
einzelne Gemeinden bezogenen Beweisantrag hatte die Beklagte nicht gestellt.
Dass der zu erwartende Kaufkraftabfluss unter Berücksichtigung einer ge-
meindespezifisch prognostizierten Bevölkerungsentwicklung in bestimmten
Gemeinden in städtebaulich relevante Auswirkungen umschlagen könnte,
musste sich dem Oberverwaltungsgericht ohne einen entsprechenden Beweis-
antrag nicht aufdrängen.
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c) Einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz sieht die Beklagte
schließlich darin, dass das Oberverwaltungsgericht ihrem Vorbringen nicht
nachgegangen sei, wonach die Klägerin im Rahmen der Abwägung unberück-
sichtigt gelassen habe, ob in den Nachbargemeinden städtebauliche Konzepte
vorhanden seien, welche durch die projektbezogene klägerische Planung be-
einträchtigt worden sein könnten.
Insoweit ist ein Aufklärungsmangel nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Die Beschwerde zeigt nicht - wie dies
erforderlich wäre (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW
1997, 3328) - auf, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbe-
darf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklä-
rungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächli-
chen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklä-
rung voraussichtlich getroffen worden wären. Ebenso wenig zeigt sie auf, wa-
rum sich dem Gericht ohne einen entsprechenden Beweisantrag weitere Ermitt-
lungen hätten aufdrängen müssen. Der bereits im Berufungsverfahren erhobe-
nen Rüge, die Gutachter hätten bei den Nachbargemeinden abfragen müssen,
welche zentralen Versorgungsbereiche bestünden, wie diese abgegrenzt seien
und welche Planungen zur Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche bestün-
den, hat das Oberverwaltungsgericht entgegengehalten, sie lasse eine Durch-
dringung des Sach- und Streitstandes und der vorliegenden gutachterlichen
Stellungnahmen vermissen; welche konkreten Planungen in Ahaus, Rheine,
Nordhorn und Lingen nicht berücksichtigt worden sein könnten und welche
Auswirkungen dies auf die vorliegende Beurteilung haben könnte, werde nicht
im Ansatz dargelegt (UA S. 33 f.). Das Beschwerdevorbringen geht insoweit
über das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren nicht hinaus.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
2.1 Zum maßgebenden Beurteilungszeitpunkt bezeichnet die Beklagte zwei
Fragen als klärungsbedürftig:
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a) Kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der
Versagung einer Genehmigung des Flächennutzungs-
plans hinsichtlich Mängeln der Abwägung auch dann ge-
mäß § 214 Abs. 3 BauGB auf den Zeitpunkt der Abwä-
gungsentscheidung an, wenn die planende Gemeinde im
Zeitpunkt dieser Entscheidung weiß, dass bis zum Zeit-
punkt der Genehmigung des Flächennutzungsplans Ände-
rungen in der Sach- und Rechtslage eintreten werden,
welche die Rechtmäßigkeit der Abwägungsentscheidung
betreffen?
Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das
Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Klägerin im Zeitpunkt
ihrer Beschlussfassung über die 78. Änderung des Flächennutzungsplans
(2. November 2006) wusste, dass bis zum Zeitpunkt der Genehmigung des
Flächennutzungsplans Änderungen in der Sach- und Rechtslage eintreten wür-
den, die - wie die Beklagte meint - die Rechtmäßigkeit der getroffenen Abwä-
gungsentscheidung betreffen würden. Die Klägerin konnte nicht wissen, wann
die Beklagte über die Genehmigung ihrer am 14. November 2006 (UA S. 8)
vorgelegten Flächennutzungsplanänderung entscheiden würde, ob zu diesem
Zeitpunkt die geplante Neufassung des § 24a LEPro in Kraft getreten und ob
die Neufassung überhaupt, als Ziel oder als Grundsatz der Raumordnung wirk-
sam sein würde. Ebenso wenig konnte sie wissen, ob die am 23. Januar 2008
(UA S. 22), also erst während des gerichtlichen Verfahrens von der Stadt Gro-
nau beschlossene Änderung des Flächennutzungsplans für ein Hersteller-
Direktverkaufszentrum genehmigungsfähig sein würde. Die Beklagte selbst hat-
te die Genehmigung zunächst versagt (UA S. 41).
b) Verschiebt sich der Beurteilungszeitpunkt hinsichtlich
der Rechtmäßigkeit der Abwägungsentscheidung bei ei-
nem Flächennutzungsplan, der im Parallelverfahren auf-
gestellt wird, auf den Zeitpunkt der Abwägungsentschei-
dung eines Bebauungsplans, wenn dieser deshalb an ei-
nem beachtlichen Verfahrensmangel leidet, weil er unter
Verstoß gegen § 214 Abs. 2 Nr. 3 BauGB, also obwohl der
Gemeinde bekannt war, dass die Genehmigung für den
Flächennutzungsplan nicht erteilt war, bekanntgemacht
worden ist und sich deshalb der maßgebliche Zeitpunkt
der Abwägungsentscheidung hinsichtlich des parallel
aufgestellten Bebauungsplans auf einen späteren Zeit-
punkt verschoben hat?
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Die Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Es ergibt sich
unmittelbar aus § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB, dass für die einer Änderung des
Flächennutzungsplans zugrunde liegende Abwägung die Sach- und Rechtslage
im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Flächennutzungsplanänderung
maßgebend ist. Das gilt auch, wenn ein im Parallelverfahren aufgestellter Be-
bauungsplan wegen einer Verletzung des Entwicklungsgebots (§ 8 Abs. 2
Satz 1 BauGB) für unwirksam erklärt wurde, weil die Änderung des Flächennut-
zungsplans im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über
den Normenkontrollantrag mangels Genehmigung unwirksam und die Verlet-
zung des Entwicklungsgebots nicht gemäß § 214 Abs. 2 Nr. 3 BauGB unbe-
achtlich war, weil die Gemeinde den Bebauungsplan in Kenntnis der fehlenden
Genehmigung der Flächennutzungsplanänderung bekannt gemacht und sich
damit bewusst über diesen Mangel hinweggesetzt hat (vgl. hierzu OVG Müns-
ter, Urteil vom 30. September 2009 - 10 D 8/08.NE - juris). § 8 Abs. 2 Satz 1
BauGB und die hieran anknüpfende Fehlerfolgeregelung in § 214 Abs. 2 Nr. 3
BauGB enthalten Anforderungen an die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung
eines Bebauungsplans. Sie modifizieren nicht den maßgebenden Zeitpunkt für
die Abwägung bei Aufstellung, Änderung oder Ergänzung des Flächennut-
zungsplans. Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs München vom
11. November 1998 - 26 N 97.3102 - (NuR 1999, 391), auf das die Beklagte
sich beruft, ergibt sich nichts anderes. Es betrifft die Frage, ob ein Bebauungs-
plan an einem beachtlichen Verstoß gegen das Entwicklungsgebot leidet.
2.2 Zur Planrechtfertigung wirft die Beklagte folgende Frage auf:
Kann § 1 Abs. 3 BauGB der Genehmigung eines im Paral-
lelverfahren geänderten Flächennutzungsplans für ein
Hersteller-Direktverkaufszentrum entgegenstehen, wenn
im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der
Tatsacheninstanz feststeht, dass wegen des Vorliegens
eines Genehmigungsanspruchs hinsichtlich eines Flä-
chennutzungsplans einer Nachbargemeinde für ein kon-
kurrierendes Vorhaben im Fall der Genehmigung des klä-
gerischen Vorhabens mit dem Inkrafttreten von Bebau-
ungsplänen und der Verwirklichung von Vorhaben nach
den insoweit übereinstimmenden Prognosen der Gutach-
ter mit derart gravierenden kumulierenden städtebaulichen
Auswirkungen zu rechnen ist, dass schädliche städ-
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tebauliche und raumstrukturelle Auswirkungen in der pla-
nenden Gemeinde und in den Nachbargemeinden zu er-
warten sind?
Die Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Im
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts stand
nicht - wie in der Frage vorausgesetzt - fest, dass die Stadt Gronau einen An-
spruch auf Genehmigung ihrer Flächennutzungsplanänderung hatte. Das
Oberverwaltungsgericht hat vielmehr festgestellt, auch die Beklagte selbst gehe
offenbar davon aus, dass (auch) der Stadt Gronau ein Genehmigungsanspruch
nicht zustehe; deren Berufungsverfahren sei jedenfalls noch anhängig, ohne
dass die Beklagte erklärt habe, sie entspreche dem Begehren der Stadt Gronau
(UA S. 23).
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt,
dass qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht, die sich
auch aus einem qualifizierten Abstimmungsbedarf zwischen benachbarten
Gemeinden nach § 2 Abs. 2 BauGB ergeben können, zwar das Planungser-
messen nach § 1 Abs. 3 BauGB zu einer strikten Planungspflicht verdichten
können (Urteil vom 17. September 2003 - BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119,
25). Kommt die Gemeinde jedoch ihrer Planungspflicht nach, stellen schädliche
Auswirkungen auf Nachbargemeinden nicht die städtebauliche Erforderlichkeit
der Planung nach § 1 Abs. 3 BauGB, sondern ihre Vereinbarkeit mit dem inter-
kommunalen Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB) in Frage. Davon ist auch
das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 23).
2.3 Zum Abwägungsgebot stellt die Beklagte sechs Fragen:
a) Muss die ein Hersteller-Direktverkaufszentrum planen-
de Gemeinde für den gesamten Einzugsbereich im Rah-
men der Abwägung ermitteln, ob kommunale Planungen
existieren, die durch ihre Planung beeinträchtigt werden?
Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberver-
waltungsgericht hat - wie bereits unter 1.4.c) dargelegt - tatsächliche Anhalts-
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punkte dafür, dass relevante Planungen anderer Gemeinden übersehen worden
sein könnten, verneint.
b) Kann im Verhältnis zu drittbetroffenen Nachbargemein-
den im Einzugsbereich die Relevanzschwelle für städte-
baulich erhebliche Auswirkungen erst bei einem prognos-
tizierten Kaufkraftabzug von mehr als 10 % zu Grunde ge-
legt werden, wenn innerhalb des Einzugsbereichs des
Hersteller-Direktverkaufszentrums schon bei einem gerin-
geren Prozentanteil in zahlreichen zentralen Versor-
gungsbereichen die Aufgabe von Geschäften zu prognos-
tizieren ist, die für die zentralen Versorgungsbereiche
funktionstragend sind?
Diese Frage wäre ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Nach den tatsächli-
chen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat das der Abwägung zu
Grunde liegende Gutachten die 10 %-Marke der Umsatzumverteilung weder in
die eine noch in die andere Richtung als „Demarkationslinie“ gesehen (UA
S. 33). Es hat auch Umsatzumverteilungen unter 10 % in die Untersuchung
einbezogen und sie auf ihre städtebaulichen Auswirkungen untersucht. Hierzu
seien die zentralen Versorgungsbereiche in Bezug auf Lage im Stadtgefüge,
Struktur, Atmosphäre, städtebauliche Qualität, Qualität der Läden, des Stra-
ßenraumes, die Handelsdichte und Magnetbetriebe untersucht worden. Des
Weiteren stelle das Gutachten die Funktion von Mittel- und Grundzentren in die
Betrachtung ein. Auf dieser Grundlage werde im einzelnen ausführlich und
plausibel dargestellt, dass für keine der untersuchten Gemeinden mit einem
Umschlagen von absatzwirtschaftlichen in städtebaulich negative Auswirkungen
zu rechnen sei (UA S. 37). An diese tatsächlichen Feststellungen wäre das Re-
visionsgericht gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).
c) Muss sich die ein Hersteller-Direktverkaufszentrum pla-
nende Gemeinde, die festgestellt hat, dass eine Nachbar-
gemeinde eine konkurrierende Planung in Angriff genom-
men hat, mit dieser im Rahmen der bauleitplanerischen
Abwägung inhaltlich nur dann auseinandersetzen, wenn
ihre eigene Planung die zentralen Versorgungsbereiche
der Nachbargemeinde nach der Prognose der beauftrag-
ten Gutachter unzumutbar beeinträchtigt?
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Die Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. In der Recht-
sprechung des Senats ist geklärt, dass eine verfahrensmäßig-formelle und eine
materiell-inhaltliche Abstimmung nach den zum Abwicklungsgebot entwickelten
Grundsätzen geboten ist, wenn nachbargemeindliche Belange in mehr als ge-
ringfügiger Weise nachteilig betroffen werden; sie ist erst recht erforderlich,
wenn auf Grund „unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art“ auf die städte-
bauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde im Sinne der Senats-
rechtsprechung (vgl. Urteile vom 8. September 1972 - BVerwG 4 C 17.71 -
BVerwGE 40, 323 <331> und vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 4 C 36.86 -
BVerwGE 84, 209 <217>) ein qualifizierter Abstimmungsbedarf besteht (Urteil
vom 17. September 2003 a.a.O. S. 34). Eine hiervon abweichende Rechtsauf-
fassung hat auch das Oberverwaltungsgericht nicht vertreten. Fehler im Verfah-
ren oder im Abwägungsvorgang hat es im Hinblick auf die Abstimmung mit den
Interessen der Stadt Gronau nicht festgestellt; es hat vielmehr darauf hingewie-
sen, dass insbesondere unter Beteiligung bzw. auf Betreiben der Beklagten
während des Aufstellungsverfahrens über das in §§ 4, 4a BauGB vorgesehene
Verfahren hinaus Abstimmungsgespräche mit der Klägerin und der Stadt Gro-
nau stattgefunden hätten (UA S. 29). Zur materiellen Abstimmungspflicht hat
das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, wenn sich zwei benachbarte Gemein-
den in einer Konkurrenzsituation befänden, dürfe keine von ihrer Planungsho-
heit rücksichtslos zum Nachteil der anderen Gebrauch machen (UA S. 29). So-
weit es Anhaltspunkte für unzumutbare Auswirkungen auf Nachbargemeinden
verneint hat (UA S. 31), hat es lediglich zum Ausdruck gebracht, dass auch das
Abstimmungsergebnis nicht zu beanstanden sei, weil die im Wege der Abwä-
gung nicht mehr überwindbare äußerste Grenze für Beeinträchtigungen von
Nachbargemeinden hier nicht überschritten sei.
d) Die nächste Frage ist nur für den Fall gestellt, dass die Frage 2.3.c) zu beja-
hen ist. Das ist - wie dargelegt - nicht der Fall.
e) Musste sich die Klägerin im Rahmen der Abwägung mit
der sich aufdrängenden Alternative einer gemeinsamen
Planung oder einer inhaltlich abgestimmten, auf die
Raumverträglichkeit zugeschnittenen Verkaufsflächenbe-
grenzung auseinandersetzen?
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Die Frage ist auf die Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls zugeschnitten;
sie ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
f) Gleiches gilt für die Frage,
welches Gewicht dem Umstand der Selbstschädigung der
planenden Gemeinde im Rahmen der Abwägung
beizumessen ist, wenn diese in Anbetracht der gutachter-
lichen Prognose sowohl bereit ist, ihren eigenen inner-
städtischen zentralen Versorgungsbereich preis zu geben,
als auch im Nachhinein für den Aufbau dieses zentralen
Versorgungsbereichs eingesetzte öffentliche Mittel ihrem
Zweck nach fehlgehen zu lassen.
Welches Gewicht einem Belang in der Abwägung beizumessen ist, hängt maß-
gebend von den Umständen des Einzelfalls ab.
2.4 Zum interkommunalen Abstimmungsgebot wirft die Beklagte zwei Fragen
auf:
a) Reicht es, wenn zwei Nachbargemeinden konkurrierend
Hersteller-Direktverkaufszentren mit überörtlicher
Ausstrahlungswirkung und überschneidenden Einzugsbe-
reichen planen, nach dem Abstimmungsgebot gemäß § 2
Abs. 2 BauGB aus, dass die planende Gemeinde in der
städtebaulichen Verträglichkeitsanalyse die Auswirkungen
der eigenen Planung auf die Nachbargemeinde prüfen
lässt und die Nachbargemeinde anhört oder muss nicht
eine materielle Abstimmung auch in dem Sinne versucht
werden, dass ein gemeinsames Konzept oder überhaupt
eine Einigung in der Sache angestrebt wird, um auch die
Planungshoheit der Nachbargemeinde unter dem Aspekt
der Verhältnismäßigkeit möglichst weitgehend zu scho-
nen?
b) Ist nicht gerade dann eine qualifizierte Abstimmung ge-
boten, wenn - ausgehend von der Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts - keine Ziele der Raumordnung
zur Steuerung der Einzelhandelsentwicklung existieren
und nach den insoweit übereinstimmenden gutachterli-
chen Prognosen feststeht, dass beide Planungen nicht
nebeneinander raumverträglich, sondern nur mit schädli-
chen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche re-
alisiert werden können?
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Beide Fragen sind, soweit sie nicht bereits geklärt sind, einer rechtsgrundsätzli-
chen Klärung nicht zugänglich. Der Senat hat zur Reichweite des interkommu-
nalen Abstimmungsgebots ausgeführt (Urteil vom 1. August 2002 - BVerwG 4 C
5.01 - BVerwGE 117, 25 <32 f.>):
§ 2 Abs. 2 BauGB steht in einem engen sachlichen Zu-
sammenhang mit § 1 Abs. 6 BauGB. Das
interkommunale Abstimmungsgebot stellt sich als eine
besondere Ausprägung des Abwägungsgebots dar. Befin-
den sich benachbarte Gemeinden objektiv in einer Kon-
kurrenzsituation, so darf keine von ihrer Planungshoheit
rücksichtslos zum Nachteil der Anderen Gebrauch ma-
chen. Der Gesetzgeber bringt dies in § 2 Abs. 2 BauGB
unmissverständlich zum Ausdruck. Diese Bestimmung
verleiht dem Interesse der Nachbargemeinde, vor
Nachteilen bewahrt zu werden, besonderes Gewicht. Das
Gebot, die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufein-
ander abzustimmen, lässt sich als gesetzliche Ausformung
des in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten
gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts verstehen. § 2
Abs. 2 BauGB liegt die Vorstellung zu Grunde, dass be-
nachbarte Gemeinden sich mit ihrer Planungsbefugnis im
Verhältnis der Gleichordnung gegenüberstehen. Die Vor-
schrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen die-
sen Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der
gemeindlichen Belange. … Umgekehrt lässt sich aus § 2
Abs. 2 BauGB nicht etwa entnehmen, dass eine Planung,
die durch Auswirkungen gewichtiger Art gekennzeichnet
ist, bereits aus diesem Grund gegen das Abwägungsgebot
verstieße. Auch hier gilt, dass selbst gewichtige Belange
im Wege der Abwägung überwunden werden dürfen,
wenn noch gewichtigere ihnen im Rang vorgehen. Die
Bedeutung des § 2 Abs. 2 BauGB im Rahmen des allge-
meinen Abwägungsgebots liegt darin, dass eine Gemein-
de, die ihre eigenen Vorstellungen selbst um den Preis
von gewichtigen Auswirkungen für die Nachbargemeinde
durchsetzen möchte, einem erhöhten Rechtfertigungs-
zwang in Gestalt der Pflicht zur (formellen und materiellen)
Abstimmung im Rahmen einer förmlichen Planung
unterliegt.
Ob ausgehend hiervon im Fall von konkurrierenden Planungen die eine Ge-
meinde die Belange der anderen Gemeinde im Wege der Abwägung zurück-
stellen darf oder ob ein solches Abwägungsergebnis der Nachbargemeinde
gegenüber rücksichtslos wäre und ein Scheitern beider Planungen nur durch
eine konsensuale Lösung, z.B. eine Vereinbarung über bestimmte Darstellun-
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- 16 -
gen in den jeweiligen Flächennutzungsplänen gemäß § 204 Abs. 1 Satz 4
BauGB verhindert werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Von Bedeutung kann u.a. sein, inwieweit die Planung an eine bereits verwirk-
lichte frühere Planung anknüpft und wie weit die Planung der Nachbargemeinde
fortgeschritten ist.
2.5 Zur zeitlichen Priorität möchte die Beklagte folgende Frage geklärt wissen:
Ist, wenn nach übereinstimmender Auffassung der Gut-
achter beim Zusammentreffen zweier städtebaulicher Pla-
nungen von Hersteller-Direktverkaufszentren im Fall der
Verwirklichung dieser Planungen innerhalb des sich über-
schneidenden Kerneinzugsbereichs schädliche Auswir-
kungen auf die städtebauliche Entwicklung der Nachbar-
gemeinden ausgelöst werden, für die Entscheidung über
den Vorrang der einen oder der anderen Planung maßge-
bend, welche der beiden Ansiedlungsgemeinden zuerst
die Abwägungsentscheidung über den Flächennutzungs-
plan getroffen hat oder welche der beiden zuerst einen
Anspruch auf Genehmigung des Flächennutzungsplans
hatte?
Die Frage ist teilweise bereits geklärt und einer darüber hinausgehenden all-
gemeingültigen Klärung nicht zugänglich.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist die materielle Abstimmungspflicht
nicht auf solche Fälle beschränkt, in denen bei der Nachbargemeinde Bauleit-
pläne bereits vorhanden sind; die Schutzwürdigkeit der gemeindlichen Pla-
nungshoheit steigert sich zwar, wenn sie durch den Erlass von Bauleitplänen
ausgeübt wurde; ihre Schutzwürdigkeit überhaupt hängt aber davon nicht ab
(Urteil vom 8. September 1972 a.a.O. S. 330 f.; Beschluss vom 9. Januar 1995
- BVerwG 4 NB 42.94 - Buchholz 406.11 § 2 BauGB Nr. 37). Daraus ergibt sich
ohne weiteres, dass gewichtige Auswirkungen auf Planungen einer Nachbar-
gemeinde nicht allein deshalb im Rahmen der Abwägung zurückgestellt werden
dürfen, weil die Nachbargemeinde die Abwägungsentscheidung über ihren Plan
noch nicht getroffen hat. Die Konkretisierung dieser Planung und ihre Realisie-
rungschancen können aber für das Gewicht der nachbargemeindlichen Belange
von Bedeutung sein. Welche Bedeutung der zeitlichen Priorität im Verhältnis zu
anderen abwägungserheblichen Gesichtspunkten zukommt, hängt von den
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- 17 -
Umständen des Einzelfalls ab. Eine allgemeine Kollisionsregel hat auch das
Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt. Es hat eine Verletzung des interkom-
munalen Abstimmungsgebots im Hinblick auf die Planung der Stadt Gronau
nicht nur verneint, weil die Stadt Gronau ihren Flächennutzungsplan erst mehr
als ein Jahr nach der Klägerin beschlossen hat, sondern auch, weil ungewiss
war, ob der Flächennutzungsplan der Stadt Gronau genehmigt werden würde
und weil es in Gronau um die Neuerrichtung, bei der Klägerin aber um die Er-
weiterung eines bereits vorhandenen FOC ging (UA S. 41).
2.6 Zur Reichweite der Bindung an einen raumordnerischen und städtebauli-
chen Vertrag und dessen Abwägungsrelevanz bezeichnet die Beklagte fünf
Fragen als klärungsbedürftig:
a) Kann ein städtebaulicher Vertrag, der eine Festlegung
auf eine Maximalgröße der Verkaufsfläche bezüglich der
Errichtung eines Einkaufszentrums enthält, die Grundlage
für eine zulässige Vorwegbindung der planenden Ge-
meinde im Hinblick auf die Erweiterung dieses Einkaufs-
zentrums bilden, wenn er die Planungskompetenz der
Gemeinde im Übrigen unberührt lässt, weil er ausdrücklich
die Möglichkeit der Vertragsanpassung im Fall der recht-
mäßigen Änderung des Bebauungsplans vorsieht?
Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberver-
waltungsgericht hat dem raumordnerischen und städtebaulichen Vertrag vom
24. Oktober 2003 nicht entnommen, dass die Klägerin sich gegenüber der Be-
klagten verpflichtet habe, eine Vorhabenerweiterung planerisch nicht zu ermög-
lichen. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Klägerin auch in Bezug
auf eine Erweiterung des FOC auf ihr Planungsrecht nicht verzichtet habe (vgl.
oben 1.3. b). Der Sache nach ist die Frage der Beklagten darauf gerichtet, die-
se Auslegung des Vertrages einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen.
Der Auslegung eines konkreten Vertrages kommt eine fallübergreifende grund-
sätzliche Bedeutung indessen nicht zu.
b) Muss bei der Auslegung eines städtebaulichen Vertra-
ges auch der Hintergrund und der Regelungszweck des
Vertrages berücksichtigt werden, um die Reichweite der
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von ihm ausgehenden und bezweckten zulässigen Vor-
wegbindung der Gemeinde bestimmen zu können?
Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. In der
Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass bei der Auslegung eines öffentlich-
rechtlichen Vertrages nach den entsprechend anwendbaren §§ 133, 157 BGB
nicht bei den Buchstaben des Vertragstextes stehen zu bleiben, sondern der
Sinn der vertraglichen Regelung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu
erforschen ist (Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 21.89 - BVerwGE 84,
257 <264>). Auch Hintergrund und Regelungszweck des Vertrages können
hiernach zu berücksichtigen sein. Das hat auch das Oberverwaltungsgericht
nicht in Abrede gestellt. Es hat den von der Beklagten erläuterten Motiven und
Hintergründen des Vertragsschlusses gegenüber dem Vertragstext lediglich
nicht die Bedeutung beigemessen, die die Beklagte für angemessen hält. Ein
rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf ergibt sich daraus nicht.
c) Welche Anforderungen resultieren aus dem städtebau-
lichen Vertrag im Verhältnis zum Vertragspartner, wenn
die planende Gemeinde von der vertraglich zugelassenen
Möglichkeit Gebrauch macht, sich von dem vertraglich
abgestimmten Konzept durch abweichende Bauleitpla-
nung zu verabschieden?
Diese Frage ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Welche
Pflichten sich aus einem städtebaulichen Vertrag ergeben, hängt vom Inhalt des
jeweiligen Vertrages ab.
d) Muss spätestens im Zeitpunkt der Abwägungsentschei-
dung ein Vertrag zur Sicherung der Konzepttreue für die
geplante Erweiterung des Hersteller-Direktverkaufszen-
trums vorliegen oder genügt es, dass ein Anspruch der
Parteien auf Anpassung des ursprünglichen Vertrages be-
züglich eines Hersteller-Direktverkaufszentrums mit einer
Maximalverkaufsfläche von 3 500 m² gegeben ist?
Soweit die Frage einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist, kann sie
auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden.
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Die Beklagte meint, ein Vertrag zur Gewährleistung der Konzepttreue des
Vorhabenträgers müsse spätestens im Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung
über den Flächennutzungsplan und des parallelen Satzungsbeschlusses über
den Bebauungsplan vorliegen; insoweit sei die Rechtsprechung zur Sicherung
der Durchführung des naturschutzrechtlichen Ausgleichs (Urteil vom
19. September 2002 - BVerwG 4 CN 1.02 - BVerwGE 117, 58 <67 ff.>, Be-
schluss vom 18. Juli 2003 - BVerwG 4 BN 37.03 - BRS 66 Nr. 217 S. 924 f.) auf
die bauleitplanerische Steuerung der Ansiedlung von großflächigem Einzelhan-
del übertragbar. Die genannte Rechtsprechung bezieht sich auf eine spezielle
Vorschrift (§ 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB) für die Anwendung der Eingriffsregelung
bei der Aufstellung von Bauleitplänen. Zur Frage, ob und ggf. wann bei der
Bauleitplanung zur Ansiedlung großflächigen Einzelhandels ein Vertrag zur
Gewährleistung der Konzepttreue des Vorhabenträgers vorliegen muss, lässt
sich den Entscheidungen nichts entnehmen. Die Antwort auf diese Frage hängt
von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und ist einer grundsätzlichen
Klärung nicht zugänglich.
e) Ist die Regelung des § 12 Abs. 1 BauGB bezüglich des
vorhabenbezogenen Bebauungsplans auf einen projekt-
bezogenen Flächennutzungsplan der vorliegenden Art in-
soweit analog anzuwenden, als der Vertrag, durch den die
Kostentragung des Vorhabenträgers für die Planung ge-
regelt wird, vor dem Feststellungsbeschluss im Sinne von
§ 6 Abs. 6 BauGB vorliegen muss?
Dass die spezifischen Anforderungen an einen vorhabenbezogenen Bebau-
ungsplan in § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB weder direkt noch entsprechend für ei-
nen Flächennutzungsplan gelten, liegt auf der Hand und bedarf nicht der Bestä-
tigung in einem Revisionsverfahren.
2.7 Zur Reichweite der richterlichen Prüfungskompetenz in Bezug auf die Ziel-
qualität von landesplanerischen Festlegungen bezeichnet die Beklagte zwei
Fragen als klärungsbedürftig:
a) Darf ein Berufungsgericht im Rahmen einer auf die
Verpflichtung der Genehmigungsbehörde zur Erteilung der
Genehmigung eines Flächennutzungsplans gerichteten
Klage die Rechtmäßigkeit von Rechtsvorschriften bzw.
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von Zielen der Raumordnung prüfen, obwohl diese vom
Anwendungsbereich her die Versagung nicht rechtfertigen
könnten und die Genehmigungsbehörde die Versagung
auch nicht auf diese Rechtsvorschriften gestützt hat? Ist
diese Form der „unaufgeforderten Suche von Fehlern, auf
die es für die Entscheidung nicht ankommt“ im Rahmen
einer gegen die Versagung der Genehmigung eines Flä-
chennutzungsplans gerichteten Verpflichtungsklage noch
von der gerichtlichen Prüfungskompetenz gedeckt?
b) Gibt der Grundsatz der Plan- und Normerhaltung An-
lass zu prüfen, ob eine geltungserhaltende Auslegung der
als Ziel gekennzeichneten Festlegung möglich ist?
Die Klägerin hält diese Grundsatzrügen für unzulässig, weil die Beklagte durch
die Verneinung der Zielqualität des § 24a Abs. 1 LEPro im angefochtenen Urteil
nicht beschwert sei. Die hierauf bezogenen Rügen seien deshalb bereits unzu-
lässig. Die Beschwerde macht in der Tat selbst geltend, dass das Oberverwal-
tungsgericht bereits den Anwendungsbereich des raumordnungsrechtlichen Be-
einträchtigungsverbots (§ 24a Abs. 1 Satz 3 LEPro) hätte verneinen müssen;
dieser wäre nur eröffnet gewesen, wenn das Oberverwaltungsgericht der Mei-
nung gewesen wäre, dass auch die Änderung des Flächennutzungsplans der
Stadt Gronau zu genehmigen sei. Nach der Verkündung des angefochtenen
Urteils hat die Beklagte jedoch die Änderung des Flächennutzungsplans der
Stadt Gronau genehmigt. Wäre dieser Umstand im Revisionsverfahren zu be-
rücksichtigen, wäre der Anwendungsbereich des Beeinträchtigungsverbots
auch nach dem Vortrag der Beklagten eröffnet. In diesem Fall wäre sie durch
die Verneinung der Zielqualität des § 24a Abs. 1 LEPro möglicherweise be-
schwert.
Das Vorliegen einer Beschwer kann jedoch offen bleiben. Die Frage a) kann,
soweit sie entscheidungserheblich wäre, auch ohne Durchführung eines Revi-
sionsverfahrens beantwortet werden. Das Oberverwaltungsgericht hat einen
Verstoß des Flächennutzungsplans gegen § 1 Abs. 4 BauGB, § 24a Abs. 1
Satz 3 LEPro verneint, weil § 24a Abs. 1 LEPro kein Ziel der Raumordnung sei.
Seine Ausführungen zum fehlenden Verbindlichkeitsanspruch der Vorschrift in
räumlicher und/oder sachlicher Hinsicht (UA S. 26 f.) tragen die Feststellung der
Vereinbarkeit des Flächennutzungsplans mit § 1 Abs. 4 BauGB; sie sind nicht -
wie die Beschwerde meint - ein obiter dictum. Zur Frage, ob das Beein-
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trächtigungsverbot des § 24a Abs. 1 Satz 3 LEPro verletzt wäre, wenn ihm
Zielqualität zukäme, hat sich das Oberverwaltungsgericht nicht verhalten.
Einen Rechtssatz des Inhalts, dass die Zielqualität einer raumplanerischen
Festlegung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur geprüft werden darf,
wenn die fehlende Zielqualität der einzige Grund für die Feststellung wäre, dass
die Festlegung dem streitgegenständlichen Plan nicht entgegensteht, enthält
das Bundesrecht nicht. Die vom Bundesverwaltungsgericht gelegentlich ausge-
sprochene Mahnung, die Tatsachengerichte sollten sich nicht „gleichsam unge-
fragt“ auf Fehlersuche begeben, betraf andere Fallkonstellationen (vgl. Urteile
vom 7. September 1979 - BVerwG 4 C 7.77 - Buchholz 406.11 § 10 BBauG
Nr. 10 S. 17 f. und vom 17. April 2002 - BVerwG 9 CN 1.01 - BVerwGE 116,
188 <196 f.>; Beschluss vom 1. April 1997 - BVerwG 4 B 206.96 - BRS 59
Nr. 34 S. 133 f.). Abgesehen davon stellt sie keinen Rechtssatz dar, sondern
umschreibt lediglich eine Maxime richterlichen Handelns (Beschluss vom
4. Oktober 2006 - BVerwG 4 BN 26.06 - Buchholz 406.11 § 1a BauGB Nr. 6
Rn. 7).
Die Frage b) würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Ober-
verwaltungsgericht hat eine Auslegung des § 24a Abs. 1 LEPro dahingehend,
dass die Vorschrift einen räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmba-
ren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen verbindlichen
Rahmen für die Ausweisung von Kerngebieten und Sondergebieten für Vorha-
ben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO enthält, nicht für möglich gehalten. An-
satzpunkte für eine Auslegung des § 24a Abs. 1 LEPro, auf deren Grundlage
die Vorschrift als Ziel der Raumordnung hätte qualifiziert werden können und
der aus Respekt vor der Normsetzungskompetenz des Plangebers der Vorzug
hätte gegeben werden können, sind dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
nicht zu entnehmen.
2.8 Zu den Anforderungen an ein Ziel der Raumordnung möchte die Beklagte
zwei Fragen geklärt wissen:
a) Genügt es den Voraussetzungen des § 3 Nr. 2 ROG an
ein Ziel der Raumordnung, dass ein nutzungs- und/oder
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planungsbezogener Regelungskern als planerische Rah-
menvorgabe räumlich und sachlich bestimmbar vom Trä-
ger der Landes- oder Regionalplanung abschließend ab-
gewogen für die nachfolgende kommunale Planung fest-
gelegt wird?
Die Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie ist auf der
Grundlage der bereits vorhandenen Rechtsprechung ohne Weiteres zu beja-
hen.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG sind Ziele der Raumordnung verbindliche Vorgaben
in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger
der Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen
Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Siche-
rung des Raums. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Lan-
desplanung, auch soweit sie Ziele festlegt, als übergeordnete, überörtliche und
zusammenfassende Planung zwar gegenüber der Bauleitplanung vorrangig ist,
sich aus ihrer Aufgabenstellung aber gleichzeitig rechtliche Beschränkungen
ergeben. In Richtung auf die örtliche Planung schafft sie, wie dies für eine Pla-
nung, der weitere Planungsstufen nachgeordnet sind, typisch ist, Rahmenbe-
dingungen. Tendenziell ist sie auf weitere Konkretisierung angelegt. Die lan-
desplanerische Letztentscheidung beruht auf einem Ausgleich spezifisch lan-
desplanerischer Konflikte und auf einer Abwägung landesplanerischer Ge-
sichtspunkte. Sie bietet Lösungen, die auf landesplanerischer Ebene keiner
Ergänzung mehr bedürfen, auf der nachgeordneten Planungsstufe der Bauleit-
planung jedoch grundsätzlich noch einer Verfeinerung und Ausdifferenzierung
zugänglich sind. Wie groß der Spielraum ist, der der Gemeinde für eigene pla-
nerische Aktivitäten verbleibt, hängt vom jeweiligen Konkretisierungsgrad der
Zielaussage ab (Beschluss vom 20. August 1992 - BVerwG 4 NB 20.91 -
BVerwGE 90, 329 <334>). Der Plangeber kann es, je nach den planerischen
Bedürfnissen, damit bewenden lassen, bei der Formulierung des Planungsziels
Zurückhaltung zu üben und damit den planerischen Spielraum der nachfolgen-
den Planungsebene schonen. Von einer Zielfestlegung kann freilich keine Rede
mehr sein, wenn die Planaussage eine so geringe Dichte aufweist, dass sie die
abschließende Abwägung noch nicht vorwegnimmt (Urteil vom 18. September
2003 - BVerwG 4 CN 20.02 - BVerwGE 119, 54 <60>).
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Das Oberverwaltungsgericht hat nicht in Abrede gestellt, dass es für ein Ziel im
Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG genügt, wenn der Plangeber den nachgeord-
neten Planungen lediglich einen ausfüllungsbedürftigen Rahmen setzt, solange
der Rahmen selbst räumlich und sachlich bestimmt oder bestimmbar und vom
Träger der Raumplanung abschließend abgewogen und damit verbindlich ist.
Es hat die Zielqualität des § 24a Abs. 1 LEPro verneint, weil es einen solchen
verbindlichen Rahmen in dieser Vorschrift nicht hat erkennen können. Die
Ausweisung von Kerngebieten und Sondergebieten für Vorhaben im Sinne des
§ 11 Abs. 3 BauNVO im Rahmen der Bauleitplanung setze nach § 24a Abs. 1
Satz 1 LEPro zwingend voraus, dass die Gemeinde vorab nach Maßgabe des
§ 24a Abs. 2 Satz 1 LEPro ein gestuftes System zentraler Versorgungsbereiche
festlege. Ohne diese Festlegung könne die Kernaussage, großflächigen Ein-
zelhandel auf zentrale Versorgungsbereiche zu verweisen, ihren Verbindlich-
keitsanspruch weder in räumlicher noch in sachlicher Hinsicht entfalten. Hätten
die Gemeinden die Festlegung von zentralen Versorgungsbereichen unterlas-
sen, gehe § 24a Abs. 1 LEPro ins Leere. Mithin handele es sich bei § 24a
Abs. 1 Sätze 1 bis 3 LEPro i.V.m. § 24a Abs. 2 LEPro nur um eine Vorgabe an
die Kommunen für eine gestufte Planung. Daraus folge, dass der Landesge-
setzgeber auf der Ebene des Landesentwicklungsprogramms keine abschlie-
ßende Entscheidung treffen könne, die der kommunalen Bauleitplanung vorge-
lagert sei. Die abschließende Entscheidung über Lage, Größe und Funktion von
zentralen Versorgungsbereichen und damit auch die Frage, wo Kerngebiete
und Sondergebiete für großflächigen Einzelhandel festgesetzt werden dürfen,
solle auf der kommunalen Planungsebene getroffen werden. Die Gemeinde sei
insoweit nicht an vorgelagerte raumordnerische Zielfestlegungen, sondern
(lediglich) an ihre Zentrenkonzepte gebunden, die sie zudem jederzeit ändern
könne (UA S. 27).
Die Beschwerde widerspricht der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts,
dass § 24a Abs. 1 LEPro ins Leere gehe, wenn die Gemeinden die Festlegung
von zentralen Versorgungsbereichen unterlassen hätten. Das Beeinträchti-
gungsverbot des § 24a Abs. 1 Satz 3 LEPro schütze auch faktische Versor-
gungsbereiche. Das Oberverwaltungsgericht lese die Festlegungen in § 24a
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Abs. 1 und 2 LEPro so, als ob es sich um Festlegung handele, nämlich
dass die in Kern- und Sondergebieten zulässigen Vorhaben die Funktionsfähig-
keit der von den Gemeinden auszuweisenden zentralen Versorgungsbereiche
nicht beeinträchtigen dürften. Zerlege man die Festlegungen hingegen in zwei
Regelungsgegenstände, werde deutlich, dass jede Festlegung für sich ab-
schließend sei. Das gelte sowohl für die „Ist-Festlegung“, dass Gemeinden
zentrale Versorgungsbereiche ausweisen müssten, wenn sie außerhalb faktisch
vorhandener zentraler Versorgungsbereiche eine Einzelhandelsentwicklung
ermöglichen wollten, als auch für das raumordnerische Beeinträchtigungs-
verbot. Diese Kritik ist nicht geeignet, einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbe-
darf aufzuzeigen. Sie richtet sich nicht gegen die bundesrechtlichen Anforde-
rungen, die das Oberverwaltungsgericht an eine Zielfestlegung stellt, sondern
gegen seine Auslegung des § 24a LEPro. Die Auslegung und Anwendung des
§ 24a LEPro ist aber nach § 560 ZPO i.V.m. § 173 VwGO der revisionsgericht-
lichen Kontrolle entzogen; das LEPro gehört dem irrevisiblen Landesrecht an
(Beschluss vom 28. Dezember 2005 - BVerwG 4 BN 40.05 - juris Rn. 11).
Die Beschwerde meint weiter, das Oberverwaltungsgericht habe § 24a Abs. 1
und 2 LEPro die Zielqualität deshalb abgesprochen, weil die Landesplanung
den Gemeinden die Befugnis belassen habe, die innergemeindlichen zentralen
Versorgungsbereiche auszuweisen. Der Klärung bedürfe, ob auch planerische
Handlungsanforderungen Ziele der Raumordnung sein könnten, wenn sie bin-
dende Handlungsanweisungen für bestimmte Räume enthielten. Diese Frage
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsge-
richt hat die Zielqualität des § 24a Abs. 1 LEPro nicht verneint, weil § 24a
Abs. 1 LEPro den Gemeinden die Befugnis belässt, zentrale Versorgungsberei-
che auszuweisen. Es hat beanstandet, dass die Gemeinden hierbei nicht an
vorgelagerte raumordnerische Zielfestlegungen, sondern lediglich an ihre Zent-
renkonzepte gebunden seien, und ihre Zentrenkonzepte zudem jederzeit än-
dern könnten und dass § 24a LEPro für den Fall, dass die Gemeinde zentrale
Versorgungsbereiche nicht festgelegt hat, keine Regelung enthalte. Insoweit
stützt es seine Rechtsauffassung auf die Auslegung des § 24a LEPro, die - wie
dargelegt - einer revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist.
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b) Kann es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebie-
ten, den Gemeinden einen ausgestaltbaren Rahmen zu
belassen, wenn der Zweck, der durch die raumordnungs-
planerische Festlegung erreicht werden soll, durch eine
Rahmenvorgabe erreicht werden kann, welche den Ge-
meinden einen bestimmten oder bestimmbaren Konkreti-
sierungsspielraum belässt?
Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Selbst wenn
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebieten sollte, der Gemeinde einen
weiten Spielraum bei der planerischen Steuerung des Einzelhandels zu über-
lassen, könnte § 24a Abs. 1 LEPro nur dann als Ziel der Raumordnung qualifi-
ziert werden, wenn die Vorschrift eine vom Träger der Raumordnung abschlie-
ßend abgewogene, verbindliche Vorgabe für die Ausweisung von Kern- und
Sondergebieten für Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO enthielte. Das
ist nach der das Revisionsgericht bindenden Auslegung des § 24a LEPro im
angefochtenen Urteil nicht der Fall.
2.9 Zur Erteilung einer Genehmigung des Flächennutzungsplans mit Maßgaben
wirft die Beklagte zwei Fragen auf:
a) Darf das Gericht die Aufsichtsbehörde mit der Maßgabe
zur Erteilung der Genehmigung eines Flächennut-
zungsplans verpflichten, dass dessen inhaltliche Änderung
ohne erneute Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nur
durch Beitrittsbeschluss des Gemeinderats gebilligt wird?
Die Frage a) lässt sich auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtspre-
chung des Senats auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne
des Oberverwaltungsgerichts beantworten.
Hat die höhere Verwaltungsbehörde den Flächennutzungsplan nur mit der
Maßgabe genehmigt, dass einzelne Darstellungen des Flächennutzungsplans
inhaltlich geändert werden, darf die Gemeinde die Erteilung der Genehmigung
nur öffentlich bekannt machen und dadurch den Flächennutzungsplan wirksam
werden lassen, wenn sie sich den neuen Planinhalt durch einen erneuten Sat-
zungsbeschluss zu eigen gemacht hat (Urteil vom 5. Dezember 1986 - BVerwG
4 C 31.85 - BVerwGE 75, 262 <265>; Beschlüsse vom 14. August 1989
- BVerwG 4 NB 24.88 - BRS 49 Nr. 22 S. 47 und vom 25. Februar 1997
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- BVerwG 4 NB 30.96 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 116 S. 71 f.). Wird der
Entwurf des Bauleitplans nach der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung
(§ 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2 BauGB
)
geändert oder ergänzt, ist er erneut auszulegen
und sind die Stellungnahmen erneut einzuholen (§ 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Die Durchführung eines erneuten Beteiligungsverfahrens kann auch zur Vorbe-
reitung eines Beitrittsbeschlusses erforderlich sein (vgl. Krautzberger in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 6 Rn. 72; Schrödter, in: ders., BauGB,
7. Aufl. 2006, § 6 Rn. 20; Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 6 Rn. 127; Löhr, in:
Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 6 Rn. 19). Ein erneutes Be-
teiligungsverfahren ist jedoch nicht in jedem Fall erforderlich (Beschluss vom
25. Februar 1997 a.a.O.). In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt,
dass das Beteiligungsverfahren nicht um seiner selbst willen zu betreiben ist;
deshalb besteht kein Anlass zu einer erneuten Beteiligung, wenn eine nochma-
lige Gelegenheit zur Stellungnahme eine bloße Förmlichkeit wäre, die für den
mit dem Beteiligungsverfahren verfolgten Zweck nichts erbringen könnte (Urteil
vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 40). Ein sol-
cher Fall kann auch dann gegeben sein, wenn die Maßgabe auf die Streichung
einer unzulässigen textlichen Darstellung in dem Flächennutzungsplan gerichtet
ist, die Streichung die Grundzüge der Planung nicht berührt und sie auf die
verbleibenden Darstellungen keine Auswirkungen haben kann (zur zuletzt ge-
nannten Voraussetzung vgl. Urteil vom 29. Januar 2009 a.a.O. Rn. 41).
Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein solcher Fall hier
gegeben ist. Dass die Grundkonzeption der Planung durch die Streichung der
unzulässigen textlichen Darstellungen nicht in Frage gestellt wird, hat es aus-
drücklich festgestellt (UA S. 51). Anhaltspunkte dafür, dass die Streichung der
Nutzungsausschlüsse nebst Ausnahmen für die Mischbauflächen und der De-
tailregelungen für das FOC, die über die warengruppenbezogenen Verkaufsflä-
chenobergrenzen hinausgehen, auf die verbleibenden Darstellungen Auswir-
kungen haben könnten, bestanden aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts
nicht. Es hat die Darstellungen nicht wegen eines Abwägungsfehlers beanstan-
det, sondern weil sie nahezu wörtlich den Festsetzungen des im Parallelverfah-
rens aufgestellten Bebauungsplans entsprächen und deshalb über die Darstel-
lung der Art der Bodennutzung in den Grundzügen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB)
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hinausgingen (UA S. 49). Ausgehend hiervon hatte es keinen Anlass, ein er-
neutes Beteiligungsverfahren in Erwägung zu ziehen.
b) Kann im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
ein Anspruch auf Verpflichtung zur Erteilung einer Ge-
nehmigung vorliegen, wenn das Gericht zu der Überzeu-
gung gelangt ist, dass der Inhalt dieses Flächennutzungs-
plans auf Grund seiner Detailschärfe inhaltlich geändert
werden muss, damit dieser seine Steuerungsfunktion er-
füllen kann?
Auch diese Frage ist auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtspre-
chung ohne weiteres mit dem Oberverwaltungsgericht zu bejahen. Dass ein
Bauleitplan unter einer Maßgabe genehmigt werden darf, wenn die Maßgabe
lediglich sicherstellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Genehmi-
gungserteilung (§ 6 Abs. 2 BauGB) erfüllt werden, ist in der Rechtsprechung
geklärt (Urteile vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 28.83 - BRS 42 Nr. 26 S. 76,
vom 5. Dezember 1986 a.a.O. S. 264 und vom 18. Februar 1994 - BVerwG 4 C
4.92 - BVerwGE 95, 123 <127>). Ein gesetzlicher Versagungsgrund kann auch
darin liegen, dass bestimmte textliche Darstellungen über die Darstellung der
Art der Bodennutzung in den Grundzügen hinausgehen; das ergibt sich eben-
falls ohne weiteres aus der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom
18. August 2005 - BVerwG 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <137>). Die Strei-
chung einer solchen zu detaillierten Darstellung muss nicht - wie die Beschwer-
de meint - die Grundzüge der Planung berühren und damit über die Ausräu-
mung eines Genehmigungshindernisses hinausgehen. Bereits aus § 5 Abs. 1
Satz 2 BauGB ergibt sich, dass nicht jede Darstellung eines Flächennutzungs-
plans zu den Grundzügen der Planung gehört. Das Oberverwaltungsgericht ist
hier - wie bereits dargelegt (2.9. a) - davon ausgegangen, dass die Streichung
der Darstellungen die Grundkonzeption der Planung nicht in Frage stellt. Inwie-
weit diese Annahme Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung aufwerfen
sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf.
3. Die Divergenzrügen sind, soweit zulässig, jedenfalls unbegründet.
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3.1 Die Beklagte rügt zunächst eine Divergenz zu dem Urteil des Senats vom
29. September 1978 - BVerwG 4 C 30.76 - (BVerwGE 56, 283 <288 f.>) und
dem Beschluss vom 25. Februar 1997 - BVerwG 4 NB 40.96 - (NVwZ 1997,
893 <895>). Dort hat der Senat entschieden, dass, wenn zu prüfen ist, ob ein
Plan vom Abwägungsergebnis her den Anforderungen des Abwägungsgebots
entspricht, nicht nur der Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan, son-
dern auch der Zeitpunkt des Inkraftsetzens eine Rolle spielt. Mängel des Ab-
wägungsergebnisses sind Mängel unmittelbar des Norminhaltes. Ein (in beacht-
licher Weise) in seinem Abwägungsergebnis mangelhafter, d.h. wegen dieses
Ergebnisses inhaltlich nicht annehmbarer Plan kann so wenig in Kraft treten wie
ein Bebauungsplan mit unvollziehbarem oder unsinnigem Inhalt. Es ist deshalb
darauf abzustellen, ob das im Zeitpunkt der Beschlussfassung unbedenkliche
Abwägungsergebnis auch im Zeitpunkt der Inkraftsetzung noch haltbar ist.
Diesem Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffassung
der Beschwerde nicht widersprochen. Es hat zwar, ohne auf die genannte
Rechtsprechung einzugehen, dargelegt, dass es für die Beurteilung der Abwä-
gungsentscheidung auf den Zeitpunkt des Ratsbeschlusses ankomme (UA
S. 18). Umstände, die im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Haltbarkeit des
Abwägungsergebnisses und damit die Genehmigungsfähigkeit der Flächennut-
zungsplanänderung hätten in Frage stellen können, hat es jedoch nicht festge-
stellt; es hatte deshalb keinen Anlass, auf die dargelegte Rechtsprechung des
Senats hinzuweisen. Die Beschwerde enthält hierzu auch keine Darlegungen.
Im Übrigen stellt die Neufassung des § 24a Abs. 1 LEPro, die nach der Abwä-
gungsentscheidung der Klägerin vom 2. November 2006 in Kraft getreten ist,
nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts lediglich einen im
Wege der Abwägung überwindbaren Grundsatz der Raumordnung dar. Die Än-
derung des Flächennutzungsplans der Stadt Gronau war im Zeitpunkt seiner
Entscheidung noch nicht genehmigt. Vor der Genehmigung dieser Planung war
die von der Klägerin beschlossene Änderung des Flächennutzungsplans, selbst
wenn der Abwägungsvorgang insoweit zu beanstanden sein sollte, jedenfalls
nicht im Ergebnis unhaltbar.
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3.2 Eine Divergenz zur sogenannten Flachglas-Entscheidung des Senats vom
5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 - (BVerwGE 45, 309) ist nicht den Anforderun-
gen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Hierfür muss die
Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tra-
genden abstrakten Rechtssatz benennen, mit dem die Vorinstanz einem in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in An-
wendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat; das Aufzeigen einer
fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bun-
desverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder
den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz - noch denen einer Grundsatz-
rüge (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328;
stRspr).
Die Beschwerde bezeichnet keinen abstrakten Rechtssatz, mit dem das Ober-
verwaltungsgericht von dem genannten Urteil des Senats abgewichen sein
könnte. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Das Oberverwaltungsgericht hatte
auf der Grundlage seiner Auslegung des Vertrages keinen Anlass, einen abs-
trakten Rechtssatz zur Vereinbarkeit von Vorabbindungen mit dem Abwä-
gungsgebot aufzustellen (vgl. oben 2.6. a).
3.3 Auch soweit die Beschwerde eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts zu den Grundsätzen der Vertragsauslegung rügt, lässt
sie es an der erforderlichen Bezeichnung eines abstrakten Rechtssatzes des
Oberverwaltungsgerichts zu diesen Auslegungsgrundsätzen fehlen. Einen sol-
chen hat das Oberverwaltungsgericht - wie bereits dargelegt (2.6. b) - auch
nicht aufgestellt.
3.4 Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum
naturschutzrechtlichen Ausgleich in der Bauleitplanung liegt aus den bereits
dargelegten Gründen (2.6. d) nicht vor.
3.5 In Bezug auf das Urteil des Senats vom 18. August 2005 - BVerwG 4 C
13.04 - (BVerwGE 124, 132) zu der Frage, welche Darstellungen in einem Flä-
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chennutzungsplan noch zu den Grundzügen der Art der Bodennutzung gehö-
ren, macht die Beschwerde lediglich geltend, dass das Oberverwaltungsgericht
die dort entwickelten Maßstäbe im vorliegenden Fall unrichtig angewendet ha-
be; eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergibt sich daraus
nicht. Welchem im Beschluss vom 12. Februar 2003 - BVerwG 4 BN 9.03 -
(BauR 2003, 838) enthaltenen Rechtssatz das Oberverwaltungsgericht wider-
sprochen haben sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Jannasch
Dr. Philipp
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Städtebaurecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
VwGO
§ 65 Abs. 1 und 2
BauGB
§ 1 Abs. 3, Abs. 7, § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2,
§ 4a Abs. 3 Satz 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 2, § 8 Abs. 3,
§ 204 Abs. 1 Satz 4, § 214 Abs. 2 Nr. 3 und 4,
Abs. 3 Satz 1
ROG
§ 3 Abs. 1 Nr. 2
NRW LEPro
§ 24a Abs. 1
Stichworte:
Factory-Outlet-Center; Hersteller-Direktverkaufszentrum; Genehmigung; Flä-
chennutzungsplan; Parallelverfahren; maßgebender Zeitpunkt; interkommuna-
les Abstimmungsgebot; Nachbargemeinde; zeitliche und sachliche Priorität;
städtebaulicher Vertrag; Vorabbindung; Kaufkraftabzug; zentraler Versor-
gungsbereich; Ziel der Raumordnung; Fehlersuche; Maßgabe; Beitrittsbe-
schluss; Beteiligungsverfahren; Abwägungsergebnis.
Leitsatz:
Gewichtige Auswirkungen auf Planungen einer Nachbargemeinde dürfen nicht
allein deshalb im Rahmen der Abwägung zurückgestellt werden, weil die Nach-
bargemeinde die Abwägungsentscheidung über ihren Plan noch nicht getroffen
hat. Die Konkretisierung dieser Planung und ihre Realisierungschancen können
aber für das Gewicht der nachbargemeindlichen Belange von Bedeutung sein.
Zur Revisibilität der Frage, ob § 24a Abs. 1 LEPro NRW ein Ziel der Raumord-
nung enthält.
Die Durchführung eines erneuten Beteiligungsverfahrens kann auch zur Vorbe-
reitung eines Beitrittsbeschlusses erforderlich sein. Anlass zu einer erneuten
Beteiligung besteht jedoch nicht, wenn eine nochmalige Gelegenheit zur Stel-
lungnahme eine bloße Förmelei wäre.
Beschluss des 4. Senats vom 14. April 2010 - BVerwG 4 B 78.09
I. VG Münster vom 26.05.2008 - Az.: VG 2 K 378/07
II. OVG Münster vom 30.09.2009 - Az.: OVG 10 A 1676/08