Urteil des BVerwG vom 14.04.2011

Ausweisung, Beweisantrag, Wechsel, Europäische Kommission

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 77.09
VGH 11 C 318/08.T
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. April 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 21. August 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte
Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) zeigt die Beschwerde nicht auf.
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a) Die Beschwerde möchte in einem Revisionsverfahren klären lassen,
ob § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 6 Satz 2 sowie § 4 Abs. 1
Satz 1 ROG die Auslegung einer landesrechtlichen Vor-
schrift dahingehend gestatten, dass zielförmige Festle-
gungen eines in Kraft getretenen und nicht förmlich auf-
gehobenen Regionalplans dann nicht mehr der Beach-
tenspflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG unterliegen, wenn
nachfolgend zielförmige Festlegungen eines Landesent-
wicklungsplans in Kraft getreten sind, die die Notwendig-
keit einer Anpassung des Regionalplans auslösen (Frage
B.I.1), und ferner
ob die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbe-
schlusses nach § 9 Abs. 1 Satz 1 LuftVG auch dann die
Auslegung dahingehend gestattet, dieser enthalte eine
implizite Zielabweichungsentscheidung von zielförmigen
Festlegungen eines Raumordnungsplans, wenn der Plan-
feststellungsbeschluss in seiner Begründung ausdrücklich
davon ausgeht, dass eine solche Zielabweichung nicht er-
forderlich sei (Frage B.I.2).
Mit diesen Fragen macht die Beschwerde geltend, der Verwaltungsgerichtshof
(UA S. 317 juris Rn. 803 ff.) habe der Auffassung des Klägers, dass der Plan-
feststellungsbeschluss gegen die im Regionalplan Südhessen 2000
(RPS 2000) festgelegten Ziele Ziffer 10.2-14 (Waldbereich, Bestand), Zif-
fer 3.1-2 (Regionaler Grünzug) sowie Ziffer 4.1-5 und 4.1-7 (Grundwassersiche-
rung) und damit gegen die raumordnungsrechtliche Beachtenspflicht aus § 4
Abs. 1 Satz 1 ROG verstoße, zu Unrecht eine Absage erteilt (Beschwerdebe-
gründung S. 3 f.).
Offenbleiben kann, ob der Kläger als anerkannter Naturschutzverein die Ver-
einbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses mit den Zielfestlegungen eines
Regionalplans trotz seiner auf naturschutzrelevante Regelungen beschränkten
Rügebefugnis (§ 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG vom 25. März 2002, BGBl I S. 1193
- im Folgenden: BNatSchG a.F.; entspricht im Wesentlichen § 64 Abs. 1 Nr. 1
BNatSchG i.d.F. vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542 - im Folgenden: BNatSchG
n.F.) rügen kann. Der Grundsatzrüge bleibt jedenfalls deshalb der Erfolg ver-
sagt, weil entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeu-
tung nicht dargetan sind.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat sich - ebenso wie zuvor schon die Planfeststel-
lungsbehörde im Planfeststellungsbeschluss - auf den Standpunkt gestellt,
dass durch den Landesentwicklungsplan 2000 (LEP 2000) i.d.F. der LEP-Ände-
rung 2007 die neue wirksame Zielbestimmung „Vorrangflächen Flughafenerwei-
terung“ hinzugetreten sei, die die Notwendigkeit der Anpassung des RPS 2000
auslöse und die dem neuen Ziel entgegenstehenden Zielfestlegungen im
RPS 2000 bis zu einer Anpassung zurückdränge. Die Auflösung dieser Nor-
menkollision erfolge mit Hilfe des Gedankens der Planhierarchie, nach der sich
der höherstufige LEP 2000 durchsetze. Außerdem führe auch die Kollisionsre-
gel, wonach eine neuere Norm - hier der LEP 2000 i.d.F. der LEP-Änderung
2007 - die ältere - hier den RPS 2000 - verdränge, zum Vorrang des LEP (UA
S. 317 f. juris Rn. 805 f.). „Unabhängig von alledem“ führten die beanstandeten
Abweichungen von den Festsetzungen im RPS 2000 auch deshalb nicht zur
Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses, weil die Planfeststellungs-
behörde - wenn auch nicht ausdrücklich - insoweit eine wirksame landesplane-
rische Abweichungsentscheidung nach § 12 Abs. 3 HLPG getroffen habe. „Im
Einzelnen“ verweist der Verwaltungsgerichtshof hierzu auf sein Urteil vom
28. Juni 2005 - 12 A 8/05 - (NVwZ 2006, 230; nachfolgend BVerwG, Beschluss
vom 31. Januar 2006 - BVerwG 4 B 49.05 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR
Nr. 21). Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Entscheidung damit auf zwei
selbständig tragende Begründungselemente gestützt.
aa) Die Frage B.I.2, die auf das zweite Begründungselement des Verwaltungs-
gerichtshofs zielt, kann nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet
werden.
Mit dieser Frage will die Beschwerde geklärt wissen, ob auch dann, wenn die
Planfeststellungsbehörde ausdrücklich zugrunde legt, dass eine Zielabwei-
chungsentscheidung nicht erforderlich sei, und aus diesem Grund auch die ma-
teriellrechtlichen Voraussetzungen einer Zielabweichung nicht prüft, davon aus-
zugehen ist, dass eine solche Entscheidung aufgrund der Konzentrationswir-
kung des Planfeststellungsbeschlusses von diesem mit umfasst sein kann (Be-
schwerdebegründung S. 10). Ob die Planfeststellungsbehörde implizit eine
Zielabweichung zugelassen hat, ist eine Frage der Auslegung des jeweiligen
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Planfeststellungsbeschlusses. Der Auslegung des Inhalts eines konkreten Ver-
waltungsakts kommt eine fallübergreifende, grundsätzliche Bedeutung in der
Regel nicht zu (Beschluss vom 2. August 2000 - BVerwG 9 B 210.00 - Buch-
holz 310 § 98 VwGO Nr. 61). Allein aus dem Vortrag, die Planfeststellungsbe-
hörde habe eine Zielabweichung nicht für erforderlich gehalten, ergibt sich nicht
zwingend, dass das Ergebnis der Auslegung aus Rechtsgründen in einer be-
stimmten Richtung vorgezeichnet gewesen wäre. Auch insoweit kommt es auf
die Umstände des Einzelfalls an.
Einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde auch nicht
mit der Behauptung auf, eine rechtliche Würdigung der Frage, ob Ziele des
RPS 2000 dem Planfeststellungsbeschluss entgegenstehen und ob eine wirk-
same Abweichungsentscheidung vom Planfeststellungsbeschluss konzentriert
werde, sei dem angegriffenen Urteil nicht zu entnehmen und werde auch nicht
durch den Verweis auf das Urteil vom 28. Juni 2005 ersetzt, weil der dort zu
beurteilende Sachverhalt nicht mit dem hier zu würdigenden Sachverhalt ver-
gleichbar sei (Beschwerdebegründung S. 13). Mit dieser Behauptung wird allein
eine unrichtige Rechtsanwendung geltend gemacht.
Zur Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 9
LuftVG selbst wirft die Beschwerde keine rechtsgrundsätzlich klärungsbedürfti-
gen Fragen auf.
bb) Die hinsichtlich des ersten Begründungselements des Verwaltungsgerichts-
hofs erhobene Grundsatzrüge (Frage B.I.1) rechtfertigt ebenfalls nicht die Zu-
lassung der Revision. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich.
Ist eine Entscheidung - wie hier - auf zwei selbständig tragende Begründungen
gestützt, kann die Nichtzulassungsbeschwerde nur Erfolg haben, wenn für jede
dieser Begründungen ein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargelegt und ge-
geben ist (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz
310 § 133 Nr. 26 = NJW 1997, 3328; stRspr). Daran fehlt es hier, weil
hinsichtlich des zweiten Begründungselements - wie dargelegt - ein Zulas-
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sungsgrund nicht gegeben ist. Das erste Begründungselement kann deshalb
hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.
b) Zum Gebietsschutz hält die Beschwerde die Frage für klärungsbedürftig,
ob es in einer Situation, in der sich die Möglichkeit einer
vorhabenbedingt erheblichen Beeinträchtigung der Erhal-
tungsziele eines FFH- oder Vogelschutz-Gebiets durch ei-
nen bestimmten Wirkungszusammenhang nach dem
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht ausschlie-
ßen lässt, mit Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL bzw. § 34
Abs. 2 BNatSchG bzw. den hierzu ergangenen landes-
rechtlichen Vorschriften vereinbar ist, auf eine „Worst-
Case-Betrachtung“ zu verzichten, wenn die vorliegenden
standortspezifischen Erkenntnisse ihrerseits nur eine
plausible, aber keine über wissenschaftlich vernünftige
Zweifel erhabene Prognose über das Ausbleiben erhebli-
cher Beeinträchtigungen erlauben (Frage B.II.1).
Die Beschwerde meint, nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs dürfe
immer dann, wenn gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen, mit Ana-
logieschlüssen gearbeitet werden, die ihrerseits nicht über jeden vernünftigen
und wissenschaftlich begründeten Zweifel erhaben, sondern lediglich plausibel
begründet und vertretbar sein müssten (Beschwerdebegründung S. 22 f.). Oh-
ne Rückgriff auf diese rechtlichen Maßstäbe, die der Verwaltungsgerichtshof
herangezogen habe, wäre - so die Beschwerde weiter - der Beweis des Aus-
bleibens erheblicher Beeinträchtigungen der Avifauna durch Lärmimmissionen
und von Lebensraumtypen durch Schadstoffeinträge (insbesondere Stickstoff-
oxyde) nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs
nicht zu führen gewesen. Diese Maßstäbe seien aber mit den unionsrechtlichen
Vorgaben der FFH-Richtlinie unvereinbar. Im Kern geht es der Beschwerde
damit um die Frage, ob die Behörde im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung
mangels gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse die Möglichkeit einer er-
heblichen Beeinträchtigung auf der Grundlage von Analogieschlüssen vernei-
nen darf, auch wenn diese ihrerseits nicht über jeden vernünftigen und wissen-
schaftlich begründeten Zweifel erhaben, sondern lediglich plausibel begründet
und vertretbar sind. Die Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht ent-
scheidungserheblich.
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aa) Soweit es um Beeinträchtigungen der Avifauna durch Lärmimmissionen
geht, beruht die Frage auf Annahmen, von denen der Verwaltungsgerichtshof
nicht ausgegangen ist.
Dass die vorliegenden standortspezifischen Erkenntnisse nur eine plausible,
aber keine über wissenschaftlich vernünftige Zweifel erhabene Prognose über
das Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen durch Lärmimmissionen erlau-
ben, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Er hat im Gegenteil aus-
geführt, die von der Beigeladenen angewandte Methode zur Bewertung der
Wirkungen der vorhabenbedingten Lärmzunahme auf die Avifauna in den Natu-
ra-2000-Gebieten im Umfeld des Frankfurter Flughafens sei aus naturschutz-
fachlicher Sicht hinreichend geeignet, eine erhebliche Beeinträchtigung der
vorgenannten Schutzgebiete mit der zu fordernden Gewissheit auszuschließen;
auch der von der Planfeststellungsbehörde gezogene Analogieschluss von der
derzeitigen Lärmsituation im Umfeld des bestehenden Flughafens auf die zu-
künftige Situation sei berechtigt und führe zur hinreichenden Gewissheit, dass
im Planungsfall keine erheblichen Lärmbeeinträchtigungen der maßgeblichen
Avifauna stattfinden würden (UA S. 53 f. juris Rn. 136). Hiergegen gerichtete
Einwände des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof im Einzelnen erörtert
und zurückgewiesen (UA S. 63 juris Rn. 157).
Nichts anderes ergibt sich, soweit die Beschwerde auf Rn. 149 des erstinstanz-
lichen Urteils (UA S. 58 f.; Rn. zitiert nach juris) verweist. Dort hat der Verwal-
tungsgerichtshof zwar ausgeführt, es sei „schlüssig und plausibel“, dass die
Planfeststellungsbehörde dem Vorschlag des Kieler Instituts für Landschafts-
ökologie nicht gefolgt sei. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof aber nicht zum
Ausdruck gebracht, dass insoweit wissenschaftlich vernünftige Zweifel hinsicht-
lich des Ausbleibens erheblicher Beeinträchtigungen durch Lärmimmissionen
verbleiben. Er hat derartige Zweifel vielmehr verneint, weil es schlüssig und
plausibel sei, den Schwellenwert für die Dauer der Störgeräusche nicht für alle
hier maßgeblichen Brutvogelarten auf zwölf Minuten je Stunde festzulegen,
sondern ihn artspezifisch nach der Länge der Gesangsstrophe der jeweils be-
troffenen Vogelart zu bestimmen. Welche vernünftigen Zweifel an diesem An-
satz bestehen sollten, zeigt auch die Beschwerde nicht auf.
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bb) Soweit erhebliche Beeinträchtigungen von Lebensraumtypen durch vorha-
benbedingte Stickstoffeinträge in Frage stehen, rechtfertigt die aufgeworfene
Frage ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Die Rechtssätze der Vorin-
stanz, die die Beschwerde insoweit beanstandet, waren für die angegriffene
Entscheidung nicht tragend.
In rechtlicher Hinsicht hat der Verwaltungsgerichtshof die folgenden Maßstäbe
formuliert: Die Situation, in der Analogieschlüsse für zulässig erachtet werden,
sei dadurch gekennzeichnet, dass sich die ökologische Wissenschaft nicht als
eindeutiger Erkenntnisgeber erweise. Dieser durch „wissenschaftliche Unsi-
cherheit“ geprägte Zustand schlage zwangsläufig auf die wissenschaftliche Ab-
sicherung des Analogieschlusses durch. Solle der Analogieschluss als Möglich-
keit, unter Einhaltung wissenschaftlicher Standards bestehende Wissenslücken
zu überbrücken, nicht ad absurdum geführt werden, sei es notwendig, die
Überprüfung der Berechtigung des Analogieschlusses auf die Vertretbarkeit zu
beschränken. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - (BVerwGE 131, 274 Rn. 65 f.) hat
der Verwaltungsgerichtshof sodann weiter ausgeführt, „von daher“ erweise sich
eine naturschutzfachliche Meinung - wie die der Gutachter des Klägers - nicht
bereits deshalb als vorzugswürdig, weil sie umfangreichere oder aufwendigere
Ermittlungen oder strengere Anforderungen für richtig hält. Dies sei erst dann
der Fall, wenn sich die „strengere Auffassung“ als allgemein anerkannter Stand
der Wissenschaft durchgesetzt habe und die gegenteilige Meinung als nicht
(mehr) vertretbar angesehen werde (UA S. 102 f. juris Rn. 245).
Ob diese Maßstäbe mit Bundesrecht vereinbar sind, kann dahingestellt bleiben,
denn sie waren für die vorinstanzliche Entscheidung nicht tragend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, die Planfeststellungsbehörde habe
sich die hinreichende Gewissheit davon verschafft, dass den betroffenen Natu-
ra-2000-Gebieten keine erhebliche Beeinträchtigung durch Schadstoffeinträge
drohten (UA S. 75 juris Rn. 186); es bestünden keine Zweifel an der Richtigkeit
der Prognose der Planfeststellungsbehörde (UA S. 77 juris Rn. 190). Die hier-
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gegen erhobenen Einwände des Klägers seien nicht begründet. Die Planfest-
stellungsbehörde sei nicht gehalten gewesen, ihre Risikobetrachtung nach dem
Konzept der Critical Loads vorzunehmen (UA S. 78 ff. juris Rn. 192 ff.). Da es
für die Bewertung von Stickstoffeinträgen keine allgemein anerkannten Er-
kenntnisse gebe, die eine verlässliche Risikoprognose im Hinblick auf die Wir-
kung vorhabenbedingter Schadstoffeinträge zuließen, sei es rechtlich nicht zu
beanstanden, wenn die Planfeststellungsbehörde zum Zwecke der Risikoab-
schätzung aus der Belastung und dem Zustand von Lebensraumtypen im Um-
feld des Flughafens in der Ist-Situation 2005 schlussfolgert, wie sich die vorha-
benbedingt zunehmende Stickoxydbelastung auf den Erhaltungszustand der
umliegenden FFH-Gebiete auswirken werde (UA S. 80 f. juris Rn. 197). Der
Abschätzung liege die Annahme zugrunde, dass eine bestimmte gegenwärtige
Belastung mit Stickoxyden, die einen günstigen Erhaltungszustand von Lebens-
raumtypen nicht verhindert, eine Irrelevanzschwelle markiere; wenn diese auch
nach Verwirklichung des zugelassenen Vorhabens nicht überschritten wird,
könne eine vorhabenbedingte Beeinträchtigung der Lebensraumtypen mit der
zu fordernden hinreichenden Gewissheit ausgeschlossen werden (UA S. 81 f.
juris Rn. 200). Das von der Planfeststellungsbehörde gewählte Modell rechtfer-
tige die Prognose, dass eine Beeinträchtigung der Lebensraumtypen ausge-
schlossen werden könne (UA S. 96 f. juris Rn. 234).
Auch die methodischen Einwände des Klägers griffen nicht durch. Die theoreti-
schen Ausführungen der Gutachterin des Beklagten zeigten, dass der Analo-
gieschluss wissenschaftlich plausibel und vertretbar sei; die Plausibilität werde
durch die Stellungnahmen der Gutachter des Klägers nicht in Frage gestellt.
Diese führten selbst im Hinblick auf die Kernthese der Gutachterin des Beklag-
ten aus, es sei möglich, dass Stickstoffeinträge den durchwurzelten Bodenraum
ohne schädliche Wechselwirkungen passieren und keine Schädigungen der
Vegetation hervorrufen; sie seien allerdings der Auffassung, dass zur Verifizie-
rung dieser These weitere Untersuchungen angestellt werden müssten. Die
Notwendigkeit einer tiefer gehenden Prüfung des konkreten Einzelfalls sei in-
des nicht zu erkennen (UA S. 100 f. juris Rn. 240 f.).
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Auch den Einwand des Klägers, eine fachlich angemessene Prognose könne
nicht durch einen Vergleich der in der Luft vorhandenen Stickstoffanteile vorge-
nommen werden, sondern verlange eine Bestimmung der konkreten Bodenein-
träge, weist der Verwaltungsgerichtshof zurück (UA S. 101 f. juris Rn. 242).
Die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, die Planfeststellungsbehörde
habe sich die hinreichende Gewissheit davon verschafft, dass den betroffenen
Natura-2000-Gebieten keine erhebliche Beeinträchtigung durch Schadstoffein-
träge drohten (UA S. 75 juris Rn. 186), wird von dieser detaillierten Prüfung ge-
tragen. Der Verwaltungsgerichtshof kommt bereits auf dieser Grundlage zu
dem Ergebnis, dass der Analogieschluss des Beklagten keinen vernünftigen,
wissenschaftlich begründeten Zweifeln ausgesetzt sei, eben weil die seitens
des Klägers vorgetragenen Zweifel aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofs
wissenschaftlich nicht durchgriffen und auch sonstige Umstände zu Zweifeln
keinen Anlass gäben.
Erst im Anschluss hieran und „ungeachtet dessen“ (UA S. 102 f. juris Rn. 245)
sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu dem Hinweis veranlasst, dass eine
naturschutzfachliche Meinung - wie die der Gutachter des Klägers - sich nicht
bereits deshalb als vorzugswürdig erweise, weil sie umfangreichere oder auf-
wendigere Ermittlungen oder strengere Anforderungen für richtig halte, sondern
erst dann, wenn sich die „strengere Auffassung“ als allgemein anerkannter
Stand der Wissenschaft durchgesetzt habe und die gegenteilige Meinung als
nicht (mehr) vertretbar angesehen werde. Der Verwaltungsgerichtshof bezieht
diese Maßstäbe „insbesondere“ auf die von den Gutachtern des Klägers vertre-
tene Auffassung, wonach bei Berücksichtigung der besten wissenschaftlichen
Erkenntnisse eine erhebliche Beeinträchtigung der FFH-Gebiete nicht habe
verneint werden dürfen. Diese ergänzenden Erwägungen haben die Funktion
eines weiteren, selbständig tragenden Begründungselements, mit dem das be-
reits zuvor gewonnene Ergebnis zusätzlich untermauert werden sollte.
Die Prämisse, die die Beschwerde ihrer Frage unterlegt, dass nämlich der Ver-
waltungsgerichtshof eine lediglich plausible, aber nicht über wissenschaftlich
vernünftige Zweifel erhabene Prognose habe ausreichen lassen und seine Ent-
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scheidung hierauf auch gestützt habe, trifft also auch hinsichtlich der Beein-
trächtigung von Lebensraumtypen durch vorhabenbedingte Schadstoffeinträge
nicht zu. Die Behauptungen der Beschwerde, dass der Verwaltungsgerichtshof
erst am Ende seiner umfangreichen Ausführungen klarstelle, anhand welchen
Maßstabs er die Prognosemodelle und Analogieschlüsse der Planfeststel-
lungsbehörde überprüft habe, und dass sich nur auf diesen - nach Ansicht der
Beschwerde verfehlten - Maßstab die wiederholten Feststellungen des Verwal-
tungsgerichtshofs beziehen ließen, die Planfeststellungsbehörde habe sich die
„hinreichende Gewissheit“ vom Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen ver-
schafft (Beschwerdebegründung S. 19), findet in der angegriffenen Entschei-
dung keine Stütze. Sie wird sowohl durch die Wortwahl („ungeachtet dessen“)
als auch durch Prüfungsabfolge und -inhalt widerlegt.
c) Rechtsgrundsätzlich klären lassen möchte die Beschwerde ferner die Frage,
ob Art. 6 Abs. 4 FFH-RL verlangt, dass zum Zeitpunkt der
Genehmigung erheblicher Beeinträchtigungen im Sinne
von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL die hierzu behördlicherseits an-
geordneten Kohärenzmaßnahmen auf FFH-Flächen wirk-
sam werden, die zuvor in die Liste gemäß Art. 4 Abs. 2
FFH-RL aufgenommen worden sind und mithin gemäß
Art. 4 Abs. 5 FFH-RL dem Schutzregime des Art. 6 Abs. 2
bis 4 FFH-RL unterfallen (Frage B.II.2.1),
bzw. ob es zur Gewährleistung der Anforderungen aus
Art. 6 Abs. 4 FFH-RL jedenfalls erforderlich ist, dass in
diesem Zeitpunkt die für Kohärenzmaßnahmen benötigten
Flächen der Kommission bereits nach Art. 4 Abs. 1 FFH-
RL nachgemeldet worden sind (Frage B.II.2.2).
Diese Fragen lassen sich auf der Grundlage der bereits vorhandenen Recht-
sprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten;
es besteht kein Zweifel, dass sie zu verneinen sind.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die
Maßnahmen zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“
nicht stets bereits zum Zeitpunkt der Genehmigung erheblicher Beeinträchti-
gungen eines FFH-Gebiets wirksam sein müssen. Die Ausgestaltung der Kohä-
renzsicherungsmaßnahmen hat sich funktionsbezogen an der jeweiligen erheb-
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lichen Beeinträchtigung auszurichten, derentwegen sie ergriffen werden; das
gilt nicht nur für Art und Umfang der Maßnahmen, sondern auch für den räumli-
chen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Gebietsbeeinträchtigung und
Kohärenzsicherung. In zeitlicher Hinsicht muss mindestens sichergestellt sein,
dass das Gebiet unter dem Aspekt des beeinträchtigten Erhaltungsziels nicht
irreversibel geschädigt wird; ist das gewährleistet, lässt sich die Beeinträchti-
gung aber - wie im Regelfall - nicht zeitnah ausgleichen, so kann es im Einzel-
fall hinnehmbar sein, wenn die Kohärenzsicherungsmaßnahmen rechtzeitig bis
zur Vollendung des Vorhabens ergriffen werden, die Funktionseinbußen hinge-
gen erst auf längere Sicht wettgemacht werden (Urteil vom 12. März 2008
- BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 199 f.). Je nach Art der Beein-
trächtigung und der zum Ausgleich vorgesehenen Maßnahmen kann es funkti-
onsbezogen aber auch geboten sein, dass die erforderlichen Maßnahmen be-
reits vor dem Beginn der Vollzugsmaßnahmen eingeleitet oder wirksam wer-
den. Das gilt auch, wenn die Kohärenz des Netzes „Natura 2000“ - wie hier -
durch Integration neuer Flächen in das Schutzgebietsnetz gesichert werden
soll. Auch insoweit kann es hingenommen werden, dass die in das Schutzge-
bietsnetz zu integrierenden Flächen im Zeitpunkt der Genehmigung erheblicher
Beeinträchtigungen im Sinne des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL noch nicht in die Liste
gemäß Art. 4 Abs. 2 FFH-RL aufgenommen und der Kommission auch noch
nicht nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL nachgemeldet worden sind. Das gilt jedenfalls
dann, wenn die Planfeststellungsbehörde sichergestellt hat, dass im Ergebnis
alle Maßnahmen ergriffen werden, die notwendig sind, um die globale Kohä-
renz von Natura 2000 zu schützen (vgl. Beschluss vom 31. Januar 2006
- BVerwG 4 B 49.05 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 21 Rn. 21).
Der Verwaltungsgerichtshof hatte keinen Anlass, in Zweifel zu ziehen, dass
diese Voraussetzung hier erfüllt ist. Er konnte mit der Planfeststellungsbehörde
realistischerweise davon ausgehen, dass die Kommission die bezeichneten
Gebiete bis zur Vollendung des Vorhabens gemäß Art. 4 Abs. 2 FFH-RL in die
Liste aufnehmen wird bzw. dass die Gebiete jedenfalls nachgemeldet sein wer-
den. Gründe, aus denen eine Nachmeldung der Flächen sowie eine entspre-
chende Änderung der Kommissionsliste scheitern könnten, sind nicht ersicht-
lich; sie lassen sich weder den Feststellungen der Vorinstanz noch dem Vor-
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bringen der Beschwerde entnehmen. Die Planfeststellungsbehörde hat außer-
dem Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass die Integration der Gebiete in
das Schutzgebietsnetz - aus welchem Grund auch immer - scheitert. Für den
Fall, dass die Europäische Kommission die bezeichneten Gebiete nicht oder
nicht vollständig in die Liste nach Art. 4 Abs. 2 UAbs. 3 FFH-RL aufnehmen
sollte, hat sich die Planfeststellungsbehörde vorbehalten, der Vorhabenträgerin
ergänzende Kohärenzsicherungsmaßnahmen aufzuerlegen.
d) Klären lassen möchte die Beschwerde weiter die Fragen,
ob Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III (Phase 1) sowie i.V.m.
Art. 3 der FFH-RL verlangt, dass alle in einem seitens ei-
nes Mitgliedstaates gemeldeten FFH-Gebiet tatsächlich
vorkommenden prioritären Lebensraumtypen nach An-
hang I der FFH-RL im Rahmen der Gebietsmeldung im
sog. „Standarddatenbogen“ erfasst sein müssen
(B.II.3.1.1),
ob nach Feststellung der Existenz eines prioritären Le-
bensraumtyps nach Anhang I der FFH-RL in einer Grund-
datenerfassung in einem zu meldenden oder bereits ge-
meldeten FFH-Gebiet die Pflicht für den Mitgliedstaat be-
steht, nach dem Kriterium des Anhangs III, Phase 1, A. d)
diesen Lebensraumtyp einzubeziehen (B.II.3.1.2),
ob sich die FFH-Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3
Satz 1 der FFH-RL auch auf solche (prioritären) Lebens-
raumtypen nach Anhang I zu erstrecken hat, die im Zuge
der Meldung des Gebiets nicht im „Standarddatenbogen“
aufgeführt waren bzw. welche der Mitgliedstaat bei der
Bestimmung der für dieses Gebiet geltenden Schutzge-
genstände und -ziele nicht mit aufgenommen hat, wenn
solche (prioritären) Lebensraumtypen nach Anhang I in-
nerhalb des gemeldeten bzw. ausgewiesenen FFH-
Gebiets tatsächlich vorkommen (B.II.3.2), und schließlich
ob die Vorschrift des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL (Ein-
holung einer Stellungnahme der Kommission) bereits
dann anwendbar ist, wenn ein im Sinne von Art. 6 Abs. 3
FFH-RL durch ein Projekt betroffenes FFH-Gebiet einen
prioritären Lebensraumtyp nach Anhang I einschließt,
welcher nicht zu den Schutz- und Erhaltungszielen des
Gebiets erklärt wurde und durch das betreffende Projekt
erheblich beeinträchtigt wird (B.II.3.3).
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Der Verwaltungsgerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass das strenge
Schutzregime des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL für prioritäre Lebensraumty-
pen an die Verträglichkeitsprüfung gemäß Art. 6 Abs. 3 FFH-RL anknüpfe und
deshalb nur für solche prioritären Lebensraumtypen gelten könne, für die eine
Verträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Dies setze voraus, dass die Erhal-
tung oder Wiederherstellung des betreffenden priöritären Lebensraumtyps zum
Ziel der Gebietsausweisung bestimmt worden seien (UA S. 36 f. juris Rn. 98 f.).
Hinsichtlich des eventuell im FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald vorkommenden
Lebensraumtyps LRT*6230 („Artenreiche montane Borstgrasrasen
montan auf dem europäischen Festland> auf Silikatböden“) sei ein Schutzziel
nicht bestimmt und deshalb auch eine Verträglichkeitsprüfung nicht durchge-
führt worden. Infolgedessen würden sich auch die auf die Existenz des prioritä-
ren Lebensraumtyps LRT*6230 gerichteten, in der mündlichen Verhandlung
gestellten Beweisanträge des Klägers als unerheblich erweisen (UA S. 37 f.
juris Rn. 100). Die Fläche, die der vom Kläger behauptete prioritäre Lebens-
raumtyp LRT*6230 im FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald einnehme, stelle auch
kein potentielles FFH-Gebiet dar mit der Folge, dass die Zulässigkeit des Vor-
habens, das diesen Lebensraumtyp berühre, an den Anforderungen des Art. 6
Abs. 3 und 4 FFH-RL zu messen wäre (UA S. 38 juris Rn. 102). Der Beklagte
sei nicht verpflichtet gewesen, den Lebensraumtyp LRT*6230, wenn er denn
vorläge, zu melden.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde. In erster Linie geht es ihr um Klärung
der Fragen B.II.3.2 und 3, die darauf zielen, ob das strenge Schutzregime des
Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL unabhängig von der Formulierung eines entspre-
chenden Erhaltungsziels immer dann greift, wenn prioritäre Lebensraumtypen
in einem FFH-Gebiet tatsächlich vorhanden sind und vorhabenbedingt beein-
trächtigt werden. Nur wenn diese Frage zu verneinen wäre, stellen sich die
Fragen B.II.3.1.1 und 2.
aa) Die Fragen B.II.3.2 und 3 rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
Sie sind, soweit entscheidungserheblich, nicht klärungsbedürftig.
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- 15 -
Ob die Fragen - wie der Beklagte und der Beigeladene meinen - bereits des-
halb nicht entscheidungserheblich sind, weil sich der Verwaltungsgerichtshof
„schließlich“ davon überzeugt gezeigt hat, „dass das FFH-Gebiet Kelsterbacher
Wald auch tatsächlich keinen Lebensraumtyp *6230 einschließt“ (UA S. 43 juris
Rn. 110), kann dahingestellt bleiben. Gerade auf das Vorliegen dieses Lebens-
raumtyps zielten die Beweisanträge des Klägers vom 5. und 19. Juni 2009. Ge-
gen ihre Ablehnung wendet sich der Kläger mit einer Verfahrensrüge.
Die Fragen III.3.2 und 3 lassen sich aber auf der Grundlage der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch ohne Durchführung ei-
nes Revisionsverfahrens ohne Weiteres im Sinne des Verwaltungsgerichtshofs
beantworten. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 und 2 FFH-RL knüpfen nach Wortlaut und
Systematik nicht an jedwede Gebietsbeeinträchtigung, sondern an „negative
Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung“ an (EuGH, Urteil vom 14. April 2005
- Rs. C-441/03 - Slg. 2005, I-3043 Rn. 26; BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009
- BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 35
Rn. 8). Gegenstand der Verträglichkeitsprüfung ist die Verträglichkeit eines Pro-
jekts mit den Schutzzielen des betreffenden Gebiets (EuGH, Urteile vom
13. Dezember 2007 - Rs. C-418/04 - Slg. 2007, I-10947 Rn. 243 sowie vom
14. April 2005 a.a.O. Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A
3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 72). Gehört der Schutz eines prioritären Lebens-
raumtyps nicht zu den Erhaltungszielen des Gebiets, kann die Verträglichkeits-
prüfung bezogen auf diesen Lebensraumtyp nicht - wie in Art. 6 Abs. 4 FFH-RL
vorausgesetzt - zu einem negativen Ergebnis führen.
Der Schutzgedanke, auf den der Senat in seinem Urteil vom 9. Juli 2009
- BVerwG 4 C 12.07 - (a.a.O. Rn. 8) abgestellt hat, führt entgegen der Auffas-
sung der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 44) nicht zu einem anderen
Ergebnis. Die verfahrensrechtliche Einbeziehung der Kommission dient zwar
dem besonderen Schutz prioritärer Lebensräume und Arten; die Kommission
soll jedoch nur für den Fall, „dass eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung zu
dem Ergebnis kommt, das Vorhaben könne ein FFH-Gebiet erheblich beein-
trächtigen (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL)“, ihrerseits einer Bewertung der möglicher-
weise beeinträchtigten ökologischen Werte vornehmen können.
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- 16 -
bb) Die Fragen B.II.3.1.1 und 2 versteht der Senat so, dass die Beschwerde
klären lassen möchte, ob Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL jedenfalls dann an-
wendbar ist, wenn für einen prioritären Lebensraumtyp zwar kein Erhaltungsziel
formuliert worden ist, ein solches Ziel aber hätte formuliert werden müssen, sei
es im Wege der Aufnahme im sog. Standarddatenbogen für das betreffende
Schutzgebiet, sei es durch Nachmeldung. Damit zielen die Fragen B.II.3.1.1
und 2 in der Sache auf das, was der Verwaltungsgerichtshof unter der Über-
schrift „Potenzielles FFH-Gebiet“ (UA S. 38 ff. juris Rn. 101 ff.) erörtert hat,
auch wenn sich die Beschwerde die damit verbundenen rechtlichen Maßstäbe
ausdrücklich nicht zu Eigen macht (Beschwerdebegründung S. 53).
Diese Fragen lassen sich ebenfalls auf der Grundlage bisheriger Rechtspre-
chung beantworten; der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es
auch insoweit nicht. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und
des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die FFH-Richtlinie den Mit-
gliedstaaten bei der Auswahl der der Kommission vorzuschlagenden Gebiete
einen gewissen naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum einräumt (EuGH,
Urteil vom 11. September 2001 - Rs. C-67/99 - Slg. 2001, I-5757 Rn. 33). Dies
gilt auch bei Gebieten mit prioritären Lebensraumtypen. Auch derartige Gebiete
haben die Mitgliedstaaten nicht ausnahmslos zu melden (Urteil vom 27. Febru-
ar 2003 - BVerwG 4 A 59.01 - BVerwGE 118, 15 - juris Rn. 23 und 25). Dem-
entsprechend müssen sie auch nicht den Schutz jedes im Gebiet vorhandenen
prioritären Lebensraumtyps unabhängig von seiner konkreten Schutzwürdigkeit
als Erhaltungsziel festlegen. Nichts anderes gilt, wenn es nicht um die erstmali-
ge Meldung eines Gebiets geht, sondern um eine entsprechende Nachmel-
dung. Denn es macht keinen Unterschied, ob es um die erstmalige Unter-
schutzstellung oder um die erstmalige Identifizierung eines in einem mit ande-
ren Erhaltungszielen unter Schutz gestellten FFH-Gebiet gelegenen prioritären
Lebensraumtyps geht. Anhaltspunkte dafür, dass die Nichteinbeziehung des
Lebensraumtyps LRT*6230 die Grenzen des naturschutzfachlichen Beurtei-
lungsspielraums überschritten haben könnte, hat der Verwaltungsgerichtshof
nicht festgestellt (UA S. 39 ff. juris Rn. 104 ff.).
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- 17 -
e) Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Frage auf,
ob es den Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL an die
Transparenz einer Verkehrsprognose, der mit ihr verbun-
denen Prognoseunsicherheiten und damit an die Über-
prüfbarkeit der zwingenden Gründe des überwiegenden
öffentlichen Interesses genügt, wenn ein Gericht bei der
Rechtskontrolle einer Verkehrsprognose, die sowohl hin-
sichtlich ihrer Methodik, der Datengrundlagen und ihrer
Ergebnisse angegriffen wird, nur darauf abstellt, dass eine
behördliche Prognose über einen bestimmten Verkehrs-
bedarf rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn sie nach
einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der der
Prognose zugrunde liegende Sachverhalt zutreffend ermit-
telt worden und das Ergebnis einleuchtend begründet ist
(Frage B.II.4).
Diese Frage bedarf ebenfalls nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass ein im Rahmen
der Prüfung des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL berücksichtigungsfähiger Abweichungs-
grund vorliegt, wenn ein Vorhaben den Vorgaben der fachplanerischen Plan-
rechtfertigung entspricht (Urteil vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 -
BVerwGE 134, 166 Rn. 14, vgl. auch Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG
9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 159). Damit gilt der diesbezüglich für die
Überprüfung von Verkehrsprognosen entwickelte rechtliche Maßstab (vgl. Urtei-
le vom 20. Januar 2010 - BVerwG 9 A 22.08 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG
Nr. 55 Rn. 30 sowie vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133,
239 Rn. 105, jeweils m.w.N.) auch bei der Prüfung von Abweichungsgründen
im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL. Ob der Abweichungsgrund der FFH-
Belange überwiegt, hängt von dem Ergebnis der im Weiteren erforderlichen
konkreten Abwägung ab (Urteil vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 14).
Die Revision wäre auch dann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulas-
sen, wenn die Frage dahingehend zu verstehen sein sollte, dass die Be-
schwerde klären lassen will,
welche Nachweise für die Feststellung und die sich daran
anschließende Gewichtung der zwingenden Gründe des
überwiegenden öffentlichen Interesses i.S.d. Art. 6 Abs. 4
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- 18 -
FFH-RL erforderlich sind (S. 57 der Beschwerdebegrün-
dung),
oder
welche Darlegungspflichten betreffend Detaillierungsgrad
und Transparenz der Verkehrsprognose zur Nachvollzieh-
barkeit und Beurteilung der Belastbarkeit derselben
- einschließlich der enthaltenen Prognoseunsicherheiten -
seitens des Vorhabenträgers und insbesondere für die die
Abweichungsentscheidung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL
treffende Behörde bestehen (S. 62 und 68 der Beschwer-
debegründung).
Diese Fragen lassen sich nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls
beurteilen und sind somit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht fähig. Das-
selbe gilt für die augenscheinlich hinter diesen Fragen stehende Frage, ob die
einer (Luft-) Verkehrsprognose zugrunde liegende Ziel-Quell-Matrix offenzule-
gen ist.
Soweit die Beschwerde die Bedeutung von „Prognoseunsicherheiten“ bei der
Gewichtung der Abweichungsgründe thematisiert (Beschwerdebegründung
S. 60 ff.), zeigt sie einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf ebenfalls nicht
auf. Mit welchem Gewicht Prognoseunsicherheiten zu Buche schlagen, beurteilt
sich nach der Senatsrechtsprechung nach den Gegebenheiten des Einzelfalls.
Reichen die Prognoseunsicherheiten weiter als in anderen Fällen, bedarf es der
Darlegung, warum dem Vorhaben gleichwohl ein besonderer Stellenwert zu-
kommt. Das kann etwa der Fall sein, wenn mit normativer Verbindlichkeit die
besondere Dringlichkeit des Vorhabens angeordnet worden ist. Als Faustregel
lässt sich festhalten: Je weiter die Unsicherheiten reichen, desto geringer wiegt
das öffentliche Interesse an dem Vorhaben und desto konkreter und verbindli-
cher müssen die das Vorhaben stützenden Zielvorgaben sein, wenn ihm trotz
des unsicheren Bedarfs ein hohes Gewicht beigemessen werden soll (Urteil
vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 17).
f) Die Beschwerde möchte in einem Revisionsverfahren klären lassen,
ob nach dem Zeitpunkt der Feststellung der EU-
Kommission, dass ein ausreichendes Netz von Vogel-
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schutzgebieten in einem Mitgliedstaat ausgewiesen wor-
den ist, auch weiterhin die Verpflichtung nach Art. 4
Abs. 1 Satz 4 V-RL besteht, „flächen- und zahlenmäßig
geeignete Gebiete“ auszuweisen (B.II.5.1), und weiter
ob ein Teilgebiet, welches zum integralen Bestandteil ei-
nes bereits ausgewiesenen Vogelschutzgebiets gehört
und von der ökologischen Ausstattung die Vogelarten be-
herbergt, die für die Ausweisung als Vogelschutzgebiet
maßgeblich waren, von dem räumlichen Umgriff des aus-
gewiesenen Vogelschutzgebiets ausgegrenzt werden darf
(B.II.5.2).
Die Beschwerde bezieht diese Fragen auf die Annahme, dass der Kelsterba-
cher Wald aufgrund seines Mittel- und Schwarzspechtvorkommens als Teil des
Vogelschutzgebiets „Mönchbruch und Wälder bei Mörfelden-Walldorf und
Groß-Gerau“ hätte mit ausgewiesen werden müssen (Beschwerdebegründung
S. 70). Sie ist der Auffassung, dass der Kelsterbacher Wald bis zu einer ent-
sprechenden Ausweisung oder Einbeziehung in das betreffende Gebiet als fak-
tisches Vogelschutzgebiet zu behandeln sei. Im Ergebnis sei der Planfeststel-
lungsbeschluss deshalb rechtswidrig, weil er gegen das Beeinträchtigungs- und
Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 V-RL verstoße (Beschwerdebegrün-
dung S. 76).
aa) Frage II.5.1 ist nicht klärungsbedürftig. Wie die Beschwerde selbst einräumt
(Beschwerdebegründung S. 76 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs (Urteil vom 23. März 2006 - Rs. C-209/04 - Slg. 2006, I-2755
Rn. 43) geklärt, dass das Melde- und Gebietsausweisungsverfahren der Vogel-
schutzrichtlinie zwar einen fortgeschrittenen Stand erreicht hat, so dass zwi-
schenzeitlich in Deutschland das von der Vogelschutzrichtlinie angestrebte zu-
sammenhängende Netz von Vogelschutzgebieten entstanden ist, dass aber
auch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse für die Gebietsabgrenzung zu be-
rücksichtigen sind, so dass weitere Gebiete gegebenenfalls trotz des bereits
erreichten Verfahrensstandes noch unter Schutz zu stellen sind, wenn sich ihre
herausragende Eignung erst jetzt herausstellt (Beschluss vom 13. März 2008
- BVerwG 9 VR 9.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 33 LS 4 und
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- 20 -
Rn. 21). Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde
nicht auf.
Das gilt auch, soweit die Beschwerde die Auffassung vertritt, in der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts spiegele sich die Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs nicht wieder (Beschwerdebegründung S. 74 ff.). Die
Beschwerde entnimmt der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-
gerichts (Beschluss vom 13. März 2008 a.a.O. Rn. 16) den Rechtssatz, ange-
sichts des in Deutschland erreichten Melde- und Gebietsausweisungsstandes
sei eine weitere Meldung nur dann notwendig, wenn ein zusätzliches Gebiet
vorliege, welches eine Lücke im Netz der Vogelschutzrichtlinie schließe. Hier-
nach - so die Beschwerde weiter - könnte angenommen werden, dass eine wei-
tere Meldung zusätzlicher Gebiete nicht mehr in Betracht komme, weil inzwi-
schen ein Netz von Vogelschutzgebieten entstanden sei. Eine solche Auffas-
sung sei mit der Verpflichtung, die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Ge-
biete als Vogelschutzgebiete auszuweisen (Art. 4 Abs. 1 Satz 4 V-RL), und mit
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht zu vereinbaren. Die-
se Annahmen der Beschwerde finden in der bisherigen Rechtsprechung keine
Stütze. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der zitierten Entscheidung (Be-
schluss vom 13. März 2008 a.a.O. Rn. 21) unter Bezugnahme auf die Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs herausgestrichen, dass neuere wis-
senschaftliche Erkenntnisse auch „für die Gebietsabgrenzung zu berücksichti-
gen“ sind, so dass weitere Gebiete gegebenenfalls trotz des bereits erreichten
Verfahrensstandes unter Schutz zu stellen sind, wenn sich ihre herausragende
Eignung erst jetzt herausstellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat damit klarge-
stellt, dass auch in dem von der Beschwerde unterstellten Fall einer fachlich
unzutreffenden Gebietsabgrenzung eine Pflicht zur Nachmeldung bestehen
kann. Der behauptete Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Ge-
richtshofs liegt deshalb nicht vor.
Die aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe hat der Verwaltungsgerichtshof seiner
Entscheidung zugrunde gelegt. Einen Rechtssatz dergestalt, dass künftig keine
Verpflichtung mehr bestehe, flächen- und zahlenmäßig geeignete Gebiete als
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- 21 -
Europäische Vogelschutzgebiete auszuweisen oder in bestehende Vogel-
schutzgebiete einzubeziehen, hat die Vorinstanz nicht aufgestellt.
bb) Frage B.II.5.2 ist nicht entscheidungserheblich; im Übrigen wäre sie auch
nicht klärungsbedürftig.
Die Frage setzt als Prämisse voraus, dass das fragliche Gebiet „Kelsterbacher
Wald“ integraler Bestandteil des ausgewiesenen Vogelschutzgebiets ist. Hier-
von ist der Verwaltungsgerichtshof nicht ausgegangen. Er hat im Gegenteil an-
genommen, „dass die Waldfläche des ausgewiesenen Vogelschutzgebiets
Mönchbruch und der Kelsterbacher Wald keine integralen Bestandteile eines
Gebiets und keine zusammengehörige einheitliche Waldfläche darstellen“. Dies
werde letztlich auch vom Kläger nicht verkannt, der ja neben der Einbeziehung
in das vorhandene auch die Ausweisung des Kelsterbacher Waldes als eigen-
ständiges Vogelschutzgebiet gefordert habe, was aber bei einem einheitlichen
homogenen Gebiet ein verfehlter Vorschlag wäre (UA S. 22 juris Rn. 62). Die
Vorinstanz hat auch nicht - wie von der Beschwerde weiter vorausgesetzt -
festgestellt, dass der Kelsterbacher Wald dieselben Vogelarten beherbergt, die
für die Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets „Mönchbruch und Wälder bei
Mörfelden-Walldorf und Groß-Gerau“ maßgeblich waren. Die Beschwerde be-
schränkt sich insoweit darauf, der Bewertung des Verwaltungsgerichtshofs ihre
eigene Sichtweise, dass das ausgewiesene Vogelschutzgebiet fehlerhaft abge-
grenzt worden sei, gegenüber zu stellen.
Frage B.II.5.2 wäre - ihre Entscheidungserheblichkeit unterstellt - im Übrigen
auch nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich auf der Grundlage vorhandener
Rechtsprechung ohne Weiteres verneinen. Hiervon geht die Beschwerde letzt-
lich selbst aus, indem sie ausführt, die grundsätzliche Bedeutung der zu klä-
renden Rechtsfrage ergebe sich insbesondere aus einer Entscheidung des Eu-
ropäischen Gerichtshofs (Urteil vom 13. Dezember 2007 - Rs. C-418/04 -
Slg. 2007, I-10947 Rn. 145), und dem Verwaltungsgerichtshof vorhält, der von
ihm zugrunde gelegte Rechtssatz stehe im Widerspruch hierzu (Beschwerde-
begründung S. 72). Unberechtigt ist in diesem Zusammenhang auch der Vor-
wurf der Beschwerde, die Vorinstanz habe sich, obwohl der Kläger schriftsätz-
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- 22 -
lich auf diese Rechtsprechung hingewiesen und seinen Tatsachenvortrag hier-
auf bezogen habe, hiermit nicht auseinandergesetzt (Beschwerdebegründung
S. 73); das Gegenteil ist der Fall (UA S. 21 f. juris Rn. 62).
cc) Der Sache nach geht es der Beschwerde - über die ausdrücklich formulier-
ten Grundsatzfragen hinaus - schließlich auch darum, „ob in Deutschland - trotz
der abgeschlossenen Meldung und der Bestätigung der Gebietskulisse durch
die EU-Kommission - dann von faktischen Vogelschutzgebieten auszugehen
ist, wenn sich herausstellt, dass ausgewiesene Vogelschutzgebiete fehlerhaft
abgegrenzt worden sind“ (Beschwerdebegründung S. 76). Diese Frage recht-
fertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Sie ist weder entscheidungs-
erheblich noch klärungsbedürftig.
Auch diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die
Vorinstanz ist nicht - wie die Frage voraussetzt - zu dem Ergebnis gelangt, dass
das Landschaftsschutzgebiet „Mönchbruch und Wälder bei Mörfelden-Walldorf
und Groß-Gerau“ falsch abgegrenzt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat
vielmehr unter Auswertung des aktuellen Verzeichnisses der „Important Bird
Areas“ aus dem Jahre 2002 (IBA 2002), des hessischen Fachkonzepts für die
Auswahl der Vogelschutzgebiete sowie weiterer wissenschaftlicher Erkenntnis-
se angenommen, dass die Abgrenzung dieses Schutzgebiets rechtlich nicht zu
beanstanden sei (UA S. 20 ff. juris Rn. 60 ff.). Auch insoweit beschränkt sich
die Beschwerde im Wesentlichen darauf, der Wertung der Vorinstanz ihre ei-
gene Auffassung entgegenzusetzen, ohne damit eine klärungsbedürftige Frage
des revisiblen Rechts aufzuwerfen. Soweit die Beschwerde in diesem Zusam-
menhang die Auslegung des hessischen Fachkonzepts durch die Vorinstanz
angreift, verkennt sie, dass hierbei nicht Rechtsanwendung, sondern Tatsa-
chenfeststellung in Frage steht (vgl. Beschluss vom 5. Oktober 2009 - BVerwG
4 B 8.09 - juris Rn. 7), an die das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisi-
onsverfahren gebunden wäre (§ 137 Abs. 2 VwGO).
Im Übrigen hat der Senat bereits an anderer Stelle betont, dass alles dafür
spricht, dass bezüglich der unter Schutz gestellten Gebietsteile gemäß Art. 7
FFH-RL ein Regimewechsel eintritt, während es für die aufgrund fehlerhafter
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- 23 -
Abgrenzung nicht unter Schutz gestellten, aber unter Schutz zu stellenden Ge-
bietsteile beim Verschlechterungsverbot des Art. 4 Abs. 4 V-RL bleibt (Be-
schluss vom 11. November 2009 - BVerwG 4 B 57.09 - UPR 2010, 103
weit nicht veröffentlicht>, juris Rn. 12).
g) Hinsichtlich des FFH-Gebietsschutzes für klärungsbedürftig hält die Be-
schwerde schließlich die Fragen,
ob der Schutzgebietstyp der Landschaftsschutzverord-
nung geeignet ist, hinsichtlich eines ausgewählten Vogel-
schutzgebiets den Regimewechsel gemäß Art. 7 FFH-RL
herbeizuführen (Frage B.II.6.1.),
ferner
ob es für den Regimewechsel ausreicht, dass in einer
Schutzgebietsverordnung zur Ausweisung eines Vogel-
schutzgebiets dieses räumlich bestimmt ist und der
Schutzzweck benannt wird, oder ob es für den Regime-
wechsel nicht vielmehr auch verordnungsrechtlicher Hin-
weise auf das allgemeine Störungs- und Verschlechte-
rungsverbot im Sinne von Art. 6 Abs. 2 FFH-RL sowie ins-
besondere Festsetzungen der zu beachtenden Ge- und
Verbote bedarf (Frage B.II.6.2.).
Mit diesen Fragen wendet sich die Beschwerde gegen die Rechtsauffassung
des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es für den Regimewechsel gemäß Art. 7
FFH-RL ausreiche, dass das Vogelschutzgebiet räumlich eindeutig bestimmt ist
und der Schutzzweck benannt wird (UA S. 14 juris Rn. 43). Dem hält die Be-
schwerde entgegen, dass der Regimewechsel nur Platz greifen könne, wenn
die Schutzgebietsausweisung im Einklang mit höherrangigem Recht, insbeson-
dere mit Art. 4 Abs. 1 und 2 V-RL und Art. 6 Abs. 2 FFH-RL, vorgenommen
worden ist (Beschwerdebegründung S. 88).
Dass die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zutrifft, lässt sich auf
der Grundlage der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften und der hierzu
ergangenen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfah-
rens feststellen: Der Wechsel des Schutzregimes gemäß Art. 7 FFH-RL von
Art. 4 Abs. 4 Satz 1 V-RL zu Art. 6 Abs. 2 FFH-RL tritt unabhängig davon ein,
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- 24 -
ob eine Schutzgebietsausweisung die materiellrechtlichen Anforderungen nach
Art. 4 Abs. 1 und 2 V-RL oder nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL an die zu treffenden
Schutzmaßnahmen erfüllt.
Gemäß Art. 7 FFH-RL treten, was die nach Art. 4 Abs. 1 der V-RL zu besonde-
ren Schutzgebieten (im Folgenden: BSG) erklärten oder nach Art. 4 Abs. 2 der-
selben Richtlinie als solche anerkannten Gebiete anbelangt, die Verpflichtun-
gen nach Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL ab dem Datum für die Anwendung der
FFH-RL bzw. danach ab dem Datum, zu dem das betreffende Gebiet von ei-
nem Mitgliedstaat entsprechend der V-RL zum BSG erklärt oder als solches
anerkannt wird, an die Stelle der Pflichten, die sich aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der
V-RL ergeben. Nach seinem Wortlaut knüpft Art. 7 FFH-RL den Regimewech-
sel also lediglich an den Umstand, dass ein Gebiet überhaupt zum Schutzge-
biet erklärt worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es für den
Wechsel des Schutzregimes einer endgültigen rechtsverbindlichen Entschei-
dung mit Außenwirkung (Urteil vom 1. April 2004 - BVerwG 4 C 2.03 -
BVerwGE 120, 276 <285> juris Rn. 32). Der Europäische Gerichtshof fordert
überdies, dass die Bestimmung der Arten, die die Ausweisung des betreffen-
den BSG gerechtfertigt haben, ebenso wie die Abgrenzung eines BSG unbe-
streitbare Verbindlichkeit aufweisen muss, weil andernfalls die Gefahr bestün-
de, dass das aus Art. 4 Abs. 1 und 2 V-RL sowie aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL in
Verbindung mit Art. 7 der FFH-RL resultierende Schutzziel nicht vollständig er-
reicht würde (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - Rs. C-535/07 - NuR 2010,
791 Rn. 64). Eine solche Entscheidung mit Außenwirkung, die die Arten, die die
Ausweisung des betreffenden BSG gerechtfertigt haben, ebenso wie die Ab-
grenzung des BSG verbindlich festlegt, liegt nach den Feststellungen des Ver-
waltungsgerichtshofs (UA S. 13 juris Rn. 42) hier in Gestalt der Verordnung
über das Landschaftsschutzgebiet „Untermainschleusen“ vom 28. März 2006
(StAnz S. 910) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 7. September
2006 (StAnz S. 2324) vor. Die Verordnung zur Festsetzung des Landschafts-
schutzgebiets „Untermainschleusen“ bestimmt den Schutzzweck (§ 2 Abs. 1
bis 3) sowie die Erhaltungsziele (§ 2 Abs. 4), legt die Grenzen des Schutzge-
60
61
- 25 -
biets fest (§ 1 Abs. 2 bis 4) und enthält Schutz- und Erhaltungsregelungen
(§§ 3 ff.). Damit ist den Mindestanforderungen für einen Wechsel des Schutz-
regimes von Art. 4 Abs. 4 Satz 1 V-RL zu Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL Rechnung
getragen.
Weder Art. 7 FFH-RL noch das Bundesnaturschutzgesetz machen den Re-
gimewechsel demgegenüber davon abhängig, dass das durch die Ausweisung
als Schutzgebiet gewährleistete Schutzniveau auch den materiellrechtlichen
Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL genügt. Der Europäische Gerichtshof
hat bereits mehrfach entschieden, dass es für einen Wechsel des Schutzre-
gimes gemäß Art. 7 FFH-RL unbeachtlich ist, ob das mit der Ausweisung ge-
währleistete Schutzniveau den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL ent-
spricht (EuGH, Urteile vom 13. Juni 2002 - Rs. C-117/00 - Slg. 2002, I-5335
Rn. 25 sowie vom 20. September 2007 - Rs. C-388/05 - Slg. 2007, I-7555
Rn. 25). In beiden Fällen hat der Europäische Gerichtshof den beklagten Mit-
gliedstaat wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 FFH-RL verurteilt, weil
ein Europäisches Vogelschutzgebiet nicht ausreichend geschützt worden sei.
Trotz dieses Befundes hat der Gerichtshof in beiden Fällen festgestellt, dass
aufgrund der erfolgten Ausweisung als Schutzgebiet Art. 6 Abs. 2 FFH-RL und
nicht Art. 4 Abs. 4 Satz 1 V-RL Anwendung findet, der Wechsel des Schutzre-
gimes also eingetreten ist. Daraus folgt, dass es auch nach Ansicht des Euro-
päischen Gerichtshofs für den Wechsel des Schutzregimes zwar auf die Aus-
weisung als Schutzgebiet, nicht aber darauf ankommt, ob das mit der Auswei-
sung gewährleistete Schutzniveau den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 FFH-
RL genügt. Diese Position ist im Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom
14. Oktober 2010 (a.a.O.), auf das sich die Beschwerde bezieht und hierbei
insbesondere aus der Einlassung der Kommission Argumente für ihre Auffas-
sung herzuleiten versucht, bestätigt worden. Auch in dieser Entscheidung hat
der Gerichtshof geprüft, ob die Rüge, der beklagte Mitgliedstaat habe allgemein
gegen die Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 V-RL und aus Art. 6 Abs. 2
FFH-RL i.V.m. Art. 7 FFH-RL verstoßen, begründet ist, was voraussetzt, dass
der Wechsel des Schutzregimes gemäß Art. 7 FFH-RL unabhängig von der
Einhaltung der Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 V-RL und aus Art. 6
Abs. 2 FFH-RL eintreten kann.
62
- 26 -
Nichts anderes folgt entgegen Gellermann (DVBl. 2004, 1198 <1202 ff.>) aus
dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. April 2004 (a.a.O.). Zwar
heißt es in dieser Entscheidung (S. 284 f. juris Rn. 31) unter Bezugnahme auf
ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 27. Februar 2003
- Rs. C-415/01 - Slg. 2003, I-2089 Rn. 26), die Ausweisung als Schutzgebiet
müsse automatisch und unmittelbar die Anwendung einer mit dem Unionsrecht
in Einklang stehenden Schutz- und Erhaltungsregelung nach sich ziehen. Mit
diesen Ausführungen werden aber lediglich die materiellrechtlichen Anforde-
rungen in Bezug genommen, denen Schutz- und Erhaltungsregelungen genü-
gen müssen. Die Aussage, dass ein Wechsel des Schutzregimes nur dann er-
folgt, wenn das mit der Ausweisung als Schutzgebiet gewährleistete Schutzni-
veau den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL genügt, lässt sich auch die-
sen Ausführungen nicht entnehmen.
h) Zum Artenschutzrecht wirft die Beschwerde als grundsätzlich klärungsbe-
dürftig die Fragen auf,
ob es mit den Anforderungen der Art. 12 Abs. 1, Art. 16
Abs. 1 FFH-RL und Art. 5, Art. 9 Abs. 1 V-RL bzw. der
§ 42 Abs. 1, § 43 Abs. 8 BNatSchG vereinbar ist,
den Umfang und die Reichweite einer artenschutz-
rechtlichen Ausnahmegenehmigung lediglich mit der
Angabe zu umreißen, in Bezug auf welche Tierarten
und welche Verbotstatbestände diese gilt, ohne ge-
nauer darzulegen, welche Maßnahmen an welchen
Orten in Bezug auf welche geschützten Lebensstätten
von Tierarten des Anhangs IV der FFH-RL oder euro-
päischer Vogelarten zugelassen werden (Frage
B.III.1.1),
die Entscheidung auf Erkenntnisse floristischer und
faunistischer Bestandsaufnahmen zu stützen, die im
Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung sechs bis
sieben Jahre alt waren und nicht mit dem Ziel der Prü-
fung einer vorhabenbedingten Erfüllung der Verbots-
tatbestände erhoben wurden (Frage B.III.1.2.),
ferner
63
64
- 27 -
ob es mit den Anforderungen der Art. 16 Abs. 1 FFH-RL,
Art. 9 Abs. 1 V-RL bzw. des § 43 Abs. 8 Satz 2
BNatSchG,
wonach eine Ausnahme nur zugelassen werden darf,
wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind bzw.
es keine andere zufriedenstellende Lösung geben
darf,
vereinbar ist,
die artenschutzrechtliche Alternativenprüfung einer
grundsätzlich zur Vorhabenrealisierung in Frage
kommenden Vorhabenalternative darauf zu be-
schränken, ob eine Vorhabenrealisierung auf den Al-
ternativflächen zu ähnlichen Betroffenheiten von
nach Anhang IV der FFH-RL geschützten Arten oder
europäischen Vogelarten führt (Frage B.III.2.1),
behördlicherseits keine genauen Feststellungen dar-
über zu treffen, welche Verbotstatbestände in Bezug
auf welche Angehörigen von Arten des Anhangs IV
der FFH-RL bzw. europäischen Vogelarten in wel-
cher Qualität und Quantität sowie an welchen Orten
und in Bezug auf welche geschützten Lebensstätten
letztlich erfüllt zu werden drohen (Frage B.III.2.2),
sowie schließlich
ob Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL bzw. § 43 Abs. 8
Satz 1 Nr. 5 BNatSchG,
wonach eine Ausnahme nur aus zwingenden Grün-
den des überwiegenden öffentlichen Interesses ein-
schließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art
zugelassen werden darf,
es nicht erfordert,
dass vor Erteilung einer Ausnahmegenehmigung das
qualitative und quantitative Ausmaß der Verwirkli-
chung von Verbotstatbeständen im Hinblick auf die
Anzahl der betroffenen Arten und Individuen der Ar-
ten des Anhangs IV der FFH-RL sowie der europäi-
schen Vogelarten ermittelt werden muss (Frage
B.III.3.1),
dass die Behörde das Gewicht der artenschutzrecht-
lichen Belange im Rahmen einer spezifischen Ab-
wägung davon abhängig machen muss, in welcher
- 28 -
Quantität und Qualität es in Bezug auf Individuen
und geschützte Lebensstätten von Arten des An-
hangs IV der FFH-RL sowie der europäischen Vo-
gelarten zur Verwirklichung von Verbotstatbeständen
kommt (Frage B.III.3.2).
aa) Frage B.III.1.1 ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. In
welcher Weise Art und Umfang einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegeneh-
migung umschrieben werden müssen, um hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1
HVwVfG) festzulegen, inwieweit Verbotstatbestände verwirklicht werden dürfen,
hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, u.a. von der Verbrei-
tung der Arten sowie den Standorten ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten im
Maßnahmegebiet und Art und Umfang der Maßnahmen, durch die Verbotstat-
bestände verwirklicht werden können. Der Sache nach richtet sich die Be-
schwerde gegen die auf den vorliegenden Fall bezogene Würdigung des Ver-
waltungsgerichtshofs, dass sich aus dem verfügenden Teil des Planfeststel-
lungsbeschlusses in Verbindung mit der Begründung eindeutig ergebe, für wel-
che Arten die Planfeststellungsbehörde von der Verwirklichung welcher Verbote
ausgehe (UA S. 247 juris Rn. 617). Der Auslegung des Inhalts eines konkreten
Verwaltungsakts kommt indes eine fallübergreifende, grundsätzliche Bedeutung
regelmäßig nicht zu (Beschluss vom 30. Mai 2000 - BVerwG 11 B 18.00 - juris).
bb) Frage B.III.1.2 ist, soweit sie auf die zu fordernde Aktualität naturschutz-
fachlicher Bestandsaufnahmen zielt, einer rechtsgrundsätzlichen Klärung eben-
falls nicht zugänglich. Auch die Beantwortung dieser Frage hängt - wie die Vor-
instanz zutreffend erkannt hat - von den Umständen des Einzelfalls ab, na-
mentlich davon, ob zwischenzeitlich so gravierende Änderungen aufgetreten
sind, dass die gewonnenen Erkenntnisse nicht mehr die tatsächlichen Gege-
benheiten wiedergeben. Letzteres hat die Vorinstanz für den vorliegenden Fall
verneint, ohne dass die Beschwerde dieser Feststellung mit beachtlichen Ver-
fahrensrügen entgegengetreten wäre.
Soweit Frage B.III.1.2 darauf abzielt zu klären, ob eine naturschutzfachliche
Bestandsaufnahme auch dann als Grundlage für die Ermittlung einer vorha-
benbedingten Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände taug-
lich ist, wenn sie nicht mit diesem Ziel erhoben wurde, ist sie nicht klärungsbe-
65
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- 29 -
dürftig. Die Frage lässt sich ohne Weiteres in der Weise beantworten, dass sich
die Planfeststellungsbehörde auf alle einschlägigen Erkenntnisse stützen darf,
unabhängig davon, aus welchem Anlass und zu welchem Zweck diese gewon-
nen wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(Urteile vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 59 so-
wie vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 35
Rn. 44 f.) speisen sich die erforderlichen fachgutachtlichen Untersuchungen zur
Ermittlung der artenschutzrechtlichen Betroffenheiten im Planungsraum regel-
mäßig aus zwei wesentlichen Quellen: der Bestandserfassung vor Ort sowie
der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und Fachliteratur. Eine aus
beiden Quellen gewonnene, sich wechselseitig ergänzende Gesamtschau wird
der Planfeststellungsbehörde regelmäßig die erforderliche hinreichende Er-
kenntnisgrundlage verschaffen können (Urteile vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 45
und vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 59 ff.).
cc) Auch die unter B.III.2 formulierten Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung
der Revision. Sie sind nicht entscheidungserheblich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat aus zwei selbständig tragenden Gründen an-
genommen, dass es zur Erreichung der Planziele keine zumutbare Alternative
gemäß § 43 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG i.d.F. vom 12. Dezember 2007, BGBl I
2873, in Kraft getreten am 18. Dezember 2007, im Folgenden: BNatSchG
2007, bzw. keine anderweitige zufriedenstellende Lösung im Sinne des Art. 16
Abs. 1 FFH-RL gebe: Wenn man sich dem Bundesverwaltungsgericht (Urteil
vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 240 f.) an-
schließe, folge allein daraus, dass sich sowohl die Variante Start-/Landebahn
Süd als auch die Landebahn Nordost als ihrerseits mit den Erhaltungszielen
von FFH-Gebieten unverträglich erweisen, dass keine dieser Varianten eine
anderweitige zufriedenstellende Lösung darstelle, ohne dass es noch auf einen
zusätzlichen Vergleich in artenschutzrechtlicher Hinsicht ankäme (UA S. 275
juris Rn. 691 ff.). „Ungeachtet dessen“ stünden hier auch die artenschutzrecht-
lichen Schutzvorschriften den vorgeschlagenen Alternativen entgegen (UA
S. 276 juris Rn. 694).
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- 30 -
Die Beschwerde kann nur Erfolg haben, wenn für jede dieser Begründungen
ein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargelegt und gegeben ist (Beschluss
vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Nr. 26; stRspr). Daran fehlt es hier. Hinsichtlich des ersten Begründungsele-
ments - die Unverträglichkeit der in Betracht kommenden Alternativen mit den
Erhaltungszielen der FFH-Gebiete - macht die Beschwerde einen Zulassungs-
grund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht geltend. Lediglich in der Begrün-
dung legt sie dar, es bedürfe höchstrichterlicher Überprüfung, ob in der Weise,
wie der Verwaltungsgerichtshof es vorliegend als geklärt erachte, wirklich jede
- gegebenenfalls auch nur geringfügige - erhebliche Beeinträchtigung eines Na-
tura 2000 Gebiets, welche sich bei Realisierung eines Vorhabens in einer nicht
planfestgestellten Variante einstellen würde, dazu führe, dass es zu einer Ver-
wirklichung artenschutzrechtlicher Verbote bei Realisierung des Vorhabens in
der planfestgestellten Variante keine in rechtlicher Hinsicht vorrangige Alterna-
tive gebe (Beschwerdebegründung S. 105). Damit ist ein rechtsgrundsätzlicher
Klärungsbedarf im Hinblick auf die erste Begründung nicht in der erforderlichen
Weise dargelegt. Denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs
wäre die Beeinträchtigung des FFH-Gebiets Schwanheimer Wald durch die
Nordost-Variante nicht - auch nicht im Vergleich zum planfestgestellten Vorha-
ben - geringfügig; keine der untersuchten Varianten gehe mit geringeren Beein-
trächtigungen als das planfestgestellte Vorhaben einher (UA S. 217 juris
Rn. 538 f.).
Unabhängig davon sind die unter B.III.2.1 und 2 formulierten Fragen in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Hiernach braucht sich
ein Vorhabenträger nicht auf eine Alternativlösung verweisen zu lassen, wenn
sich die maßgeblichen Schutzvorschriften am Alternativstandort als ebenso
wirksame Zulassungssperre erweisen wie an dem von ihm gewählten Standort;
außerdem darf eine Alternativlösung auch verworfen werden, wenn sie sich aus
naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges Mittel erweist (Urteile
vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 119, vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 240 sowie vom
16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 567). Ausge-
hend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass alle drei näher
zu betrachtenden Varianten zu ähnlichen Betroffenheiten von nach Anhang IV
70
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- 31 -
geschützten Arten führten; auch bei den betroffenen Vogelarten bestünden kei-
ne signifikanten Unterschiede (UA S. 276 juris Rn. 694). Die Variante Nordost
scheide zudem aus naturschutzexternen Gründen, insbesondere aus Gründen
des Lärmschutzes, und bei Berücksichtigung aller Belange als Alternative aus
(UA S. 277 juris Rn. 697). Soweit die Beschwerde geltend macht, der Verwal-
tungsgerichtshof habe hierbei die Belange des Artenschutzes nicht mit dem
diesen tatsächlich zukommenden Gewicht gegenüber gestellt (Beschwerdebe-
gründung S. 97), rügt sie die Tatsachenwürdigung und Rechtsanwendung im
vorliegenden Einzelfall; eine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich daraus nicht.
dd) Auch die Fragen B.III.3.1 und 2 lassen sich auf der Grundlage der Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es hierfür
der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.
Frage B.III.3.1 bezieht sich - ebenso wie bereits Frage B.III.2.2 - auf die arten-
schutzrechtlich gebotene Ermittlungsintensität, hier allerdings fokussiert auf die
artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung. Auch insoweit gilt, dass es von
den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall sowie von Art und Ausgestal-
tung des Vorhabens abhängt, welche Anforderungen an Art, Umfang und Tiefe
der Untersuchungen zu stellen sind, und dass es diesbezüglich keinen allge-
meinverbindlichen Standard gibt. Auch die zu fordernde Ermittlungsintensität
hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zudem müssen die Anforderun-
gen an die Ermittlungstiefe sowohl die Grenzen der tatsächlichen Durchführ-
barkeit von Ermittlungen als auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit be-
rücksichtigen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage B.III.1.1 verwiesen
werden.
Auch Frage III.3.2 lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens be-
antworten. Bei der Prüfung, ob zwingende Gründe des überwiegenden öffentli-
chen Interesses im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL bzw. des § 43
Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG 2007 die Erteilung einer Ausnahmegenehmi-
gung rechtfertigen, sind die für das Vorhaben sprechenden Belange den
vorhabenbedingten Beeinträchtigungen geschützter Arten gegenüber zu stellen
(vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 127
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74
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sowie vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 239). Das Gewicht, mit dem das Arten-
schutzinteresse in die Abwägung einzustellen ist, hängt auch vom Ausmaß der
vorhabenbedingten Beeinträchtigungen ab. Erforderlich ist eine Beurteilung
dieser Beeinträchtigung in qualitativer und quantitativer Hinsicht (vgl. Urteil vom
9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 26 zu der im Rah-
men der Prüfung des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL vorzunehmenden Abwä-
gung). Soweit die Beschwerde geltend macht, die Vorinstanz habe diese
Grundsätze falsch angewandt, rügt sie eine unzutreffende Rechtsanwendung;
ein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO wird insoweit nicht gel-
tend gemacht.
i) Für klärungsbedürftig hält die Beschwerde im Bereich des Artenschutzrechts
ferner die Fragen (B.III.4),
ob Art. 16 Abs. 1 FFH-RL mit der Formulierung, „unter der
Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in
ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahme-
regelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhal-
tungszustand verweilen“, die Anforderung stellt, dass je-
denfalls hinsichtlich solcher Populationen im Einwirkungs-
bereich eines Vorhabens keine Beeinträchtigung des Er-
haltungszustandes eintreten darf, die in keinem Aus-
tauschverhältnis mit anderen, für Individuen der Art nicht
erreichbaren Populationen der Art stehen,
und ob die Erhaltung solcher Populationen ein selbständi-
ges Schutzgut darstellt, so dass es für eine Ausnahmeer-
teilung nach Art. 16 Abs. 1 FFH-RL auf die Beibehaltung
des Erhaltungszustandes der im Einwirkungsbereich des
Vorhabens betroffenen Population ankommt.
So formuliert würden sich die Fragen in einem Revisionsverfahren nicht stellen.
Sie wären nur entscheidungserheblich, wenn davon auszugehen wäre, dass
sich „im Einwirkungsbereich“ des streitgegenständlichen Vorhabens der Erhal-
tungszustand mindestens einer der dort vorhandenen Populationen einer ge-
schützten Art, die in keinem Austauschverhältnis mit anderen Populationen die-
ser Art stehen und deshalb „isoliert“ sind, verschlechtern würde. Demgegen-
über hat die Vorinstanz unter Bezugnahme auf die zusammenfassende Aussa-
ge des qualitätssichernden Gutachtens festgestellt, dass „für alle betroffenen
Arten des Anhangs IV der FFH-RL sich der Erhaltungszustand im Umfeld des
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- 33 -
Flughafens durch das Vorhaben nicht verschlechtern wird und die aktuellen
Populationsgrößen gewahrt bleiben werden, weil im Vorfeld oder während des
Eingriffs geeignete konfliktmindernde und funktionserhaltende Maßnahmen
sowie mittel- bis langfristig wirkende Maßnahmen zur Sicherung des Erhal-
tungszustandes getroffen werden“ (UA S. 288 juris Rn. 728). An diese Feststel-
lungen, denen die Beschwerde nicht in beachtlicher Weise durch Verfahrens-
rügen entgegen getreten ist, wäre der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO in ei-
nem Revisionsverfahren gebunden.
Die Beschwerde ist allerdings offenbar der Auffassung, dass der Verwaltungs-
gerichtshof und - so ist im Sinne der Beschwerde weiter zu unterstellen - auch
das qualitätssichernde Gutachten von einem unzutreffenden rechtlichen Ver-
ständnis des in Art. 16 Abs. 1 FFH-RL verwendeten Begriffs der „Populationen“
ausgegangen seien mit der Folge, dass die auf das Qualitätssicherungsgutach-
ten gestützte Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs von einem Bundes-
rechtsverstoß infiziert sein könnte. In der Beschwerdebegründung (S. 111)
wendet sie sich jedenfalls auch gegen die vom Verwaltungsgerichtshof formu-
lierten Rechtssätze, wonach es für § 43 Abs. 8 BNatSchG 2007 entgegen dem
klägerischen Vortrag nicht auf eine Beurteilung der Vorhabenswirkung auf jede
selbständige Population der jeweiligen Art ankomme, sondern auf die Auswir-
kungen auf die Populationen in einem größeren räumlichen Zusammenhang
(UA S. 287 juris Rn. 725), und dass maßgeblich sei, ob die Population als sol-
che in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, das über das Plangebiet hinaus-
reiche, als lebensfähiges Element erhalten bleibe (UA S. 286 juris Rn. 722). Sie
hält dem entgegen, der Begriff „Populationen“ könne schlechterdings nur so
verstanden werden, dass damit sämtliche vom Austausch mit anderen Popula-
tionen der jeweils gleichen Art abgekoppelten Vorkommen gemeint seien. Die-
se Populationen müssten „mithin jeweils - also alle - in ihrem natürlichen
Verbreitungsgebiet - also nicht etwa durch Umsiedlung ‚verpflanzt’ - in einem
günstigen Erhaltungszustand verweilen“ oder mindestens - was allerdings be-
reits dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL zuwider laufe - in ihrem jeweili-
gen Erhaltungszustand verweilen (Beschwerdebegründung S. 114 f.). Die Be-
schwerde möchte mithin auch geklärt wissen, ob es bei der in Art. 16 Abs. 1
FFH-RL formulierten „Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in
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- 34 -
ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beein-
trächtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen“, um den Erhal-
tungszustand der Art oder aber um den Erhaltungszustand der einzelnen Popu-
lationen geht (Beschwerdebegründung S. 111).
Auch diese Frage rechtfertigt indes nicht die Zulassung der Revision. Es fehlt
bereits an einer ordnungsgemäßen Darlegung ihrer Entscheidungserheblich-
keit. Die Beschwerde trägt vor, die konkreten Auswirkungen einer unterschiedli-
chen Beantwortung dieser Rechtsfrage sei seitens des Klägers am Beispiel der
Kreuzkröte festgemacht worden. Die vorhabenbetroffene Lokalpopulation der
Kreuzkröte sei vorliegend unstreitig auf den Kelsterbacher Wald begrenzt und
damit „isoliert“, weil die Bundesautobahn A 3 eine unüberwindbare Barriere
darstelle. Sie befinde sich dort in einem ungünstigen Erhaltungszustand. Dar-
aus folge, dass von der „Wahrung eines günstigen Erhaltungszustandes“ als
Zulassungsgrund nicht ausgegangen werden könne. Durch die kumulativ wirk-
samen (vorhabenbedingten) Einwirkungen verschlechtere sich der Erhaltungs-
zustand der Population erheblich (Beschwerdebegründung S. 112 f.). Damit
legt die Beschwerde hinsichtlich der Kreuzkröte einen Sachverhalt zugrunde,
den die Vorinstanz so nicht festgestellt hat. Zwar ist auch der Verwaltungsge-
richtshof davon ausgegangen, dass es sich bei der Kreuzkrötenpopulation im
Kelsterbacher Wald um eine isolierte Population handelt (UA S. 295 juris
Rn. 744). Eine vorhabenbedingte Verschlechterung des Erhaltungszustandes
der Kreuzkrötenpopulation im Kelsterbacher Wald hat die Vorinstanz indes ge-
rade nicht angenommen. Sie hat im Gegenteil festgestellt, dass für den Be-
stand der Population der Kreuzkröte nördlich der A 3 die Maßnahmen M 6 und
M 18 durchgeführt würden, und hierzu ausgeführt: „Hierdurch werden für die
Kreuzkröte geeignete Lebensräume geschaffen bzw. verbessert, so dass der
Erhaltungszustand der bestehenden Population nicht verschlechtert wird“ (UA
S. 296 juris Rn. 747).
Dass die Grundsatzfrage auch hinsichtlich anderer vorhabenbedingter Arten
entscheidungserheblich sein könnte, hat die Beschwerde nicht dargelegt.
78
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j) Für klärungsbedürftig hält die Beschwerde schließlich die Frage,
ob die Regelung des § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2007,
wonach „ein Verstoß gegen die lebensstättenbezo-
genen Verbote des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG
2007 und im Hinblick auf damit verbundene unver-
meidbare Beeinträchtigungen wild lebender Tiere
auch gegen die individuenbezogenen Verbote nach
§ 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2007 nicht vor(liegt),
soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff
oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder
Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiter-
hin erfüllt wird“,
mit Art. 12 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 FFH-RL bzw. Art. 5,
Art. 9 V-RL vereinbar ist, wenn sich aus der Anwendung
des § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2007 ergibt, dass das
deutsche Recht eine Verwirklichung von in Art. 12 Abs. 1
FFH-RL oder Art. 5 V-RL genannten Verbotstatbestände
per gesetzlicher Rückausnahme zulässt, ohne dass es
darauf ankommt, ob die Tatbestandsverwirklichung unter
allen einschlägigen Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1
FFH-RL bzw. Art. 9 V-RL einer Ausnahmegenehmigung
zugänglich wäre (Frage B.III.5.1),
und ob dies auch in Bezug auf die Erfüllung des Tötungs-
verbotstatbestandes des Art. 12 Abs. 1 FFH-RL, Art. 5
V-RL, § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2007 gilt (Frage
B.III.5.2).
Kurz gefasst geht es der Beschwerde um die Vereinbarkeit der mit der „Kleinen
Novelle“ zum Bundesnaturschutzgesetz eingeführten Rückausnahme zu den
lebensstättenbezogenen Verboten nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2007 mit
den Vorgaben der FFH-Richtlinie. Diese Fragen würden sich in einem durchzu-
führenden Revisionsverfahren nicht stellen.
Die Beschwerde weist selbst darauf hin, dass der Planfeststellungsbeschluss
zunächst hinsichtlich einer ganzen Reihe von Arten des Anhangs IV der FFH-
Richtlinie sowie von europäischen Vogelarten davon ausgeht, dass Verbotstat-
bestände im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2007 im Hinblick auf die
gesetzliche Rückausnahme des § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2007 nicht erfüllt
sind, diese Vorgehensweise dann aber in der Weise einschränkt, dass er
gleichwohl eine Verwirklichung des Verbotstatbestandes unterstellt und die Zu-
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lassung einer Ausnahme nach § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG 2007 für
erforderlich hält (Beschwerdebegründung S. 117). Daran anknüpfend hat der
Verwaltungsgerichtshof zwar die Auffassung vertreten, dass § 42 Abs. 5 Satz 2
BNatSchG 2007 entgegen der klägerischen Einschätzung mit Unionsrecht ver-
einbar sei. Er hat aber zugleich festgestellt, dass die Planfeststellungsbehörde
die Vorschrift des § 42 Abs. 5 BNatSchG 2007 ausdrücklich nicht zur Grundla-
ge ihrer weiteren Entscheidung gemacht hat (UA S. 268 f. juris Rn. 672). Die für
den Fall einer Verwirklichung von Verbotstatbeständen hinsichtlich der betrof-
fenen Arten vorgenommene Ausnahmezulassung halte einer Überprüfung am
Maßstab des § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG 2007 stand. Der Verwal-
tungsgerichtshof hat seine Entscheidung damit auch in diesem Punkt auf zwei
selbständig tragende Begründungen gestützt, so dass die Nichtzulassungsbe-
schwerde nur Erfolg haben kann, wenn für jede dieser Begründungen ein Zu-
lassungsgrund ordnungsgemäß dargelegt und gegeben ist. Daran fehlt es hier.
Zu der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Ausnahmezulassung
einer rechtlichen Überprüfung standhalte, ist ein Zulassungsgrund im Sinne des
§ 132 Abs. 2 VwGO nicht dargetan. Insoweit geht auch der Einwand, es sei
eine Vorlage dieser Fragen an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabent-
scheidung gemäß Art. 267 AEUV erforderlich, ins Leere.
2. Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass ein Verfahrensmangel vorliegt,
auf dem die vorinstanzliche Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO).
a) Soweit die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe die Ableh-
nung des Beweisantrags des Klägers vom 5. Juni 2009 zum Vorkommen des
prioritären Lebensraumtyps LRT*6230 im FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald nicht
ausreichend begründet und dadurch gegen § 86 Abs. 2 VwGO verstoßen (Ver-
fahrensrüge C.I), legt sie nicht ordnungsgemäß dar, dass das angegriffene Ur-
teil auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann.
Die Beschwerde macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Beweis-
antrag zwar durch einen in der mündlichen Verhandlung verkündeten und
mündlich begründeten Gerichtsbeschluss abgelehnt, der Inhalt der Begründung
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- 37 -
sei jedoch nicht protokolliert worden. Tatsächlich habe der Vorsitzende weniger
eine Begründung gegeben als vielmehr erklärt, trotz der im Bauablauf unmittel-
bar bevorstehenden Zerstörung des - aus Sicht des Klägers - als LRT*6230
einzustufenden Biotops keine Veranlassung zu sehen, eine Unterbrechung der
laufenden Bauarbeiten zu verfügen oder anderweitig herbeizuführen. Damit
fehle es an einer aktenkundigen Begründung des ablehnenden Gerichtsbe-
schlusses. Im Urteil würden zwar die am 19. Juni 2009 gestellten Beweisanträ-
ge wiederholt angesprochen, der am 5. Juni 2009 gestellte Beweisantrag werde
in der angegriffenen Entscheidung aber an keiner Stelle erwähnt. Da eine Be-
gründung für die Ablehnung somit sowohl im Sitzungsprotokoll als auch in den
Entscheidungsgründen fehle, verstoße das Urteil gegen § 86 Abs. 2 VwGO.
Das Urteil könne auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Schon im Hinblick auf
§ 138 Nr. 3 VwGO sei von einem Beruhenszusammenhang auszugehen. Aber
auch unabhängig davon bestehe die konkrete Möglichkeit eines Beruhenszu-
sammenhangs. Sie ergebe sich insbesondere aus der doppelten Begründung
des angegriffenen Urteils. Der Verwaltungsgerichtshof habe zunächst ausge-
führt, dass es auf das tatsächliche Vorkommen eines prioritären Lebensraum-
typs LRT*6230 nicht ankomme, weil dieser Lebensraumtyp nicht zum Erhal-
tungsziel des Gebiets erklärt worden und auch nicht ersichtlich sei, dass sich
seine Aufnahme in die Erhaltungsziele aus fachlichen Gründen aufgedrängt
hätte. Trotz dieses rechtlichen Ausgangspunkts habe der Verwaltungsgerichts-
hof dann aber die tatsächliche Feststellung getroffen, dass ein prioritärer Le-
bensraumtyp LRT*6230 nicht vorkomme. Ein Verfahrensfehler ist damit nicht
schlüssig geltend gemacht.
Zur schlüssigen Geltendmachung eines absoluten Revisionsgrundes im Sinne
des § 138 Nr. 3 VwGO gehört, dass innerhalb der Beschwerdefrist substantiiert
vorgetragen wird, welche - zur Klärung des geltend gemachten prozessualen
Anspruchs geeigneten - Ausführungen der Kläger bei ausreichender Gewäh-
rung des rechtlichen Gehörs noch gemacht oder welche weitere Beweiserhe-
bung er beantragt hätte (Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG
2 B 178.96 - juris Ls 3). Daran fehlt es hier. Die Beschwerde beschränkt sich
auf den - abstrakten - Hinweis, dass auch § 86 Abs. 2 VwGO einschließlich der
darin enthaltenen Begründungspflicht der Gewährleistung rechtlichen Gehörs
86
- 38 -
diene (Beschwerdebegründung S. 129). Inwiefern dem Kläger konkreter Vor-
trag oder die Möglichkeit weiterer Beweisantragstellung abgeschnitten worden
sei, legt die Beschwerde nicht dar.
Auch im Übrigen hat die Beschwerde nicht schlüssig dargetan, dass das ange-
griffene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Die Fra-
ge, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiell-
rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser
Standpunkt verfehlt sein sollte; nur dann kann nämlich die Entscheidung auf
dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen (Beschluss vom 23. Januar
1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 = NVwZ-RR 1996,
369). Nach der - mit Grundsatzrügen nicht erfolgreich angegriffenen - Rechts-
auffassung des Verwaltungsgerichtshofs war - wie bereits dargelegt - ein even-
tuell im FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald vorkommender Lebensraumtyp
LRT*6230 bereits aus Rechtsgründen vom Anwendungsbereich des Art. 6
Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL ausgeschlossen (UA S. 37 f. und 43 juris Rn. 100 und
109). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beweisantrag des Klägers deshalb
aus seiner Sicht konsequent als unerheblich abgelehnt. Die vom Verwaltungs-
gerichtshof gleichwohl geäußerte Überzeugung, „dass das FFH-Gebiet Kelster-
bacher Wald auch tatsächlich keinen prioritären Lebensraumtyp LRT*6230 ein-
schließt“ (UA S. 43 juris Rn. 110), war nach dem Rechtsstandpunkt des Verwal-
tungsgerichtshofs nicht tragend.
b) Die Beschwerde rügt ferner eine verfahrensfehlerhafte Ablehnung der im
Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19. und 23. Juni 2009 gestellten Be-
weisanträge (Verfahrensrüge C.II). Auch insoweit hat sie einen Verstoß gegen
§ 86 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG, auf dem das angegriffene Urteil
beruhen kann, nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO genügenden Weise dargetan.
Die Beschwerde räumt unter Bezugnahme auf die Sitzungsniederschrift (S. 47;
VGH-Akte Bd. XXIV Bl. 4154) ein, dass der Vorsitzende des Verwaltungsge-
richtshofs die Ablehnungsgründe stichwortartig erläutert und sodann zu jedem
einzelnen Beweisantrag den jeweiligen Ablehnungsgrund benannt hat. Sie ist
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aber der Auffassung, dass dies den Anforderungen des § 86 Abs. 2 VwGO
nicht entsprochen habe, u.a. weil nicht zum Ausdruck gekommen sei, welche
Rechtsauffassung der Ablehnung zugrunde gelegt worden sei und auf welche
Gutachten das Gericht seine Entscheidung stützen wolle (Beschwerdebegrün-
dung S. 134 ff.).
Damit überspannt die Beschwerde die Anforderungen an die Begründung eines
Gerichtsbeschlusses nach § 86 Abs. 2 VwGO. Soweit das Gericht die Erhe-
bung eines beantragten Beweises mangels Entscheidungserheblichkeit ab-
lehnt, muss es seine Rechtsauffassung in der mündlichen Verhandlung nicht im
Einzelnen darlegen; dies kann es vielmehr den schriftlichen Entscheidungs-
gründen vorbehalten (Beschluss vom 10. Juni 2003 - BVerwG 8 B 32.03 -
Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 57). Gleiches gilt, soweit es die Einholung
eines Sachverständigenbeweises ablehnt, weil es aufgrund der bereits vorlie-
genden Gutachten und fachkundigen Stellungnahmen hinreichend sachkundig
ist (Beschluss vom 4. November 2010 - BVerwG 9 B 85.09 - NVwZ-RR 2011,
126); auch insoweit kann es die Würdigung der Gutachten und Stellungnahmen
den schriftlichen Urteilsgründen vorbehalten. Etwas anderes gilt nur, soweit die
Beteiligten mit der Rechtsauffassung und der Würdigung der Gutachten nicht
zu rechnen brauchen (Beschluss vom 25. August 2004 - BVerwG 9 BN 2.04 -
Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 167 = NVwZ 2004, 1510). Dafür gibt es hier kei-
ne Anhaltspunkte.
Erst recht ist ein Mangel in der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung gemäß
§ 86 Abs. 1 VwGO oder eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht gemäß
§ 86 Abs. 3 VwGO nicht dargetan. Der Beschwerdevortrag enthält nichts dazu,
welche weitere Sachverhaltsermittlung sich der Vorinstanz hinsichtlich welcher
entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen hätte aufdrängen müs-
sen (vgl. hierzu Beschlüsse vom 27. Oktober 1999 - BVerwG 9 B 567.99 - juris
und vom 19. Februar 2007 - BVerwG 2 B 19.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1
VwGO Nr. 49). Sie legt auch nicht dar, mit welchem rechtlichen Gesichtspunkt,
auf den die Vorinstanz sein Urteil gestützt hat, auch ein gewissenhafter und
kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretba-
rer Rechtsauffassungen ohne richterlichen Hinweis nicht hätte zu rechnen
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brauchen (zu diesen Voraussetzungen Beschluss vom 12. Februar 1999
- BVerwG 3 B 169.98 - juris).
c) Die Beschwerde rügt schließlich einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2
VwGO (Verfahrensrüge C.III). Sie macht geltend, die im Zusammenhang mit
der Ablehnung der klägerischen Beweisanträge erhobene Verfahrensrüge set-
ze sich dahin fort, dass es der Verwaltungsgerichtshof im angegriffenen Urteil
rechtsfehlerhaft unterlassen habe, die Gründe anzugeben, die für die richterli-
che Überzeugungsbildung leitend gewesen seien. Das Urteil könne hierauf be-
ruhen. Auch mit diesem Vortrag zeigt die Beschwerde einen Verfahrensmangel,
der die Zulassung der Revision rechtfertigt, nicht auf.
aa) Die Beschwerde wendet sich gegen die Begründung des Verwaltungsge-
richtshofs, „aus den obigen Ausführungen“ ergebe sich, dass zu der Frage der
Bewertung der Beeinträchtigungen, denen die vorhandene Hirschkäferpopulati-
on im FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald ausgesetzt sei, „eine Vielzahl gutachter-
licher Stellungnahmen vorliegt, die dem Senat eine Entscheidung der strittigen
Fragen ermöglicht“ (UA S. 120 juris Rn. 283). Sie macht geltend, dass die je-
weiligen Beweisthemen den „obigen Ausführungen“ nicht zugeordnet werden
könnten; es sei nicht erkennbar, aufgrund welcher gutachterlicher Stellung-
nahmen der Verwaltungsgerichtshof die jeweiligen Beweisthemen gewürdigt
habe (Beschwerdebegründung S. 140). Insbesondere sei in Bezug auf Beweis-
thema C.12 nicht erkennbar, an welcher Stelle der Verwaltungsgerichtshof an-
hand von Gutachten beurteilt habe, ob der Erhaltungszustand der Hirschkäfer-
population im FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald vorhabenbedingt von der Wert-
stufe „sehr gut“ (A) auf „mittel-schlecht“ (C) im Sinne von Art. 1 der FFH-RL
verschlechtert werde.
Dass der Verwaltungsgerichtshof damit gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO ver-
stoßen haben könnte, ist dem Beschwerdevortrag nicht zu entnehmen. Der
Verwaltungsgerichtshof hat nicht jede einzelne Beweisbehauptung abgehan-
delt, sondern die Einwände des Klägers zu Themenkomplexen zusammenge-
fasst. So hat er sich unter den Überschriften „1.4.2.4.2 Habitateignung der In-
selflächen“ (UA S. 115 ff. juris Rn. 269 ff.) sowie „1.4.2.4.3 Habitateignung und
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Alter der Eichenbestände“ (UA S. 118 f. juris Rn. 277 ff.) mit etwaigen Ände-
rungen des Erhaltungszustands der Hirschkäferpopulation im Kelsterbacher
Wald und dem diesbezüglichen Beweisvorbringen auseinandergesetzt. Dass er
dabei entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen hätte, zeigt die Be-
schwerde nicht auf.
Auch ein Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO ist insoweit nicht dargetan. Warum
die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens geboten gewesen
sein soll, insbesondere, aufgrund welcher besonderen Umstände das diesbe-
zügliche tatrichterliche Ermessen (Beschlüsse vom 23. April 1996 - BVerwG
11 B 96.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 10
veröffentlicht> = NVwZ 1996, 1010 und vom 12. Juni 1997 - BVerwG
11 B 13.97 - juris) vorliegend hätte eingeschränkt sein können, legt die Be-
schwerde nicht dar.
bb) Als Beispiel für die behaupteten Verfahrensverstöße führt die Beschwerde
die Begründung an, mit der der Verwaltungsgerichtshof den klägerischen Be-
weisantrag D.II.1 abgelehnt hat (Beschwerdebegründung S. 140 f.). Sie be-
hauptet, der Verwaltungsgerichtshof verhalte sich nicht zu der damit unter Be-
weis gestellten Tatsache, dass die Anwendung von flächenbezogenen Schwel-
lenwerten für den Eintrag von Schadstoffen („Critical Loads“) das nach dem
gegenwärtigen Stand der Wissenschaft beste verfügbare Instrument zur Fest-
stellung der Schwellenwerte für schadstoffbedingte Veränderung des Zustands
eines Ökosystems sei; ein Gutachten, welches diese Frage beantworten könnte
bzw. auf welches sich das Gericht beziehe, werde nicht benannt. Unter der
Überschrift „1.4.2.3.2 Critical loads“ enthalte das Urteil zwar Ausführungen,
weshalb die Planfeststellungsbehörde nicht gehalten gewesen sei, ihre Risiko-
betrachtung nach dem Konzept der Critical Loads vorzunehmen. Damit habe
das Gericht jedoch die unter Beweis gestellte Frage nicht unter Heranziehung
von Gutachten gewürdigt. Sollte das Gericht zu der Überzeugung gelangt sein,
dass der Beweisantrag unerheblich gewesen sei, wäre die Ablehnung jeden-
falls fehlerhaft begründet (Beschwerdebegründung S. 141).
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Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass die Frage, ob das vorinstanzliche
Verfahren an einem Mangel leidet, vom materiellrechtlichen Standpunkt der
Vorinstanz aus zu beurteilen ist, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein
sollte (Beschluss vom 23. Januar 1996 a.a.O.). Die Beschwerde zieht selbst in
Erwägung, dass das Konzept der Critical Loads vom Rechtsstandpunkt des
Verwaltungsgerichtshofs aus betrachtet nicht entscheidungserheblich und der
Beweisantrag deshalb unerheblich war, meint aber, dass der Beweisantrag
dann mit einer lediglich fehlerhaften Begründung abgelehnt worden sei. Ein
Verstoß gegen die in § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO normierte Verpflichtung der
Gerichte, die Begründung für die Zurückweisung von Beweisanträgen in den
Entscheidungsgründen darzulegen, soweit dies nicht bereits durch Aufnahme in
die Sitzungsniederschrift geschehen ist (Beschluss vom 10. Juni 2003 a.a.O.),
ist damit von vornherein nicht dargetan.
cc) Gleiches gilt, soweit die Beschwerde schließlich behauptet, für den Kläger
sei nicht erkennbar, in welchem Kapitel unter Zugrundelegung welcher Gutach-
ten seine mit Beweisantrag D.II.2 unter Beweis gestellte Behauptung gewürdigt
worden sei (Beschwerdebegründung S. 142).
Mit diesem Beweisantrag hat der Kläger seine Behauptung, dass Critical-Load-
Ansätze unter Einbeziehung von Stoffbilanzen und biogeochemischer Modelle
unmittelbar in den betroffenen Flächen für eine Risikoabschätzung unverzicht-
bar seien, unter Beweis gestellt. Auch insoweit räumt die Beschwerde (Be-
schwerdebegründung S. 142) ein, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in dem
Kapitel „1.4.2.3.2 Critical loads“ (UA S. 78 ff. juris Rn. 192 ff.) mit dem Thema
auseinandergesetzt und hierbei zum Ausdruck gebracht habe, dass eine wei-
tergehende Untersuchung der in den FFH-Gebieten geschützten Arten nicht
notwendig gewesen sei. Gleichwohl beanstandet sie, dass sich das Gericht mit
dem Beweisthema nicht auseinandergesetzt habe: Den Beweisantrag mit der
pauschalen Begründung abzulehnen, dass Gutachten vorlägen und im Übrigen
nicht ersichtlich sei, welcher zusätzliche Erkenntnisgewinn sich hätte erzielen
lassen, sei aufgrund der mangelnden Angaben des Gerichts, wie es zu seiner
Auffassung gelangt sei, nicht möglich (Beschwerdebegründung S. 142).
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Auch damit verfehlt die Beschwerde die Substantiierungsanforderungen. Abge-
sehen davon findet auch die Behauptung der Beschwerde, das Gericht habe
die unter Beweis gestellte Frage nicht unter Heranziehung von Gutachten ge-
würdigt, im angegriffenen Urteil keine Stütze (UA S. 79 f. juris Rn. 195).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Philipp
Petz
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