Urteil des BVerwG vom 21.07.2010

Widerspruchsverfahren, Rücknahme, Pufferzone, Windenergieanlage

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 73.09
OVG 2 L 302/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Juli 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerden des Beklagten und der Beigeladenen
zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die
mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2009 ergangenen Ur-
teil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-
Anhalt werden zurückgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 2 tragen die Kosten
des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außerge-
richtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 80 000 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
Die Beschwerden des Beklagten und der Beigeladenen zu 2 bleiben ohne Er-
folg.
1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage als zulässig angesehen. Hierzu
wirft der Beklagte die Frage auf,
ob ein einmal zurückgenommener Antrag wieder aufleben
kann, wenn wie hier - die neue Widerspruchsbehörde (das
Landesverwaltungsamt und dort andere Bearbeiter) - irr-
tümlich übersieht, dass der im Widerspruchsverfahren
verfolgte Antrag bereits zurückgenommen war und in Ver-
kennung dieses Umstandes einen Widerspruchsbescheid
erlässt, wo ein neuer Ausgangsbescheid - auf einen ge-
stellten neuen Antrag - hätte ergehen müssen. Damit ein-
her geht die, offenbar vom Senat bejahte, Frage, ob der
maßgebliche Empfängerhorizont - unter dem Mantel der
„Antragsänderung“ einfach ausgetauscht werden kann,
d. h. derjenige der ehem. Behörde durch den der Nachfol-
gebehörde.
Die Beigeladene zu 2 formuliert unter Bezugnahme auf das Vorbringen des
Beklagten die Frage,
ob ein einmal zurückgenommener Antrag wieder aufleben
kann, wenn die neue Widerspruchsbehörde irrtümlich
übersieht, dass der im Widerspruchsverfahren verfolgte
Antrag bereits zurückgenommen war und in Verkennung
dieses Umstandes einen Widerspruchsbescheid erlässt,
wo ein neuer Ausgangsbescheid - auf einen gestellten
neuen Antrag - hätte ergehen müssen.
Die Grundsatzrügen bleiben ohne Erfolg; sie beruhen zum größten Teil auf
Prämissen, die das Oberverwaltungsgericht nicht zugrunde gelegt hat und ge-
nügen im Übrigen - soweit sie überhaupt verallgemeinerungsfähig sind - nicht
den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Fragen beziehen sich auf den Umstand, dass die Klägerin im Lauf des Wi-
derspruchsverfahrens einen überarbeiteten Plan eingereicht hat, nach dem der
Standort der hier streitigen Windkraftanlage Nr. 5 verschoben werden sollte und
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um Erteilung einer Nachgenehmigung bat, kurze Zeit später, mit Schreiben vom
20. November 2003, aber erklärt hat, dass sie - nach der Ablehnung der
Verschiebung durch den Grundstückseigentümer - doch eine Genehmigung für
die Anlage am ursprünglich vorgesehenen Standort wünsche (UA S. 8). Das
Oberverwaltungsgericht merkt dazu an, dass in der Bitte um Erteilung einer
Nachgenehmigung eine Rücknahme des ursprünglichen Antrags, verbunden
mit einem neuen Antrag gelegen haben mag.
Anders als die Beschwerden annehmen, geht das Oberverwaltungsgericht je-
doch nicht davon aus, dass sich das Widerspruchsverfahren durch Rücknahme
erledigt und der Beklagte daher „irrtümlich“ einen Widerspruchsbescheid erlas-
sen habe, sondern es legt das Schreiben vom 20. November 2003 als zulässige
Antragsänderung aus, über den der Beklagte im Widerspruchsbescheid in der
Sache entschieden habe. Insofern erweist sich bereits die Frage des Beklagten
und der Beigeladenen zu 2 „ob ein einmal zurückgenommener Antrag wieder
aufleben kann“ als nicht entscheidungserheblich. Der Zusatz des Beklagten, „ob
der maßgebliche Empfängerhorizont - unter dem Mantel der ,Antragsänderung’
einfach ausgetauscht werden kann“, macht deutlich, dass er letztlich nur die
Auslegung durch das Gericht angreift, weil er das Auslegungsergebnis für
verfehlt hält. Die Auslegung einer gegenüber der Behörde abgegebenen
Erklärung hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab; ihr kommt eine
fallübergreifende, grundsätzliche Bedeutung nicht zu (vgl. auch Beschluss vom
30. Mai 2000 - BVerwG 11 B 18.00 - juris Rn. 5 zur Auslegung eines
Verwaltungsakts). Die Feststellung, welchen Inhalt das Schreiben vom
20. November 2003 hat, ist ebenso wie die Feststellung des konkreten Inhalts
einer behördlichen Erklärung Tatsachenfeststellung und deshalb im Revisions-
verfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO nur eingeschränkt überprüfbar (Urteil
vom 5. November 2009 - BVerwG 4 C 3.09 - NVwZ 2010, 133 - juris Rn. 18).
Die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus einer im Widerspruchsverfahren er-
klärten Antragsänderung für den Fortgang des Verfahrens ergeben, betrifft zwar
eine Rechtsfrage. Insoweit fehlt es jedoch an der Darlegung des Klä-
rungsbedarfs. Der Beklagte, auf dessen Begründung die Beigeladene zu 2
verweist, beschränkt sich auf den Einwand, das vom Oberverwaltungsgericht
herangezogene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
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21. März 1973 (VI 88/72 - FEVS 22, 154) passe nicht auf den vorliegenden Fall.
Es habe „ein neuer Ausgangsbescheid - auf einen gestellten neuen Antrag - …
ergehen müssen“, weil in der Rücknahme des ursprünglichen Antrags auch
konkludent die Rücknahme des Widerspruchs liege. Damit wiederholt der Be-
klagte nur seine Kritik an der Auslegung des Schreibens seitens des Oberver-
waltungsgerichts. Zu dem Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, eine sol-
che Antragsänderung sei im Widerspruchsverfahren jedenfalls dann zulässig,
wenn die im Verwaltungsverfahren außer dem Antragsteller allein beteiligte,
sowohl für den ursprünglichen wie auch für den Widerspruchsbescheid zustän-
dige Behörde in die Antragsänderung schlüssig einwillige, verhält er sich nur
insoweit als er vorträgt, das nach der Verwaltungsreform als „neue“ Wider-
spruchsbehörde zuständige Landesverwaltungsamt habe irrtümlich übersehen,
dass der im Widerspruchsverfahren verfolgte Antrag bereits zurückgenommen
worden sei. Mit der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, für die Zulässig-
keit der Klage genüge es, dass die Widerspruchsbehörde in der Sache ent-
schieden habe, weil - so wird man ergänzen müssen - das Verfahren mit dem
geänderten Antrag weitergeführt werde und nicht, wie bei einem Neuantrag neu
beginnen müsse, setzen sich der Beklagte und die Beigeladene zu 2 nicht aus-
einander. Dass das Landesverwaltungsamt in Funktionsnachfolge des Regie-
rungspräsidiums im Widerspruchsbescheid vom 5. November 2004 über die
noch streitige Anlage Nr. 5 am ursprünglich vorgesehenen Standort in der Sa-
che entschieden hat, stellt der Beklagte nicht in Abrede. Die persönlichen Be-
weggründe der maßgeblichen Bediensteten für den Erlass des Widerspruchs-
bescheids sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Soweit der Beklag-
te geltend macht, die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts gingen „an
wichtigen Tatsachen vorbei“, weil Ausgangs- und Widerspruchsbehörde zu kei-
ner Zeit parallel existiert hätten, ist nicht zu erkennen, ob insoweit eine Verfah-
rensrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erhoben werden soll. Jedenfalls wä-
re eine solche Rüge - ungeachtet der Darlegungsanforderungen - unbegründet:
Im Tatbestand wird das Regierungspräsidium als Ausgangsbehörde genannt
(UA S. 3) und in den Entscheidungsgründen heißt es, der Beklagte, also das
Landesverwaltungsamt habe „im Widerspruchsbescheid vom 5. November
2004 … in der Sache entschieden“.
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2. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung geht das Oberverwaltungsgericht ferner
im Anschluss an den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni
1999 - BVerwG 7 B 332.98 - (juris) davon aus, ein Gericht sei, wenn der Be-
hörde ein Ermessensspielraum oder eine Beurteilungsermächtigung nicht zu-
stehe, grundsätzlich verpflichtet, die Sache in vollem Umfang selbst spruchreif
zu machen. Diese Pflicht bestehe nur in besonders gelagerten Fällen nicht, et-
wa wenn nach einem steckengebliebenen Genehmigungsverfahren komplexe
technische Sachverhalte zu beurteilen seien; in solchen Ausnahmefällen sei es
nicht Aufgabe der Gerichte, diese in allen Einzelheiten durchzuprüfen (unter
Verweis auf das Urteil vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 52.87 - ZfBR 1989,
225 = Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 36). Der vorliegende Fall habe keinen
solchen Ausnahmecharakter.
Hierzu erhebt der Beklagte die Divergenzrüge. Er meint, die vom Oberverwal-
tungsgericht herangezogene Rechtsprechung passe nicht auf den vorliegenden
Fall. Er begründet dies mit umfangreichen tatsächlichen Ausführungen (Be-
schwerdebegründung S. 7 - 10 sowie Schriftsatz vom 14. Oktober 2009). Damit
wird eine Divergenzrüge jedoch nicht schlüssig erhoben. Denn der Beklagte legt
nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht einen von der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz aufgestellt hätte,
sondern rügt lediglich die Anwendung des Rechtssatzes im Einzelfall. Dies kann
einer Divergenzrüge jedoch nicht zum Erfolg verhelfen.
3. Im Rahmen der Prüfung, ob dem Vorhaben des Klägers der Regionale Ent-
wicklungsplan der Beigeladenen zu 2 entgegensteht (UA. S. 10 - 17), verneint
das Oberverwaltungsgericht die Frage, ob dieser Plan bereits in seiner Fassung
vom 7. Oktober 2005 wirksam sei - so dass es des ergänzenden Verfahrens im
Jahr 2009 nicht bedurft hätte - (UA S. 12 - 15). Insoweit nimmt das Gericht ein
Abwägungsdefizit an (UA S. 14).
Hierzu stellt die Beschwerde des Beklagten die Frage, wie mit dem 5 km-Radi-
us umzugehen sei. Dem schließt sich die Beschwerde der Beigeladenen zu 2
mit der nicht näher erläuterten Fragestellung an, welche Bedeutung das Kriteri-
um der 5 km-Pufferzone um ausgewiesene Windkraftstandorte habe. Damit
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wird weder eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen noch
den Darlegungen an eine Grundsatzrüge genügt. Ob eine Regionalplanung eine
Pufferzone der genannten Größenordnung bilden darf, ist nach den rechtlichen
Kriterien des Abwägungsgebots zu überprüfen (vgl. zu Windenergieanlagen das
Urteil des Senats vom 24. Januar 2008 - BVerwG 4 CN 2.07 - Buchholz 406.11
§ 35 BauGB Nr. 376 = BRS 73 Nr. 94). Wenn ein Planungsträger sich von
vornherein der Abwägung entzieht, ist ihm ein Abwägungsfehler vorzuhalten.
Selbst wenn dasselbe Oberverwaltungsgericht in anderen Fällen zu einer im
Ergebnis anderen Würdigung von Pufferzonen gelangt sein sollte - der Vortrag
der Beschwerde der Beklagten (Beschwerdebegründung S. 4) deutet dies an -
läge darin weder eine - wie der Beklagte gleichsam „alternativ“ rügt - Divergenz
noch ein Verstoß gegen Denkgesetze.
4. Ferner kommt das Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, das ergänzen-
de Verfahren führe nicht zur Wirksamkeit des Regionalen Entwicklungsplans
der Beigeladenen zu 2, da es an der - nach dem Überleitungsrecht in § 23
Abs. 3 Satz 2 ROG 1998 erforderlichen - Durchführung einer Umweltprüfung
sowie der Erstellung eines Umweltberichts gefehlt habe. Den Einwand der Bei-
geladenen zu 2, der Sache nach liege ein Umweltbericht vor, weist es zurück
(UA S. 15).
Der Beklagte und die Beigeladene zu 2 verweisen auf die Urteile des Senats
vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - (BVerwGE 100, 238) sowie vom
18. November 2004 - BVerwG 4 CN 11.03 - (BVerwGE 122, 207). Die Beklagte
wirft hierzu die Frage auf,
ob es bei dieser Rechtsprechung bleibt, zumal § 12 Abs. 4
Nr. 1 ROG weitgehende Heilungsmöglichkeiten enthält,
die auf das Planergänzungsverfahren auch noch Anwen-
dung finden können.
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Die Beigeladene zu 2 hält die Frage für klärungsbedürftig,
ob ein Regionaler Raumordnungsplan, der einer Pflicht
zur Umweltprüfung unterliegt, bereits bei dem Fehlen ei-
nes so bezeichneten Umweltberichts unwirksam ist oder
eine Unwirksamkeit nur gegeben ist, wenn die Umweltprü-
fung selbst in wesentlichen Teilen unvollständig ist,
ob der (neue) Wortlaut des § 12 ROG eine Änderung die-
ser [durch die genannten Senatsentscheidungen gepräg-
ten] Rechtslage gebracht und damit die bisherige Recht-
sprechung geändert hat,
und ob sich die bisherige Rechtsprechung im Hinblick auf
die Änderungen in § 214 Abs. 1 BauGB 2004 und § 12
ROG 2008 noch aufrechterhalten lässt oder das Kausali-
tätserfordernis des Fehlers im Gegensatz zur Rechtspre-
chung keine Rolle mehr spielt.
Mit diesen Fragen wird kein Grund für die Zulassung der Revision aufgezeigt.
Die Fragestellung, „ob es bei dieser Rechtsprechung bleibt“ bzw. ob sich „die
bisherige Rechtsprechung noch aufrechterhalten lässt“, wäre im vorliegenden
Revisionsverfahren der rechtsgrundsätzlichen Klärung weder fähig noch bedürf-
tig. Die von den Beschwerden angeführten Entscheidungen des Bundesverwal-
tungsgerichts beziehen sich auf eine im vorliegenden Verfahren nicht heranzu-
ziehende Gesetzeslage und betreffen überdies den Abwägungsvorgang. Dem-
gegenüber stützt das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung hinsichtlich
der Anforderungen an die Umweltprüfung auf § 7 Abs. 8 Sätze 2 und 3 ROG
1998 sowie hinsichtlich der Heilung von Verfahrensfehlern auf die bundesrah-
menrechtliche Ermächtigung in § 10 Abs. 2 Nr. 1 ROG 1998 in Verbindung mit
der - nicht revisibles Landesrecht darstellenden - Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 2
LPlG LSA. § 12 ROG 2008 sieht das Oberverwaltungsgericht nicht als anwend-
bar an (UA S. 17); hierzu erheben die Beschwerden keine Rügen. Soweit der
Beklagte geltend macht, § 28 Abs. 1 Satz 2 ROG 2008 enthalte eine Wahlmög-
lichkeit und die Beigeladene zu 2 wolle auch nach „neuem“ Recht vorgehen,
scheint er zu übersehen, dass diese Vorschrift keine Aussage zur Anwendbar-
keit der Planerhaltungsvorschrift des § 12 ROG 2008 enthält. Zu der vom Ober-
verwaltungsgericht zugrunde gelegten Vorschrift des § 28 Abs. 2 ROG 2008,
den Ausführungen zu § 12 Abs. 4 Nr. 2 ROG 2008 und der Feststellung, dass
der dort in Bezug genommene § 9 Abs. 2 ROG 2008 im vorliegenden Fall nicht
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anwendbar ist (UA S. 17), verhalten sich die Beschwerden nicht. Soweit die
Beigeladene zu 2 darauf abhebt, nur eine unvollständige Erfassung der Um-
weltbelange in den wesentlichen Punkten könne beachtlich sein, nicht jedoch
lediglich die Nichtbezeichnung der Begründungsteile formal als „Umweltbericht“,
geht diese allgemein gehaltene, aber ersichtlich auf den vorliegenden Fall
zugeschnittene Erläuterung jedenfalls an den Feststellungen des Oberver-
waltungsgericht vorbei: Das Oberverwaltungsgericht hat den Einwand der Bei-
geladenen zu 2, der Sache nach liege ein Umweltbericht vor, da vor allem die
Naturschutzbelange einschließlich der FFH-Belange im Aufstellungsverfahren
ermittelt und in das Planverfahren auch im Rahmen der Öffentlichkeits- und
Behördenbeteiligung eingebracht worden seien, mit der Begründung verworfen,
ein Umweltbericht umfasse mehr als nur die Naturschutzbelange (UA S. 15). Im
Übrigen spielt das Kausalitätserfordernis in der gesetzlichen Regelung durch-
aus noch eine Rolle; die Einzelheiten ergeben sich aus der gesetzlichen Rege-
lung, auf die die Beschwerden jedoch nicht näher eingehen.
5. Die Divergenzrüge, mit der der Beklagte eine Abweichung von den in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen zur
Teil-Unwirksamkeit von Plänen geltend macht, genügt ebenfalls nicht den Dar-
legungsanforderungen. Denn die Beschwerde legt nicht dar, dass das Ober-
verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen tragenden Rechtsgrundsatz
zugrunde gelegt hätte, der dieser Rechtsprechung entgegensteht. Der Einwand,
die Errichtung der Windenergieanlage verstoße gegen den - von der
Unwirksamkeitsfolge nicht erfassten - festgelegten Vorrang für die Landwirt-
schaft, erschöpft sich in der Kritik, das Oberverwaltungsgericht habe einen - aus
Sicht der Beschwerde - entscheidungserheblichen Gesichtspunkt übersehen.
Hierzu wird zwar auch eine Verfahrensrüge erhoben (Beschwerdebegründung
S. 10), die jedoch nicht ansatzweise den Darlegungserfordernissen genügt.
6. Die Aufklärungsrüge des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der geltend gemachte
Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO be-
zeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als
auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich
der von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmängel hätte dement-
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sprechend substantiiert dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsäch-
lichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und
erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen
wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebe-
nen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und aus
welchen Gründen diese tatsächlichen Feststellungen auf der allein maßgebli-
chen Grundlage der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zu einem
für den Beklagten günstigeren Ergebnis geführt hätten (Beschluss vom
19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO
Nr. 26 = NJW 1997, 3328).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Soweit das Ober-
verwaltungsgericht schädliche Umwelteinwirkungen verneint, geht die Be-
schwerde nicht darauf ein, dass das Oberverwaltungsgericht die verwaltungsin-
ternen Beurteilungsrichtlinien als nicht verwertungsfähig angesehen hat, weil
ihnen keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt (UA S. 19). Sie setzt sich auch
nicht mit den Konsequenzen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsge-
richts auseinander, wonach einer Genehmigung erforderlichenfalls eine Auflage
des Inhalts beigefügt werden könne, dass die Windenergieanlage nachts nicht
betrieben werden dürfe.
Auch hinsichtlich der Belange des Artenschutzes lässt die Beschwerde die Dar-
legung vermissen, aus welchen Gründen das Oberverwaltungsgericht auf der
Grundlage der von ihm eingehend dargestellten Rechtslage (insbesondere UA
S. 20 f. sowie S. 23) und trotz seiner ausführlichen Behandlung des tatsächli-
chen Streitstoffs (UA S. 21 - 24) nach weiterer Beweiserhebung zu einem ande-
ren Ergebnis gelangt wäre. Insbesondere hätte sich die Beschwerde näher da-
mit auseinandersetzen müssen, dass sich in einer Entfernung von etwa 350 m
bis 1 500 m weitere 18 Windenergieanlagen befinden und das Oberverwal-
tungsgericht die in dem diese Windenergieanlagen betreffenden Genehmi-
gungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse als im vorliegenden Verfahren ver-
wertbar angesehen hat.
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Davon abgesehen legt die Beschwerde auch nicht dar, dass bereits im Verfah-
ren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung
oder in einem nachgelassenen Schriftsatz, entweder auf die Vornahme der
Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt
worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch oh-
ne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die
Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbetei-
ligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Be-
weisanträgen, zu kompensieren (stRspr).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2
VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizu-
tragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3
VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Jannasch
Dr. Bumke
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