Urteil des BVerwG vom 22.04.2010
Windenergie, Beitrag, Zahl, Ausweisung
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 68.09
OVG 2 L 183/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. April 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. Juli 2009 wird zu-
rückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese
selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 150 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
a) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,
ob der Nutzung der Windenergie in substantieller Weise
Raum verschafft worden ist, wenn der Landesdurchschnitt
an der Stromerzeugung aus regenerativen Energien über
dem Bundesdurchschnitt liegt.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie würde sich in ei-
nem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat im an-
gegriffenen Berufungsurteil den Rechtssatz formuliert, der Nutzung der Wind-
energie sei in substantieller Weise Raum verschafft worden, „wenn die ausge-
wiesenen Konzentrationsflächen nach ihrer Zahl und Größe einen beachtlichen
Teil der potentiell für die Windkraftnutzung in Betracht kommenden Flächen
ausmachen … und mit hinreichender Sicherheit zur Errichtung von Windkraft-
anlagen führen, die nach ihrer Anzahl und Energiemenge auch mit Blick auf den
Bundesdurchschnitt geeignet sind, einen gewichtigen und den allgemein
anerkannten energiepolitischen Zielsetzungen nicht offensichtlich widerspre-
chenden Beitrag zur Erhöhung des Anteils regenerativer Energien an der Ge-
samtenergieerzeugung zu leisten“ (UA S. 9 f.). Von einem Rechtssatz des In-
halts, dass der Nutzung der Windenergie bereits dann in substantieller Weise
Raum verschafft worden ist, wenn der Landesdurchschnitt an der Stromerzeu-
gung aus regenerativen Energien über dem Bundesdurchschnitt liegt, ist das
Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen. Es hat an erster Stelle die tatsäch-
lichen Verhältnisse im Planungsraum gewürdigt. Durch die zusätzliche Voraus-
setzung, dass die ausgewiesenen Konzentrationsflächen auch mit Blick auf den
Bundesdurchschnitt geeignet sein müssten, einen gewichtigen Beitrag zur Win-
denergienutzung zu leisten, ist die Klägerin nicht beschwert.
Aber selbst wenn man zugunsten der Beschwerde unterstellt, sie wolle in der
Sache klären lassen, ob der Bundesdurchschnitt ein „völlig untauglicher Maß-
stab“ ist, um festzustellen, ob der Nutzung der Windenergie im jeweiligen Pla-
nungsraum in substantieller Weise Raum verschafft worden ist (Beschwerde-
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begründung S. 5), rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Diese Fra-
ge wäre ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Die Beschwerde genügt inso-
weit im Übrigen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO.
Das Oberverwaltungsgericht hat seine Annahme, der REP Magdeburg ver-
schaffe der Nutzung der Windenergie in substantieller Weise Raum, auf zwei
Feststellungen gestützt. Zum einen hat es angenommen, dass die im REP
Magdeburg ausgewiesenen Vorrang- und Eignungsgebiete nach ihrer Zahl und
Größe einen beachtlichen Teil - jeweils etwa 10 % - der potentiell für die Wind-
energienutzung in Betracht kommenden Flächen und allein die zehn Vorrang-
gebiete einen Anteil von 0,37 % der Gesamtfläche der Planungsregion Magde-
burg ausmachten. Zum anderen hat es festgestellt, dass die Ausweisung auch
mit hinreichender Sicherheit zur Errichtung von Windkraftanlagen führe, die
nach ihrer Anzahl und Energiemenge geeignet seien, einen gewichtigen Beitrag
zur Erhöhung des Anteils regenerativer Energien an der Gesamtenergieerzeu-
gung zu leisten, weil in den zehn Vorranggebieten 163 Anlagen mit einer Leis-
tung von 407,5 Megawatt und in den 16 Eignungsgebieten 180 Anlagen mit
einer Leistung von 450 Megawatt errichtet werden könnten, und die sich daraus
ergebende Gesamtleistung von ca. 850 Megawatt „auch mit Blick auf den Lan-
des- und Bundesdurchschnitt einen mehr als beachtlichen Beitrag an der
Windenergieerzeugung“ darstelle (UA S. 10).
Die Beschwerde behauptet zwar, dass das Oberverwaltungsgericht ohne Ab-
stellen auf den Bundesdurchschnitt zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der
Nutzung der Windenergie im Planungsbereich nicht in substantieller Weise
Raum geschaffen wurde (Beschwerdebegründung S. 6). Für diese Behauptung
fehlt indes jeder konkrete Anhaltspunkt. Die Beschwerde führt an, selbst wenn
man mit dem Oberverwaltungsgericht der Meinung wäre, das Land Sachsen-
Anhalt habe „genug getan“, müsse doch „eine Würdigung der tatsächlichen
Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum“ maßgeblich sein, wie dies in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24. Januar 2008 -
BVerwG 4 CN 2.07 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 376 S. 31 = NVwZ 2008,
559 <560>) gefordert worden sei (Beschwerdebegründung S. 5). Der darin
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anklingende (und im Zusammenhang mit der Divergenzrüge - Beschwer-
debegründung S. 6 - auch ausdrücklich formulierte) Vorwurf, das Oberverwal-
tungsgericht habe auf den Bundesdurchschnitt und nicht, wie geboten, auf eine
Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum abge-
stellt, trifft nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich eine Gesamt-
betrachtung unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Planungsraum
angestellt und hierbei örtliche Gegebenheiten wie insbesondere Zahl und Größe
der potentiell für die Windkraftnutzung in Betracht kommenden Flächen in
Betracht gezogen (UA S. 9 ff.).
b) Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang noch geltend macht, das
angefochtene Urteil sei auch in einem weiteren Punkt falsch, weil es übersehe,
dass die ausgewiesenen Vorranggebiete bereits bebaut seien (Beschwerdebe-
gründung S. 5), zeigt sie eine klärungsbedürftige Grundsatzfrage von vornher-
ein nicht auf.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist ebenfalls
nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
genügenden Weise geltend gemacht.
Die Beschwerde rügt, das Berufungsurteil weiche vom Urteil des Senats vom
24. Januar 2008 - BVerwG 4 CN 2.07 - (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 376
S. 31 = NVwZ 2008, 559 <560>) ab und beruhe auf dieser Abweichung. Nach
dieser Entscheidung könne „erst nach einer Würdigung der tatsächlichen Ver-
hältnisse im jeweiligen Planungsraum beurteilt werden“, wann die Grenze zur
Verhinderungsplanung überschritten sei. Von dieser Entscheidung setze sich
das Oberverwaltungsgericht ab, indem es auf den Bundesdurchschnitt des An-
teils an Strom aus regenerativen Energiequellen abstelle und eben nicht auf
eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum. Die
Beschwerde bezeichnet damit schon keinen inhaltlich bestimmten, die an-
gefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem
in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensol-
chen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvor-
schrift widersprochen hat (zu diesen Darlegungsanforderungen vgl. Beschluss
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vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr). Abge-
sehen davon trifft die Behauptung der Beschwerde - wie ausgeführt - auch in
der Sache nicht zu.
3. Schließlich führen auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zur Zulassung der Revision.
Die Beschwerde macht geltend, die Klägerin habe ihren Hilfsantrag in der
mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht mit der Absicht,
Schadenersatzansprüche geltend machen zu wollen, begründet, was auch ver-
standen worden sei; falls nicht, habe das Gericht seine Aufklärungspflicht nach
§ 86 Abs. 1 VwGO verletzt (Beschwerdebegründung S. 7 f.). Der Untersu-
chungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO sei auch an anderer Stelle verletzt
worden, weil das Oberverwaltungsgericht das bisherige Vorbringen zum Flä-
chennutzungsplan nach Stellung des Hilfsantrages als relevant angesehen ha-
be, der Klägerseite aber trotz Schriftsatzfrist für die Gegenseite keine Gelegen-
heit mehr gegeben habe, zu reagieren, schon gar nicht in einer mündlichen
Verhandlung, in die das Gericht hätte wieder eintreten müssen (Beschwerde-
begründung S. 8 f.). Beide Rügen zielen auf die Ablehnung des im Termin zur
mündlichen Verhandlung von der Klägerin hilfsweise gestellten Fortsetzungs-
feststellungsantrags. Das Oberverwaltungsgericht hat den Hilfsantrags als „be-
reits unzulässig“ abgelehnt, weil es an einem substantiierten Vortrag der Kläge-
rin dahingehend fehle, dass sie ein berechtigtes Interesse an der beantragten
Feststellung habe (UA S. 15 f.). Dies bedürfe aber keiner abschließenden Klä-
rung, weil der Ablehnungsbescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig
gewesen und der Fortsetzungsfeststellungsantrag deshalb jedenfalls auch un-
begründet sei; das Vorhaben sei nämlich planungsrechtlich unzulässig gewe-
sen, weil im Flächennutzungsplan der Beigeladenen zu 2 die Ausweisung einer
Konzentrationsfläche an anderer Stelle erfolgt sei. In der Sache macht die Be-
schwerde damit - soweit erkennbar - hinsichtlich des ersten Begründungsele-
ments eine unterbliebene Kenntnisnahme und Verarbeitung von Parteivortrag
und hinsichtlich des zweiten Begründungselements eine fehlende Äußerungs-
möglichkeit unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gel-
tend. Das zweite, selbständig tragende Begründungselement ist nicht in einer
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den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden
Weise angegriffen. Die Beschwerde legt nicht dar, was die Klägerin im Falle
einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung über ihren bisherigen, in
der Begründung ihres Berufungszulassungsantrags enthaltenen Vortrag hinaus
noch vorgetragen hätte (zu dieser Darlegungsanforderung vgl. Urteil vom
16. August 1983 - BVerwG 9 C 853.80 - Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 26 und
Beschluss vom 12. Dezember 1986 - BVerwG 7 B 163.86 - Buchholz 312 EntlG
Nr. 45 S. 35; stRspr; vgl. auch Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Rn 41 zu § 133 m.w.N.). Die Verfahrensrügen bleiben damit insgesamt
ohne Erfolg, weil das erste Begründungselement hinweggedacht werden kann,
ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. dazu Beschluss vom
9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1
VwGO Nr. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Philipp
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