Urteil des BVerwG vom 28.08.2003

Abgrenzung, Rüge, Grundstück

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 74.03
OVG 7 A 3557/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und G a t z
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision
in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 4. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren
auf 40 903,35 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem
Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision wegen der behaupteten grund-
sätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder wegen einer Abweichung von höchstrichterli-
chen Entscheidungen zuzulassen ist.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Einheitlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit
einer Bebauung ohne ein zusätzliches bauliches (Straße, Bahndamm) oder topografisches
Element die nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB eingrenzen bzw. den Bebauungs-
zusammenhang innerhalb eines Straßengevierts in eigenständige Abschnitte unterteilen
kann, rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Sie lässt sich in bejahendem
Sinne beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. In der
Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass bei der Bestimmung der "näheren Umgebung"
darauf abzustellen ist, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die Umgebung
und andererseits die Umgebung auf das Baugrundstück prägend auswirken kann (vgl.
grundlegend Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <380>). Die
Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern
sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Be-
bauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,
BauGB, § 34 Rn. 36, Hofherr in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 34 Rn. 8 mit
Nachw. aus der Rspr.). Diese kann - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat -
so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu
ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander ver-
schiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. Der Grenzverlauf der näheren
Umgebung ist nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künst-
liche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.)
entkoppelt ist. Eine solche Linie hat bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur nicht
stets eine trennende Funktion (BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1991 - BVerwG 4 B 88.91 -
Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 143). Umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass
benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die
nähere Umgebung ausmachen. Mehr ist verallgemeinernd nicht zu sagen. Ob das Beru-
fungsgericht die nähere Umgebung des Baugrundstücks der Klägerin zu Recht an der ge-
dachten Linie zwischen dem Baukomplex Wilhelmshöh 30 - 34 und den Gebäuden Provinzi-
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alstraße 46 bzw. 48 hat enden lassen, ist eine Frage der Sachverhaltsermittlung und
Rechtsanwendung im Einzelfall.
Die hilfsweise erhobene Rüge, die angefochtene Entscheidung weiche von den Beschlüssen
des Senats vom 10. Juni 1991 (a.a.O.) und 29. April 1997 - BVerwG 4 B 67.97 - (BRS 59
Nr. 80) ab, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Der Tatbestand der Divergenz
liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre
Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt (vgl. BVerwG, Be-
schluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). Das ist hier
nicht der Fall. Die von der Beschwerde in Bezug genommenen Beschlüsse enthalten weder
ausdrücklich noch sinngemäß einen Rechtssatz des Inhalts, dass die Einheitlichkeit bzw.
Unterschiedlichkeit einer Bebauung die nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB nur in
Verbindung mit einem baulichen oder topografischen Element eingrenzen kann. Die Aussa-
ge, eine unterschiedliche Bebauung diesseits und jenseits einer Straße könne für die Ab-
grenzung der näheren Umgebung eine Rolle spielen, enthält nicht den im Wege eines Um-
kehrschlusses ableitbaren Rechtssatz, ohne Straße oder einen vergleichbaren Trennstreifen
lasse sich die nähere Umgebung nicht anhand einer unterschiedlichen Bebauung ermitteln.
Die Beschwerde sieht das, wie die Formulierung ihrer Grundsatzfrage zeigt, letztlich nicht
anders.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf
§ 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Paetow
Halama
Gatz