Urteil des BVerwG vom 26.10.2006

Karte, Regionalplan, Kompostieranlage, Gefahr

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 68.06
OVG 1 B 707/01
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 22. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 19 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Be-
deutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
1. Das Oberverwaltungsgericht hat das Ziel 6.3.5. des Regionalplans West-
sachsen vom 15. März 2001, das Windkraftanlagen nur außerhalb von land-
schaftsprägenden Höhenrücken und Kuppen zuläßt, als nicht hinreichend kon-
kret angesehen, weil sich anhand der Karte 4 zum Regionalplan im Maßstab
1 : 300 000 nicht bestimmen lasse, welche Grundstücke zu der schraffiert ein-
gezeichneten Kuppenlandschaft „Taucha-Eilenburger Endmoränengebiet“ ge-
hörten. Die Beschwerde meint, dass es entweder mit Hilfe präziseren Karten-
materials oder eines Augenscheins möglich gewesen wäre, zu entscheiden, ob
ein Grundstück vom Normbefehl erfasst werde oder nicht. Sie möchte rechts-
grundsätzlich geklärt wissen, ob eine solche Bestimmbarkeit den Anforderun-
gen des § 3 Nr. 2 ROG genügt.
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Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Einen
Rechtssatz, dass ein in einem Regionalplan enthaltenes Ziel der Raumordnung
im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG nur mit Hilfe von Text und Karte des Regionalplans
ausgelegt werden dürfe, hat das Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt. Es
hat lediglich verlangt, dass objektiv erkennbar sein müsse, welche Grundstücke
dem Gebiet der Zielausweisung zugehörig seien; eine parzellenscharfe Darstel-
lung sei nicht zwingend erforderlich (vgl. UA S. 11). Andere Erkenntnismittel als
die Karte zum Regionalplan haben sich ihm im vorliegenden Fall nicht als ge-
eignet aufgedrängt. An die tatrichterliche Würdigung der vorhandenen Erkennt-
nismittel wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2
VwGO gebunden.
2. Die Beschwerde möchte weiter rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob es
geboten und ausreichend sei, im Wege verfassungskonformer normerhaltender
Interpretation die Wirksamkeit der Zielausweisung auf die Grundstücke zu be-
schränken, die zweifelsfrei gebietszugehörig seien. Auch diese Frage würde
sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, denn das OVG ist nicht davon
ausgegangen, dass jedenfalls das Baugrundstück zweifelsfrei zu den land-
schaftsprägenden Höhenrücken und Kuppen gehöre, auf denen Windkraftanla-
gen nach Ziel 6.3.5. des Regionalplans nicht zulässig seien. Es hat nach Ein-
nahme eines Augenscheins festgestellt, dass sich das Baugrundstück und sei-
ne Umgebung nicht als besonders reizvoll und schützenswert darstellten. Be-
troffen sei eine relativ flache Ebene, die vom Horizont nach Norden/Nordwesten
flach abfalle, sodass ein ungehinderter Blick in sehr weite Entfernungen möglich
sei. Die Umgebung sei weder besonders schön noch weise sie landschaftliche
Besonderheiten auf, die sie individuell prägten und von anderen Gegenden
deutlich unterschieden. Allein der Umstand, dass wegen des flachen bzw. leicht
abschüssigen Geländes weite Blickbeziehungen gegeben seien, führe insofern
nicht zu einer anderen Beurteilung, weil dies auf alle Landschaften der Ebene
und des Flachlandes zutreffe (vgl. UA S. 8). Auch an diese Feststellungen und
ihre tatrichterliche Würdigung wäre der Senat in einem Revisionsverfahren
gebunden.
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3. Die Beschwerde möchte schließlich geklärt wissen, ob eine zufällige und un-
natürliche Zusammenballung von Greifvögeln - hier bei einer Kompostieranla-
ge - die naturschutzrechtliche Schutzwürdigkeit eines Gebietes nicht erhöhen
könne. Diese Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungser-
heblich, denn das Oberverwaltungsgericht hat eine Beeinträchtigung der Be-
lange des Naturschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) selbständig tragend
auch deshalb verneint, weil nicht erkennbar sei, inwiefern für die Vielzahl von
Milanen von den Windkraftanlagen eine Gefahr ausginge (vgl. UA S. 10). Auch
der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde ist das Oberverwaltungs-
gericht nicht gefolgt, weil nicht konkret belegt sei, auf welche Weise sich die
Windkraftanlagen negativ auf die Vogelpopulation auswirkten. Es sei weder
begründet, weshalb die geschützten Vogelarten den Windkraftanlagen nicht
auszuweichen vermögen, noch ersichtlich, aus welchen Gründen das Vorhan-
densein von zwei Windkraftanlagen dazu führe, dass die Vögel das für sie als
Sammelplatz und Rückzugsraum günstige Gebiet dauerhaft mieden. In Bezug
auf diese Begründung zeigt die Beschwerde einen Grund für die Zulassung der
Revision nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Dr. Philipp
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