Urteil des BVerwG vom 07.04.2006

Mangel des Verfahrens, Rüge, Willkür, Unterlassen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 70.05
OVG 20 D 113/03.AK
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. April 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Halama, Gatz und
Dr. Jannasch
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Juli 2005 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerde-
verfahren auf 50 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätz-
licher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulie-
rung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisi-
onsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem
die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung bestehen soll (stRspr).
Die Beschwerde verweist zwar auf das Urteil des Senats vom 24. Juni 2004
- BVerwG 4 C 11.03 - (BVerwGE 121, 152), gibt einige Leitsätze dieser Ent-
scheidung wieder, referiert in sehr verkürzter Form aus den Gründen der ange-
fochtenen Entscheidung und wirft die Frage auf, ob das Urteil des Bundesver-
waltungsgerichts zu "einer solchen These" führen dürfe. Damit wird indes keine
Frage formuliert und erläutert, die die oben genannten Voraussetzungen erfüllt.
Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass sich Fragen im Zusammenhang mit unzu-
mutbarem Fluglärm im Sinne von § 29b Abs. 2 LuftVG in einem Revisionsver-
fahren der Klägerin überhaupt stellen würden, deren Gebiet nach den Feststel-
lungen des Oberverwaltungsgerichts von einer derartigen Belastung nicht be-
troffen ist.
2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
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2.1 Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht sei nicht vorschriftsgemäß besetzt
gewesen, da der Befangenheitsantrag hinsichtlich des Vorsitzenden Richters
willkürlich abgelehnt worden sei, bleibt ohne Erfolg.
Die Ablehnung des Befangenheitsantrags durch das Oberverwaltungsgericht
stellt eine unanfechtbare Vorentscheidung (§ 146 Abs. 2 VwGO) dar, die ge-
mäß § 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO nicht der Beurteilung des Revisi-
onsgerichts unterliegt, so dass die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags
grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO geltend gemacht werden kann. Die Rüge der unrichtigen Ablehnung ei-
nes Befangenheitsantrags ist deshalb nur ausnahmsweise in dem Maße be-
achtlich, als mit ihr die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG, § 138 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird (vgl. Beschluss
vom 21. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 66.04 - Buchholz 310 § 54 VwGO
Nr. 65). Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn die Ablehnungsentscheidung
auf Willkür oder einem vergleichbar schweren Mangel des Verfahrens beruht,
der in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Ge-
richts rechtfertigt. Hierfür ist nichts ersichtlich.
Das Oberverwaltungsgericht hat sich in seinem Beschluss vom 13. Juli 2005
sehr eingehend mit der Anzeige des Vorsitzenden Richters vom 11. Juli 2005,
dem Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 12. Juli 2005 und dem vorhandenen
Kartenmaterial auseinander gesetzt und das Gesuch der Klägerin abgelehnt.
Dabei geht es unter anderem davon aus, dass das Grundstück des Richters
außerhalb des maßgeblichen Streubereichs der Nordroute liegt. Diese Ent-
scheidung beruht auf sachlichen und nachvollziehbaren Gesichtspunkten und
lässt keine Anhaltspunkte für Willkür, also eine grobe Missachtung oder grobe
Fehlanwendung der gesetzlichen Vorschriften (zum Maßstab vgl. z.B. BVerfG,
Kammerbeschluss vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01 - NJW 2005, 3410 m.w.N.)
erkennen.
2.2 Auch die Aufklärungsrüge bleibt ohne Erfolg. Der insoweit geltend gemach-
te Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO be-
zeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als
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auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich
des von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmangels hätte dement-
sprechend substantiiert dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsäch-
lichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und
erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen
wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterblie-
benen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiter-
hin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsa-
chengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die
Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt
wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermitt-
lungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müs-
sen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines
Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der
Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (stRspr). Die Beschwerde setzt
jedoch lediglich der Beurteilung durch das Oberverwaltungsgericht ihre eigene
Würdigung entgegen.
Soweit die Beschwerde die Berücksichtigung des nach ihrer Ansicht von der
Beklagten verspätet vorgetragenen Sachverhalts rügt, legt sie nicht dar, dass
diese Tatsachen vom Oberverwaltungsgericht entgegen der Erklärung in der
mündlichen Verhandlung überhaupt verwertet worden sind.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2
VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizu-
tragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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