Urteil des BVerwG vom 21.09.2004

Rechtliches Gehör, Wiederherstellung, Erhaltung, Genehmigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 64.04
OVG 8 A 12009/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. September 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-
Pfalz vom 26. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als
Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde
bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger bei-
messen.
a) Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die Versagung einer
Abbruchgenehmigung nach Aufhebung des § 13 Abs. 1 Satz 2 des rheinland-pfäl-
zischen Landesgesetzes zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmäler (Denkmal-
schutz- und -pflegegesetz - DSchPflG -) vom 23. März 1978 (GVBl S. 159) durch das
Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE
100, 226) aufrecht erhalten werden kann, obwohl der Gesetzgeber innerhalb der vom
Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist keine Neuregelung bezüglich der Voraus-
setzungen für eine Genehmigungsversagung getroffen hat. Diese Frage zielt auf die
Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass das Genehmigungserfordernis
nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchPflG für den Abbruch eines geschützten Kultur-
denkmals nicht dadurch entfallen sei, dass das Bundesverfassungsgericht § 13
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Abs. 1 Satz 2 DSchPflG für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 GG erklärt hat. Der Ge-
setzgeber habe zwar innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist
keine neue Regelung getroffen. Deshalb sei jedoch nicht dem Antrag auf Abbruch-
genehmigung zwingend stattzugeben, weil es an einer notwendigen gesetzlichen
Regelung fehle. Vielmehr habe die Denkmalschutzbehörde nach pflichtgemäßem
Ermessen unter Berücksichtigung der Belange des Denkmalschutzes zu entschei-
den, wobei die Genehmigung zum Abbruch des Denkmals in verfassungskonformer
Ermessensausübung dann zu erteilen sei, wenn dem Eigentümer die Erhaltung des
Denkmals nicht zumutbar sei.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage führt nicht zur Zulassung der Revision,
weil sie sich ohne weiteres auf der Grundlage des Gesetzes und der Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts beantworten lässt.
§ 13 Abs. 1 DSchPflG ist Bestandteil des irrevisiblen Landesrechts. An die Ausle-
gung des nicht revisiblen Rechts ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden
(§ 137 Abs. 2 VwGO). Revisibel ist allerdings, ob die Auslegung einer nicht revisiblen
Vorschrift des Landesrechts mit Bundesrecht, insbesondere mit den Grundrechten
des Grundgesetzes im Einklang steht. Grundsätzliche Bedeutung kann daher auch
die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer landesrechtlichen Vorschrift haben. Es ist
verfassungsrechtlich jedoch unbedenklich und nicht in einem Revisionsverfahren klä-
rungsbedürftig, dass das Berufungsgericht den Genehmigungsvorbehalt in § 13
Abs. 1 Satz 1 DSchPflG vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 2. März 1999 (a.a.O.) im Sinne einer Ermessensvorschrift ausge-
legt und sich dabei einerseits an dem hohen Stellenwert des Denkmalschutzes und
andererseits an der Gewährleistung des Eigentums in Art. 14 Abs. 1 GG orientiert
(vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. November 2003 - BVerwG 4 B 97.03). Dieses Aus-
legungsergebnis ist in dem vorgenannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
bereits vorgezeichnet. In dem Beschluss wird ausgeführt (BVerfGE 100, 226, 247),
dass die Nichtigkeit des § 13 Abs. 1 Satz 2 DSchPflG zur Folge hätte, dass die Be-
seitigung eines geschützten Kulturdenkmals weiterhin genehmigungsbedürftig bliebe,
die Denkmalschutzbehörde über einen entsprechenden Antrag aber nach pflichtge-
mäßem Ermessen zu entscheiden und dabei auch die Belange des Eigentümers zu
berücksichtigen hätte. In Fällen, in denen dem Eigentümer die Erhaltung des Denk-
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mals nicht zumutbar sei, müsse das Ermessen verfassungskonform dahin ausgeübt
werden, dass die Genehmigung zum Abbruch des Denkmals erteilt werde. Diese für
den Fall der Nichtigkeit des § 13 Abs. 1 Satz 2 DSchPflG angenommene, vom Bun-
desverfassungsgericht verfassungsrechtlich nicht beanstandete Rechtsfolge ist nach
der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts inzwischen eingetreten, weil der Lan-
desgesetzgeber innerhalb der ihm vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist bis
zum 30. Juni 2001 keine Neuregelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 DSchPflG getroffen
hat.
b) Der Beschwerde lässt sich außerdem als grundsätzlich klärungsbedürftig die Fra-
ge entnehmen, ob auch eine zwar nicht momentan, aber bei entsprechender Wie-
derherstellung mögliche Nutzung des Gebäudes für Wohn- und damit Vermietungs-
zwecke die Versagung der Abbruchgenehmigung rechtfertigen kann. Auch diese
Frage lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Grundlage
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beantworten.
Das Bundesverfassungsgericht hat in dem genannten Beschluss dargelegt, dass die
Versagung einer Beseitigungsgenehmigung nicht mehr zumutbar sei, wenn für ein
geschütztes Baudenkmal keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit bestehe. Dazu
könne es kommen, wenn die ursprüngliche Nutzung infolge geänderter Verhältnisse
hinfällig werde und eine andere Verwendung, auf die der Eigentümer in zumutbarer
Weise verwiesen werden könne, sich nicht verwirklichen lasse (vgl. BVerfGE 100,
226, 243). Dass das Berufungsgericht eine ursprüngliche Nutzung des Baudenkmals
für Wohn- und Vermietungszwecke nicht als infolge geänderter Umstände hinfällig
ansieht, wenn sie bei - wirtschaftlich nicht unzumutbarer - Wiederherstellung des
Gebäudes ohne weiteres wieder möglich wäre, begegnet keinen verfassungsrechtli-
chen Bedenken. Auch in einem solchen Fall ist eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung
des Baudenkmals möglich.
2. Die geltend gemachte Abweichung des Urteils von dem Beschluss des Bundes-
verfassungsgerichts vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - (a.a.O.) liegt schon deshalb
nicht vor, weil das Oberverwaltungsgericht den Rechtssatz, dass auch Verluste als
rentable Nutzung anzusehen seien, weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt
hat.
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Eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Entscheidung eines anderen
Senats des Oberverwaltungsgerichts kann mit einer Divergenzrüge gemäß § 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht geltend gemacht werden.
3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind nicht den Anforderungen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt worden.
a) Die Beschwerde rügt zunächst, dass das Oberverwaltungsgericht seine Aufklä-
rungspflicht verletzt habe, weil es kein weiteres Sachverständigengutachten zu den
voraussichtlichen Investitions- und Bewirtschaftungskosten einerseits und den mögli-
chen Nutzungserträgen andererseits eingeholt hat. Warum sich dem Oberverwal-
tungsgericht die Erforderlichkeit eines solchen Gutachtens hätte aufdrängen müssen,
legt die Beschwerde nicht hinreichend dar. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungs-
gericht haben im Einzelnen ausgeführt, inwieweit sie dem Gutachten des Sachver-
ständigen D. folgen und warum sie die Einwände der Kläger gegen das Gutachten
insoweit nicht für begründet halten. Die Beschwerde setzt sich mit diesen Argumen-
ten nicht auseinander.
b) Auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör haben die Kläger nicht
substantiiert und schlüssig dargelegt. Sie haben weder vorgetragen, zu welchen
Grundlagen der Berechnungen des Berufungsgerichts sie sich nicht äußern konnten,
noch welche Einwände sie insoweit oder gegen den Berechnungsvorgang erhoben
hätten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwert-
festsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG n.F.
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Dr. Philipp