Urteil des BVerwG vom 15.11.2004

Aufschüttung, Verfügung, Ausnahmefall, Verfahrensökonomie

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 65.04
VGH 3 UE 2041/01
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 16. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 14 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Be-
schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Hierbei kann der
Senat unterstellen, dass der Klägerin, wofür vieles spricht, gemäß § 60 Abs. 1 und 2
VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einlegung der Nicht-
zulassungsbeschwerde zu gewähren ist.
1. Die Beschwerde hält die Reichweite und Bedeutung des Begriffs der Baugeneh-
migung für grundsätzlicher Klärung zugänglich und bedürftig. Sie verkennt nicht,
dass es sich dabei um die Auslegung und Anwendung von Landesrecht handelt, das
der Prüfung durch das Revisionsgericht entzogen ist. Sie meint indes, vorliegend
greife eine Ausnahme ein, denn der Verwaltungsgerichtshof habe sich mit der Be-
deutung der maßgeblichen landesrechtlichen Vorschrift nicht auseinander gesetzt.
Sie verweist insoweit auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar
1972 - BVerwG 1 C 24.69 - (BVerwGE 39,329 <332>), vom 11. Juni 1975 - BVerwG
7 C 14.73 - (BVerwGE 48, 305 <313>) und vom 15. November 1990 - BVerwG 3 C
49.87 - (Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 224 = NVwZ 1991, 570). Nach der diesen
Entscheidungen zu Grunde liegenden und in der Zwischenzeit auch fortgeführten
Rechtsprechung kann das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren - also
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nach zugelassener Revision - aus Gründen der Verfahrensökonomie in bestimmten
Fällen Landesrecht eigenständig auslegen und anwenden. Insbesondere ist dies der
Fall, wenn entweder das Berufungsgericht sich mit einer Vorschrift des Landesrechts
überhaupt nicht befasst hat oder während des Revisionsverfahrens eine Änderung
der Rechtslage eingetreten ist. Häufig kann dadurch eine Zurückverweisung der Sa-
che an die Vorinstanz vermieden werden. Im Verfahren der Nichtzulassungsbe-
schwerde ist dieser Ausnahmefall indes nicht heranzuziehen. Denn in ihm geht es
zunächst um die Frage, ob überhaupt eine Frage des Bundesrechts aufgeworfen
wird, die grundsätzlicher Klärung in einem erst noch zuzulassenden Revisionsverfah-
ren bedarf. Davon abgesehen dürften sich im vorliegenden Fall ohnehin nur (landes-
rechtliche) Fragen des Einzelfalls stellen, die keiner grundsätzlichen Klärung bedür-
fen.
2. Auch die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.
2.1 Dem Berufungsgericht hat die zur Baugenehmigung vom 10. Februar 1978 füh-
rende Bauakte vorgelegen. Es versteht sich von selbst und bedarf keiner Erwähnung
in einem Urteil, dass beigezogene Verwaltungsakten auch gelesen und verwertet
werden. Dem Klägervertreter ist auch Kenntnis von der Übersendung der Bauakten
gegeben worden (Verfügung vom 4. Mai 2004, VGH-AS 227).
2.2 Die Auslegung dieser früheren Baugenehmigung, insbesondere die Bestimmung
ihrer Reichweite, oblag dem Verwaltungsgerichtshof. Es stellt keine unzulässige
Überraschungsentscheidung dar, dass das Berufungsgericht eine - eingehend be-
gründete (Urteilsabdruck S. 5) - Auslegung vorgenommen hat, die nicht mit der von
der Klägerin bevorzugten übereinstimmt. Das Verfahren hat damit nicht eine Wen-
dung erhalten, mit der die Klägerin nicht zu rechnen brauchte. Im Übrigen legt die
Beschwerde nicht dar, dass die umstrittene Aufschüttung bereits mit einer früher,
also noch vor dem 10. Februar 1978, erteilten Baugenehmigung genehmigt worden
sei.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halb-
satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen bei-
zutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streit-
wertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG.
Dr. Paetow Halama Dr. Jannasch