Urteil des BVerwG vom 25.03.2009

Staatliche Beihilfe, Körperliche Unversehrtheit, Zahl, Gutachter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 63.08
VGH 11 C 2125/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 17. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beige-
ladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der
Kläger nicht geltend machen könne, durch den Planfeststellungsbeschluss in
eigenen Rechten verletzt zu sein (UA S. 6 f.). Darüber hinaus sei die Klage, ihre
Zulässigkeit unterstellt, jedenfalls unbegründet (UA S. 7 bis 77). Ist eine
Entscheidung - wie hier - auf mehrere, jeweils für sich selbstständig tragfähige
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Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur
Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der Urteilsgründe zulässig
vorgetragen und gegeben ist (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B
261.97 - NJW 1997, 3328). Im vorliegenden Fall greifen die gegen die Vernei-
nung der Begründetheit der Klage zielenden Rügen nicht durch. Schon aus
diesem Grund können auch die übrigen Rügen (Nr. 1 bis 8 der Beschwerdebe-
gründung) der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
1. In Bezug auf die Unbegründetheit der Klage hat die Rechtssache nicht die
grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
1.1 Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde zu-
nächst die Fragen,
ob die gerichtliche Prüfung der Bedarfsprognose dadurch
ersetzt werden kann, dass einem Gutachter die Bewer-
tung der Eignung und der zutreffenden Ermittlung des der
Prognose zugrunde gelegten Sachverhalts überantwortet
wird, wenn diesem Gutachter von dem Autor des Progno-
segutachtens weder die konkreten Datensätze, die der
Prognose zugrunde liegen, offenbart werden und nicht
dargelegt wird, mit welchem genauen Ergebnis die einzel-
nen Datensätze in die Berechnungen des Erstgutachtens
eingeflossen sind und
ob das Gericht die Prüfung der behördlichen Prognose
über einen die Planfeststellung rechtfertigenden Ver-
kehrsbedarf einem Gutachter der beklagten Partei über-
antworten kann, statt in einem Beweisbeschluss durch das
Gericht einen Gutachter zu bestellen (Nr. 10 der Be-
schwerdebegründung).
Diese Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn der
Verwaltungsgerichtshof hat nicht - wie in der ersten Frage vorausgesetzt - fest-
gestellt, dass auch im Verfahren der Qualitätssicherung die der Prognose
zugrunde liegenden Datensätze nicht offenbart worden seien und dass offen-
geblieben sei, wie diese Datensätze in die Berechnungen eingeflossen seien.
Er hat vielmehr festgestellt, dass der Einwand mangelnder Transparenz der
Eingabedaten und der Bewertungen im Einzelnen durch die Qualitätssicherung
durch progtrans und die ergänzenden Erklärungen von Dr. S. in der mündlichen
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Verhandlung jedenfalls soweit ausgeräumt worden sei, dass die Bedarfsprog-
nose als tragfähige Grundlage für den Planfeststellungsbeschluss herangezo-
gen werden könne. Die Eingabedaten zur Bevölkerungsentwicklung seien, wie
jetzt klar sei, allgemein zugänglich. Die für die Prognose wichtigen Bewertungen
in Bezug auf Wirtschaftswachstum, Preisentwicklung und Preisrelation zwi-
schen Low-Cost und konventionellem Flugverkehr seien offengelegt (UA S. 16).
Auch der Aspekt der Fluggastbefragungen, auf den die Kläger ihren Vorwurf
mangelnder Offenlegung in erster Linie stützten, sei für das hier umstrittene
Projekt hinreichend geklärt (UA S. 17).
Das Gericht hat die Überprüfung der Bedarfsprognose auch nicht - wie in der
zweiten Frage vorausgesetzt - einem Gutachter des Beklagten überantwortet.
Es hat die Beteiligten vielmehr aufgrund eigener Überprüfung der von Intraplan
erstellten Bedarfsprognose darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf eine even-
tuell nur eingeschränkte Nachvollziehbarkeit der Prognose Bedenken bestehen
könnten, ob sie als alleinige Rechtfertigung für die Enteignung von Grundeigen-
tum, für Eingriffe in die Natur und für sonstige Beeinträchtigungen herangezo-
gen werden könne (vgl. das Schreiben des Vorsitzenden vom 12. Februar
2008, GA Bd. II S. 392), und dem Beklagten Gelegenheit gegeben, etwaige
Mängel insbesondere der Dokumentation im Bedarfsgutachten durch eine Qua-
litätssicherung auszuräumen (vgl. UA S. 16). Das Ergebnis dieser Qualitätssi-
cherung hat das Gericht eigenständig gewürdigt.
1.2 Die Frage,
ob die einer Finanzierung eines planfestgestellten Vorha-
bens entgegenstehenden Normen der Europäischen Ge-
meinschaft in der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung
eines Planfeststellungsbeschlusses zu prüfen sind, insbe-
sondere, ob die vorgesehene Finanzierung des Vorha-
bens durch die öffentliche Hand eine nach Art. 87 ff. EG-
Vertrag unzulässige Beihilfe darstellt oder gegen die „Ge-
meinschaftlichen Leitlinien für die Finanzierung von Flug-
häfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für
Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen“ verstößt
(Nr. 25 der Beschwerdebegründung),
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bedarf, soweit sie entscheidungserheblich wäre, nicht der Klärung in einem Re-
visionsverfahren.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass
die Art der Finanzierung nicht Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbe-
schlusses ist. Den Mangel der Finanzierbarkeit des Vorhabens darf die Plan-
feststellungsbehörde hingegen nicht ignorieren; einer Planung, die aus finan-
ziellen Gründen nicht realisierbar ist, fehlt die Planrechtfertigung (Urteile vom
20. Mai 1999 - BVerwG 4 A 12.98 - BRS 62 Nr. 6 und vom 16. März 2006
- BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <182 Rn. 200>; Beschluss vom
15. Januar 2008 - BVerwG 9 B 7.07 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 48).
Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Anhaltspunkte dafür,
dass die Kommission der europäischen Gemeinschaften die vorgesehene Fi-
nanzierung beihilferechtlich beanstanden wird, die Finanzierbarkeit des Vorha-
bens und damit die Planrechtfertigung in Frage stellen, würde sich im vorlie-
genden Verfahren nicht stellen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat festge-
stellt, dass derartige Anhaltspunkte nicht erkennbar sind (UA S. 24). Er hat dar-
über hinaus auch selbst geprüft, ob die Finanzierung des Vorhabens durch die
Gesellschafter der Beigeladenen als unzulässige Beihilfe im Sinne des EG-
Vertrags anzusehen ist. Nach dem Ergebnis seiner Prüfung sprechen gewichti-
ge Argumente dafür, dass die Finanzierung beihilferechtlich zulässig ist (UA
S. 24 f.). Dass die deutschen Gerichte nicht abschließend entscheiden können,
ob eine staatliche Beihilfe vorliegt und ob diese mit dem gemeinsamen Markt
vereinbar ist, ergibt sich unmittelbar aus Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 1 EGV, wo-
nach diese Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
und ggf. dem Europäischen Gerichtshof (Unterabs. 2) vorbehalten ist.
1.3 Die Frage,
wann das Risiko eines Klägers abwägungsrelevant ist,
beim Absturz eines Luftfahrzeugs oder von Teilen davon
infolge eines Vogelschlags Schaden an seiner Gesundheit
oder seinem Eigentum zu nehmen (Nr. 28 der Beschwer-
debegründung),
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würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn der Verwaltungsge-
richtshof hat das Risiko der Anwohner des Flughafens, infolge Vogelschlags
durch ein abstürzendes Flugzeug an Gesundheit und Eigentum Schaden zu
nehmen, nicht als einen im Rahmen der Abwägung überwindbaren Belang,
sondern als einen Gesichtspunkt geprüft, der die Eignung des Standorts unter
Berücksichtigung der konkreten Ausrichtung der Start- und Landebahn in Frage
stellen und insoweit der Planfeststellung entgegenstehen kann (vgl. § 6 Abs. 2
Satz 3 LuftVG - UA S. 73). Er ist jedoch nach Auswertung eines Schreibens des
Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr e.V.
und von in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen über ein Warnverfahren
zu dem Ergebnis gelangt, dass das Risiko des Schadenseintritts als äußerst
gering einzustufen sei und sich in einer Größenordnung halte, die gesellschaft-
lich auch in anderen Bereichen akzeptiert werde (UA S. 75). Dass der Kläger
die Erkenntnismittel anders bewertet, verleiht der Sache keine rechtsgrundsätz-
liche Bedeutung.
1.4 Die Frage,
wann durch Fluglärm nach dem heutigen Stand der
Lärmwirkungsforschung die Schwelle der Abwägungsrele-
vanz überschritten wird und damit die Schallimmissionen
des Luftverkehrs im Rahmen der Abwägung ermittelt und
eingestellt werden müssen (Nr. 30 der Beschwerdebe-
gründung),
wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn der
Verwaltungsgerichtshof hat unterstellt, dass die Lärmbetroffenheit des Klägers
die Schwelle der Abwägungserheblichkeit erreicht und seine Klage damit zuläs-
sig ist (UA S. 7). Sie sei jedoch jedenfalls unbegründet. Die Planfeststellungs-
behörde habe die betroffenen Lärmschutzbelange fehlerfrei in die planerische
Abwägung eingestellt (UA S. 61).
1.5 Der Kläger wiederholt in der Beschwerdebegründung seinen bereits in der
mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, das Verfahren auszusetzen und die
Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfas-
sungsmäßigkeit des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm in der Fassung des
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Gesetzes vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986) vorzulegen (Nr. 33 der Beschwer-
debegründung). Einen Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO
macht er insoweit nicht geltend. Sollte er insoweit die Zulassung der Revision
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehren, würde es an der
Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage fehlen. Der Kläger meint,
dass der Gesetzgeber bei der Festsetzung für die Lärmschutzbereiche nach § 2
Abs. 2 Satz 2 FLärmSchG eine durch den Fortgang der Lärmwirkungsforschung
überholte Methodik angewandt und es versäumt habe, für die Nacht niedrigere
Grenzwerte als 50 dB(A) (Maximalpegel am Ohr des Schläfers) festzusetzen
(Nr. 33 der Beschwerdebegründung, S. 103). In der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ist jedoch bereits geklärt, dass der Gesetzgeber
seine aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht für die körperliche
Unversehrtheit nicht verletzt, wenn er zum Schutz vor Fluglärm Grenzwerte für
energieäquivalente Dauerschallpegel und eine begrenzte Zahl von Maximalpe-
geln festsetzt (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -
NVwZ 2008, 780 ). Die Höhe der vom Bundesverwaltungsgericht
im Verfahren betreffend den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des
Flughafens Berlin-Schönefeld gebilligten Grenzwerte hat das Bundesverfas-
sungsgericht nicht beanstandet (a.a.O. Rn. 85). Dass der Gesetzgeber nicht
- wie der Kläger meint - verpflichtet war, für die Nacht nur Maximalpegel bis
50 dB(A) (innen) zuzulassen, ist damit geklärt.
1.6 Soweit es um die Anwendung des Fluglärmschutzgesetzes im vorliegenden
Verfahren geht, hat die Beschwerde nicht hinreichend dargelegt, inwieweit die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben sollte. Sie formuliert insoweit
zwar 18 Fragen (Nr. 34 der Beschwerdebegründung), legt jedoch nicht ansatz-
weise dar, inwiefern diese Fragen auf der Grundlage der Rechtsausführungen
des Verwaltungsgerichtshofs und seinen tatsächlichen Feststellungen insbe-
sondere zur Berechnung der Lärmwerte (UA S. 53 bis 60) rechtsgrundsätzlich
klärungsbedürftig sein sollten.
Daran fehlt es auch im Hinblick auf die Frage zur Anwendung des Entwurfs der
VDI 3722 (Nr. 35 der Beschwerdebegründung).
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1.7 Soweit die Beschwerde fordert, hohe Einzelschallpegel bereits unterhalb
einer Zahl von sechs Einzelschallereignissen pro Nacht zu berücksichtigen
(Nr. 36 der Beschwerdebegründung), legt sie nicht dar, aus welcher Norm des
Bundesrechts sich unter Geltung des Fluglärmschutzgesetzes 2007 eine solche
Verpflichtung ergeben sollte.
1.8 Im Hinblick auf die Frage,
ob das Risiko des Vogelschlags während des Landean-
flugs auf einen planfestgestellten Flughafen auch dann
aus dem Planfeststellungsbeschluss ausgeklammert und
Betriebsregelungen überantwortet werden darf, wenn im
Planfeststellungsverfahren die Analyse der Sicherheitsla-
ge, insbesondere die Einschätzung denkbarer Ereignisse
des Vogelschlags und hierauf bezogener Ereigniswahr-
scheinlichkeiten, nur lückenhaft vorgenommen wurde
(Nr. 38 der Beschwerdebegründung),
hat die Beschwerde nicht dargelegt, warum sich diese Frage in einem Revisi-
onsverfahren stellen sollte. Das wäre erforderlich gewesen, denn der Verwal-
tungsgerichtshof ist nicht - wie in der Frage vorausgesetzt - davon ausgegan-
gen, dass die Sicherheitslage im Hinblick auf den Vogelschlag nur lückenhaft
analysiert worden ist. Er hat vielmehr festgestellt, dass die Planfeststellungsbe-
hörde das bestehende Vogelschlagrisiko weder ignoriert noch unzureichend
ermittelt hat (UA S. 73).
2. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist entweder nicht in
der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt oder sie
liegt nicht vor.
2.1 Dass das angefochtene Urteil von den Entscheidungen des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 - (BVerwGE 56, 110
<121 f.>) und vom 11. Juli 2001 - BVerwG 11 C 14.00 - (BVerwGE 114, 364
<378>) zur gerichtlichen Kontrolle von Prognose abweichen könnte (Nr. 9
S. 55 f. der Beschwerdebegründung), legt die Beschwerde nicht hinreichend
dar.
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Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet,
wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entschei-
dung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem
in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensol-
chen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz
in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat; das Aufzeigen
einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das
Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt
weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer
Grundsatzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW
1997, 3328).
Einen abstrakten Rechtssatz, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den in den
genannten Entscheidungen entwickelten Grundsätzen zur gerichtlichen Kontrol-
le von Prognosen widersprochen haben sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Sie legt selbst dar, dass der Verwaltungsgerichtshof auf diese Grundsätze aus-
drücklich Bezug genommen hat (UA S. 14), und macht lediglich geltend, er ha-
be sie nicht zutreffend angewendet. Ein solcher Fehler in der Rechtsanwen-
dung wäre - wenn er denn vorläge - nicht geeignet, eine Divergenz zu begrün-
den.
2.2 Das angefochtene Urteil weicht auch nicht - wie die Beschwerde weiter gel-
tend macht (Nr. 37 der Beschwerdebegründung) von Rn. 243 des Urteils vom
16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 <191>) ab. Dort hat
der Senat dargelegt, dass die Analyse der Sicherheitslage vorrangig der
Planfeststellungsbehörde obliege. Die Sicherheitsanalyse erfordere eine Ein-
schätzung denkbarer Ereignisse und hierauf bezogener Ereigniswahrschein-
lichkeiten. Dass Fragen der Sicherheit des Flugbetriebs, soweit es um be-
triebsbezogene Konzepte zur Vermeidung von Vogelschlag geht, bereits im
Planfeststellungsbeschluss geregelt werden müssen, hat der Senat in dem ge-
nannten Urteil hingegen nicht entschieden. Er hat dem Planfeststellungsbe-
schluss folgend lediglich verlangt, dass die planfestgestellte Flughafenanlage
insbesondere im Hinblick auf die topografischen Gegebenheiten, die Umge-
bungsbebauung, die Ausrichtung der Start- und Landebahnen im Verhältnis zur
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Hauptwindrichtung und den Abstand zwischen den Bahnen einen sicheren
Flugbetrieb gewährleistet.
Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat der Verwaltungsgerichtshof nicht
aufgestellt. Dass ein Flughafen am vorgesehenen Standort mit der Ausrichtung
der Start- und Landebahn im Hinblick auf das Risiko des Kranichschlags geeig-
net sein muss, einen sicheren Flugbetrieb zu gewährleisten, hat er nicht in Ab-
rede gestellt (UA S. 73, 76). Lediglich soweit es um Fragen der Sicherheit des
Flugbetriebs, also um Betriebsregelungen zur Vermeidung von Vogelschlag
geht, ist er davon ausgegangen, dass diese grundsätzlich nicht Gegenstand
des Planfeststellungsverfahrens seien (UA S. 73).
3. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
3.1 Einen Verfahrensfehler sieht die Beschwerde zunächst darin, dass der Ver-
waltungsgerichtshof die jeweils auf Einholung von Sachverständigengutachten
gerichteten Beweisanträge des Klägers mit den Nummern 1, 4 bis 15 und 17 bis
19 abgelehnt hat (Nr. 11 bis 24, 26, 27 i.V.m. Nr. 1, 32 der Beschwerdebegrün-
dung).
Liegen bereits Gutachten oder Auskünfte zu einer entscheidungserheblichen
Tatsache vor, steht es nach § 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO im
Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Auskünfte oder Sachver-
ständigengutachten einholt; das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Ver-
stoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stel-
lungnahmen, die von einer Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden,
stützen (Beschluss vom 23. August 2006 - BVerwG 4 A 1067.06 - juris Rn. 6
m.w.N.). Ein Verfahrensmangel liegt nur dann vor, wenn sich die Einholung
eines weiteren Gutachtens wegen fehlender Eignung der vorliegenden
Gutachten hätte aufdrängen müssen. Gutachten und fachtechnische Stellung-
nahmen sind dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder
unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden sachlichen
Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde
oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Beschlüsse vom 4. Januar
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2007 - BVerwG 10 B 20.06 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 353 und vom
5. Dezember 2008 - BVerwG 9 B 28.08 - juris Rn. 4 m.w.N.). Auch soweit
Sachverständigengutachten noch nicht vorliegen, befindet das Gericht grund-
sätzlich selbst darüber, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits die Hilfe ei-
nes Sachverständigen benötigt. Die Nichteinholung eines Sachverständigen-
gutachtens kann nur dann als verfahrensfehlerhaft beanstandet werden, wenn
das Gericht eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in An-
spruch nimmt oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine
Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die Beteiligten und für das
zur Nachprüfung berufene Revisionsgericht überzeugend darlegt, dass ihm das
erforderliche Fachwissen in genügendem Maße zur Verfügung steht (Beschluss
vom 16. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 27.01 - BRS 65 Nr. 58 m.w.N.). Ein Ge-
richt ist mithin nicht bereits dann verpflichtet, ein beantragtes Sachverständi-
gengutachten einzuholen, wenn es der unter Beweis gestellten Tatsachenbe-
hauptung nicht folgt.
Dass die Ablehnung der Beweisanträge gemessen an diesen Grundsätzen zu
beanstanden sein könnte, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerde
nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat für jeden der genannten Beweisanträge
im Einzelnen, zum Teil mit mehreren selbstständig tragenden Erwägungen be-
gründet, warum er den Beweis nicht erhoben hat. Soweit sich die Beschwerde
nicht darauf beschränkt, darzulegen, dass der Verwaltungsgerichtshof ihren
Beweisbehauptungen nicht gefolgt sei, kritisiert sie lediglich die tatrichterliche
Würdigung der vorhandenen Gutachten und sonstigen Erkenntnismittel. Die
Beweiswürdigung ist aber regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen; mit
Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann ein Verfahrensmangel im Sinne des
§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich - und so auch hier - nicht bezeichnet
werden (Beschluss vom 11. April 2003 - BVerwG 5 B 24.03 - juris Rn. 2).
Soweit die Beschwerde die der Beweiswürdigung zugrunde liegende materielle
Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs kritisiert, kann sich auch daraus
ein Verfahrensmangel nicht ergeben.
Soweit die Beschwerde geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe den
Beweisantrag Nr. 19 nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass der Vor-
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trag verspätet sei (UA S. 43), weil der Kläger die fehlende Erfassung der nega-
tiven Wirkungen des Flughafens und der Mängel der ACI-Methodik bereits in
der Klagebegründung vorgetragen habe (Nr. 26 der Beschwerdebegründung),
ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht dargelegt. Als verspätet hat der Ver-
waltungsgerichtshof lediglich die unter Zeugenbeweis gestellten Behauptungen
zurückgewiesen, der Gutachter Prof. K. habe sich in bestimmter Weise über die
Erstellung seines Gutachtens geäußert. Das im selben Antrag begehrte Sach-
verständigengutachten zur Überprüfung des von Herrn Prof. K. erstatteten Gut-
achtens brauchte der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht einzuholen,
weil dieses Gutachten nach seiner Auffassung nicht erschüttert worden war (UA
S. 43).
3.2 Die Beschwerde rügt weiter, dass der Verwaltungsgerichtshof eine sich
aufdrängende Aufklärung der Zahl der Nachtflüge und deren Lärmwirkungen
unterlassen habe (Nr. 29 i.V.m. Nr. 3 der Beschwerdebegründung). Der Verwal-
tungsgerichtshof ist von Maximalpegeln, die selten auch nachts auftreten könn-
ten, in einer Größenordnung von bis zu 66 dB(A) ausgegangen, wobei 65 dB(A)
nur durchschnittlich einmal am Tag erreicht würden (UA S. 7, vgl. auch UA
S. 60). Die Beschwerde meint, der Planfeststellungsbeschluss habe demge-
genüber für den Immissionsort „Vereinskrankenhaus“, in dessen Nähe der
Wohnort des Klägers liege, eine Einzelschallbelastung von 5 Ereignissen zwi-
schen rund 80 und 84 dB(A) zugrunde gelegt (PFB S. 132). Diesen offensichtli-
chen Widerspruch zwischen den Maximalpegeln habe der Verwaltungsge-
richtshof aufklären müssen.
Der behauptete Widerspruch dürfte nicht vorliegen; jedenfalls musste er sich
dem Verwaltungsgerichtshof ohne einen entsprechenden Beweisantrag des
Klägers nicht aufdrängen. Der Planfeststellungsbeschluss befasst sich auf Sei-
ten 130 bis 132 mit den Auswirkungen des Fluglärms an den in der schalltech-
nischen Untersuchung betrachteten Immissionsorten. Er legt dar, dass der
höchste Maximalpegel mit 83,6 dB(A) im Planfall 2015 am Nordrand der Orts-
lage Calden erreicht werde. Für das Vereinskrankenhaus in Hann. Münden
stellt er für den Planfall 2020 fest, dass es zu einer Erhöhung der Anzahl der
Maximalpegel > 60 dB(A) von 22 auf 26 kommen werde. Die Feststellung auf
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S. 132, dass unter bestimmten Prämissen für die Nachtzeit von einer Einzel-
schallbelastung von fünf Ereignissen zwischen rund 80 und 84 dB(A) auszuge-
hen sei, dürfte sich auf den Immissionsort mit den höchsten Maximalpegeln,
jedenfalls aber nicht auf das Vereinskrankenhaus beziehen. Sie ist von den
vorangehenden Ausführungen zum Vereinskrankenhaus durch einen Absatz
getrennt und nimmt auf das Vereinskrankenhaus auch nicht in sonstiger Weise
Bezug.
3.3 Die Beschwerde meint, der Verwaltungsgerichtshof habe aufklären müssen,
ob nach dem regulären Flugplan zwischen 21.00 und 22.00 Uhr eine gesteiger-
te Zahl von Flugzeugen landen werde, die bei Verspätungen erst kurz vor oder
bereits nach 22.00 Uhr eintreffen werde, ob Verspätungen in diesem Zeitraum
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien (Nr. 6 der Beschwerde-
begründung) und ob der Kläger durch die gesteigerte Zahl der Flüge in den
Nachtrandstunden sowie in den Nachtstunden zukünftig aufwachen werde und
daher in seinen Grundrechten abwägungsrelevant betroffen werde (Nr. 31 der
Beschwerdebegründung). Sie legt jedoch nicht - wie dies erforderlich wäre (Be-
schluss vom 19. August 1997 a.a.O.) - dar, warum sich dem Verwaltungsge-
richtshof die Erforderlichkeit einer weiteren Aufklärung der Zahl der zu erwar-
tenden Nachtflüge hätte aufdrängen sollen, obwohl der Nachtflugverkehr durch
die Auflagen im Planfeststellungsbeschluss auf 4 Flugbewegungen (entspricht
zwei An- und zwei Abflügen je Nacht) und 10 verspätete An- oder Abflüge je
Monat beschränkt ist (UA S. 61) und auch der Kläger entsprechende Beweisan-
träge nicht gestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Jannasch
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