Urteil des BVerwG vom 09.11.2006

Auflösende Bedingung, Genehmigung, Beiladung, Verfahrensmangel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 65.06
OVG 11 B 7.05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und
Dr. Jannasch
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungs-
gerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Juni 2006 wird
zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
1.1 Die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht die Stadt Lychen, die
Gemeinsame Landesplanungsabteilung der Länder Berlin und Brandenburg
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sowie das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes
Brandenburg nicht zum Verfahren beigeladen habe, obwohl die Voraussetzun-
gen einer notwendigen Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) erfüllt seien. Die Rüge
muss erfolglos bleiben, da sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO nicht genügt. Da ein Revisionsverfahren nur eröffnet werden
kann, wenn der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel für
die Entscheidung in der Hauptsache erheblich ist, muss die Entscheidungser-
heblichkeit in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Nach § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO ist die Revision daher nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. In
der Beschwerdebegründung ist darzulegen, dass das Gericht ohne den geltend
gemachten Rechtsverstoß zu einem dem Rechtsmittelführer sachlich
günstigeren Ergebnis hätte gelangen können.
Daran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie beschränkt sich auf Ausführungen,
die belegen sollen, dass die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung
der Stadt Lychen und der genannten Behörden erfüllt sind. Dieses Vorbringen
ist nicht geeignet, eine Beschwer der Beigeladenen aufzuzeigen. Das Institut
ihre
ren wahren können. Die Beiladung Dritter bezweckt nicht etwa, Rechtspositio-
nen eines bereits am Rechtsstreit Beteiligten zu stärken (vgl. auch Urteil vom
6. Juni 2002 - BVerwG 4 CN 4.01 - BVerwGE 116, 296, 306 f.). Im Übrigen
sieht der beschließende Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt
Lychen und die genannten Behörden in dem Rechtsstreit, der die Wirksamkeit
einer vom zuständigen Landrat erteilten naturschutzrechtlichen Befreiung be-
trifft, notwendig beizuladen waren.
1.2 Die Beschwerde macht ferner Verstöße gegen die richterliche Aufklärungs-
pflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und gegen die Grundsätze der richterlichen Über-
zeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend.
Die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht die dem Befreiungsbescheid
vom 7. November 2000 beigegebene Nebenbestimmung Nr. 7 entgegen ihrer
Bezeichnung als „Befristung“ als auflösende Bedingung angesehen hat. Nach
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Ansicht der Beigeladenen ist diese Interpretation rechtsfehlerhaft und für sie
nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung überraschend. Das Berufungs-
gericht hätte Beweis darüber erheben müssen, in welchem Sinn der beklagte
Landrat und das zuständige Landesministerium die Nebenbestimmung Nr. 7
tatsächlich verstanden hätten.
Die Rüge geht ins Leere. Mit Angriffen gegen die tatrichterliche Sachverhalts-
würdigung kann ein Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründet werden.
Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung - wenn sie denn vorlägen,
wofür hier nichts ersichtlich ist - sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem
Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen (vgl. Beschluss
vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO
Nr. 266 = DVBl 1996, 108). Die Beschwerde legt keine Besonderheiten dar, die
es rechtfertigen könnten, hier von diesem Grundsatz abzuweichen.
Der in der Beschwerde anklingende Vorwurf, das Berufungsurteil stelle sich
hinsichtlich der Auslegung der Nebenbestimmung Nr. 7 als unzulässiges Über-
raschungsurteil dar, ist zurückzuweisen. Der Anspruch auf Gewährung rechtli-
chen Gehörs begründet nach unbestrittener Auffassung keine allgemeine Fra-
ge- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai
1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190). Es kann zwar in besonderen
Fällen geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsansicht oder ei-
nen Aufklärungsbedarf hinzuweisen. Das gilt vor allem dann, wenn das Gericht
seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem
auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen
brauchte. Eine derartige Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
Die Beschwerde wendet sich ferner gegen den Standpunkt des Berufungsge-
richts, die Beigeladene habe bis zum Erlass des angegriffenen Urteils mit dem
Bauvorhaben nicht begonnen. Die dafür u.a. erforderliche wasserrechtliche
Genehmigung sei bisher nicht erteilt worden. Ausweislich der Erklärungen des
Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung sei diese Ge-
nehmigung bislang noch nicht einmal beantragt worden. Die Beschwerde macht
dazu geltend, dass die Beigeladene immer mit der Maßnahme habe beginnen
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wollen und sich um die Erteilung der erforderlichen Genehmigungen - erfolglos -
bemüht habe. Mit dem Bau der Steganlage und den Genehmi-
gungsmaßnahmen sei „tatsächlich bereits im Jahre 1992, bzw. 1967 begonnen
und dann nach 1990 kontinuierlich fortgefahren“ worden. Dies wird mit Angaben
zur Errichtung und Genehmigung des „Altbestandes“ der Steganlage näher
ausgeführt. Die Beigeladene rügt, das Berufungsgericht habe den nach der Ak-
tenlage tatsächlichen Ablauf verkannt. Auch „die Teilbeantragung zur Absiche-
rung des Altbestandes“ erfülle das Erfordernis eines „Beginns“ der Maßnahme.
Das Beschwerdevorbringen lässt weder einen Aufklärungsmangel noch eine
Verletzung der Grundsätze richterlicher Überzeugungsbildung erkennen. In der
Sache wendet sie sich dagegen, dass das Berufungsgericht zwischen der
nachträglichen Legalisierung des bereits vorhandenen Zustandes durch die
wasserrechtliche Genehmigung vom 9. August 2004 betreffend 74 Liegeplätze
und dem Vorhaben der Errichtung einer 128 Liegeplätze umfassenden
Schwimmsteganlage sowie einer Wassertankstelle, die Gegenstand der um-
strittenen Befreiung sind, unterscheidet. Die Beschwerde kritisiert diesen recht-
lichen Ausgangspunkt, indem sie ihre Sicht der Dinge darlegt, zeigt aber nicht
auf, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsansicht Anlass
zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte sehen müssen und bei der
Würdigung des von ihm festgestellten und für entscheidungserheblich angese-
henen Sachverhalts Grundsätze richterlicher Sachverhaltswürdigung verletzt
hat. Der unsubstantiierte Vorwurf der Aktenwidrigkeit der vorinstanzlichen Tat-
sachenfeststellungen enthält der Sache nach eine Kritik der tatrichterlichen
Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung, die nicht Gegenstand einer Ver-
fahrensrüge sein kann.
2. Soweit die Beschwerde den Vorwurf einer Abweichung des Berufungsurteils
von der „ständigen Rechtsprechung“ im Baurecht rügt, ist eine Divergenzrüge
im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht ordnungsgemäß erhoben worden.
Der Zulassungsgrund der Divergenz liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwen-
dung derselben revisiblen Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tra-
genden abstrakten Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer Ent-
scheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (vgl. Beschluss
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vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr).
Eine solche Divergenz legt die Beschwerde nicht dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Dr. Jannasch
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