Urteil des BVerwG vom 30.01.2006

Scheidung, Überschreitung, Versiegelung, Form

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 73.05
OVG 7 A 2424/04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Januar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G a t z und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
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Die Beschwerden der Klägerin und des Beklagten gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Ober-
verwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
19. August 2005 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin
zwei Drittel und der Beklagte ein Drittel.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 78 525 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte
Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Sie wird auf dieselben Gründe gestützt, die die Klägerin im Normenkontrollverfahren
BVerwG 4 BN 55.05 geltend macht. Auf den in diesem Verfahren ergangenen Be-
schluss wird verwiesen.
II.
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO ge-
stützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt e-
benfalls ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formu-
lierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisions-
entscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die An-
gabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
bestehen soll (stRspr).
1.1 Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob die Unterschreitung der Ver-
kaufsfläche von 700 m² um nur zwei Quadratmeter dazu führt, dass ein Betrieb nicht
als großflächig im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO anzusehen ist. Diese Frage bedarf
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jedoch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Das Oberverwaltungsgericht hat
sich zur Begründung seiner Entscheidung, wonach der Betrieb mit einer
Verkaufsfläche von 698 m² nicht als großflächig in diesem Sinne einzustufen ist, auf
den Beschluss des Senats vom 22. Juli 2004 - BVerwG 4 B 29.04 - (Buchholz 406.12
§ 11 BauNVO Nr. 28) gestützt. In der Zwischenzeit hat der Senat mit Urteil vom
24. November 2005 - BVerwG 4 C 10.04 - entschieden, dass Einzelhandelsbetriebe
großflächig im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO sind, wenn sie eine
Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten. Damit besteht für einen Fall der vorlie-
genden Art kein weiterer Klärungsbedarf.
1.2 Die Beschwerde wirft weiterhin die Frage auf, ob ein transparentes
Dach über den Zapfanlagen einer Tankstelle im Geltungsbereich des § 34 Abs. 1
BauGB als prägendes Vorbild für die Errichtung eines massiven Gebäudes mit ge-
schlossenen Seitenwänden und etwa gleichen Seitenabmessungen anzusehen ist. In
dieser Form würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren indes nicht stellen.
Denn das Berufungsgericht hat nicht allein auf den überdachten und zum Tanken
bestimmten Bereich abgestellt, sondern ausgeführt, dieser könne bei der Würdigung
unter dem Gesichtspunkt der Grundfläche nicht vernachlässigt werden. Im Übrigen
hat der Senat bereits entschieden, dass durch die Festsetzung von Grundflächen der
Boden insbesondere vor Versiegelung geschützt werden soll (Urteil vom 21. Oktober
2004 - BVerwG 4 C 3.04 - BVerwGE 122, 117 <124>). Außerdem bezieht § 19
Abs. 4 BauNVO in die Berechnung der Grundfläche selbst Garagen und Stellplätze
ein, wobei allerdings eine Überschreitung der Maßzahl bis zu 50 % möglich ist. Vor
diesem Hintergrund liegt es nicht fern, in die Würdigung nach § 34 Abs. 1 BauGB, die
sich ohnehin nicht allein an den Maßzahlen der Baunutzungsverordnung zu ori-
entieren hat, auch die überdachten Bereiche der Zapfsäulen einer Tankstelle einzu-
beziehen. Darüber hinaus lässt sich eine weitere Klärung, welche vorhandenen bau-
lichen Anlagen eine prägende Wirkung auslösen, nicht ohne Berücksichtigung der
Besonderheiten des Einzelfalls herbeiführen.
2. Auch die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Eine die Revision eröff-
nende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor,
wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem sei-
ne Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Ent-
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scheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz
abgewichen wäre (stRspr). Wie bereits oben (1.1) ausgeführt, ist das Berufungsge-
richt nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Großflächig-
keit von Einzelhandelsbetrieben abgewichen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5
Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Vorausset-
zungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 VwGO,
die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Gatz Dr. Jannasch