Urteil des BVerwG vom 13.05.2009

Flugsicherung, Start, Miete, Verfügung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 6.09
VGH 8 UE 807/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Mai 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 30. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 599 918,50 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die
Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchst-
richterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen
Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die
allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll
(stRspr).
1.1 Die Klägerin wirft die Frage auf,
ob es sich bei § 27d Abs. 3 LuftVG nur um eine durch
Vertrag ausfüllungsbedürftige Rahmenregelung oder um
eine selbstständig anwendbare Anspruchsgrundlage han-
delt.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, da sie zum Teil nicht
entscheidungserheblich ist und sich im Übrigen auf der Grundlage der vorhan-
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denen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Ge-
setzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht jede Frage sachge-
rechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine
gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fra-
gestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Vorausset-
zung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Grün-
den der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine
Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist
nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsge-
richts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der
Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln
sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt.
Nach § 27d Abs. 3 LuftVG werden die sich aus der Erfüllung der Pflichten nach
§ 27d Abs. 2 LuftVG ergebenden Selbstkosten den Flugplatzunternehmern von
der für die Flugsicherung zuständigen Stelle erstattet. Bereits der Wortlaut,
ebenso aber der Zusammenhang der Regelung machen deutlich, dass es sich
im Sinne der Fragestellung der Beschwerde um eine selbstständige An-
spruchsgrundlage handelt. Dies sieht auch die Klägerin nicht anders. Sie unter-
stellt jedoch einen Gegensatz zu einer durch Vertrag ausfüllungsbedürftigen
Rahmenregelung, von dem der Verwaltungsgerichtshof nicht ausgegangen ist
und zieht unzutreffende Schlussfolgerungen aus dem Begriff „Rahmenrege-
lung“. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht davon ausgegangen, dass § 27d
LuftVG als Anspruchsgrundlage ausscheidet, sondern hat sowohl („in erster
Linie“) auf die zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Regelungen
als auch („erst in zweiter Hinsicht“) auf die gesetzliche Regelung abgestellt (UA
S. 7) und dabei - wie auch die Beschwerde erkennt (Beschwerdebegründung
Rn. 104) - die vertraglichen Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit der gesetzli-
chen Regelung überprüft (UA S. 8). Insbesondere ist der Verwaltungsgerichts-
hof nicht davon ausgegangen, dass die Beteiligten vertragliche Vereinbarungen
„treffen müssen“ (Beschwerdebegründung Rn. 39).
Die Regelung in § 27d LuftVG schließt ergänzende und konkretisierende ver-
tragliche Vereinbarungen nicht aus. Sie bestimmt - wie dies das Bundesverwal-
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tungsgericht noch für die anders formulierte Vorgängerregelung (§ 9 BFSG)
angenommen hatte (Urteil vom 19. August 1988 - BVerwG 4 C 47.86 - Buch-
holz 442.40 § 29a LuftVG Nr. 1) - die Verpflichtungen der Flughafenunterneh-
mer und der damaligen Bundesanstalt für Flugsicherung auch nicht „in unge-
wöhnlich detaillierter Weise“. Daher kann nicht angenommen werden, dass der
Gesetzgeber die Art und Weise der Mitwirkung der Flughafenunternehmer
selbst erschöpfend regeln und begrenzen wollte. Vielmehr bleibt Raum für er-
gänzende vertragliche Vereinbarungen, die sich auf § 54 VwVfG stützen kön-
nen, der im genannten Senatsurteil vom 19. August 1988 - BVerwG 4 C 47.86 -
(a.a.O.) noch nicht anwendbar war. Daraus folgt indes nicht, dass § 27d Abs. 3
LuftVG ohne begleitenden Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags als
Anspruchsgrundlage nicht in Betracht käme. Dies hat auch der Verwaltungsge-
richtshof nicht anders erkannt. Seine Formulierung (UA S. 8), § 27d Abs. 2
und 3 LuftVG enthalte „nur eine Rahmenregelung“, die „vertraglicher Ergänzung
geradezu bedarf, um überhaupt anwendbar zu werden“, stellt nur die
rechtlichen Probleme heraus, die entstehen, wenn es nicht zu einer vertragli-
chen Vereinbarung gekommen ist. Dagegen nimmt der Verwaltungsgerichtshof
nicht an, dass beim Fehlen ergänzender vertraglicher Vereinbarungen kein Er-
stattungsanspruch nach § 27d Abs. 3 LuftVG bestehen kann. Im Übrigen wäre
eine derartige Aussage auch nicht entscheidungserheblich, da hier eine ver-
tragliche Vereinbarung vorliegt, auf die der Verwaltungsgerichtshof sich auch
stützt.
1.2 Auch die Frage,
ob die Beseitigung eines zunächst für Flugsicherungs-
zwecke errichteten Gebäudes auch dann Teil der Pflich-
tenerfüllung nach § 27d Abs. 2 LuftVG als Voraussetzung
des Kostenerstattungsanspruchs nach § 27d Abs. 3
LuftVG ist, wenn die Flugsicherungsstelle die - objektiv er-
forderliche - Beseitigung des nach Aufgabe dieser Nut-
zung nicht anderweitig nutzbaren Gebäudes nicht geson-
dert verlangt hat,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Dasselbe gilt für die in diesem Zusam-
menhang zuvor (Rn. 46 f. der Beschwerdebegründung) noch abstrakter formu-
lierten Fragen.
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Nach § 27d Abs. 2 LuftVG sind die Flugplatzunternehmer auf Verlangen der für
die Flugsicherung zuständigen Stelle unter anderem im erforderlichen Umfang
verpflichtet, die baulichen und räumlichen Voraussetzungen für Zwecke der
Flugsicherung zu schaffen und zu erhalten. Ob und in welcher Weise in den
nach § 27d Abs. 3 LuftVG von der für die Flugsicherung zuständigen Stelle
hierfür zu erstattenden Selbstkosten auch die Kosten eines späteren Abrisses
eines Gebäudes - hier des Kontrollturms - einzubeziehen sind, regelt der Wort-
laut des Gesetzes nicht ausdrücklich. Der Abriss eines Kontrollturms, von dem
aus die Aufgaben der Flugsicherung nicht mehr wahrgenommen werden kön-
nen, weil nicht mehr alle erforderlichen Sichtbeziehungen gewährleistet sind
(VGH, UA S. 2), stellt für sich genommen allerdings keine „Schaffung“ der bau-
lichen Voraussetzungen für Zwecke der Flugsicherung im Sinne von § 27d
Abs. 2 LuftVG dar. Dagegen mag der spätere Abriss eines für Zwecke der Flug-
sicherung nicht mehr geeigneten Kontrollturms im Rahmen der nach § 27d
Abs. 3 LuftVG zu erstattenden Selbstkosten und einer darin enthaltenen ange-
messenen Abschreibung kalkulatorisch zu berücksichtigen sein. Ob über diese
allgemeinen Aussagen hinaus die Beantwortung der von der Klägerin aufge-
worfenen Frage in rechtsgrundsätzlicher Weise überhaupt möglich ist, kann
dahinstehen. Denn jedenfalls im vorliegenden Verfahren stützt der Verwal-
tungsgerichtshof seine Entscheidung auf mehrere Besonderheiten des Einzel-
falls, die sich einer grundsätzlichen Klärung entziehen. Zum einen ist der Kon-
trollturm bereits im Jahre 1967 und damit noch unter der Geltung des § 9 BFSG
errichtet worden (UA S. 9), der eine andere Verteilung der Kosten vorsah (u.a.
Unterscheidung nach der Sicherung des Start- und Landevorgangs einerseits
und der Streckensicherung andererseits). Zum anderen haben die Beteiligten
vorliegend eine die gesetzlichen Regelungen ergänzende Vereinbarung abge-
schlossen, auf die der Verwaltungsgerichtshof maßgeblich abstellt (UA S. 10).
Ferner begründet die Vorinstanz ihre Entscheidung damit, dass die Klägerin
den Kontrollturm im Jahre 1994 übernommen und damit zu erkennen gegeben
hat, dass sie den Turm für eigene Zwecke weiter nutzen wollte (UA S. 9).
Schließlich stellt das Gericht darauf ab, dass die Klägerin erst Jahre nach der
förmlichen Übernahme des Turms den Entschluss gefasst hat, ihn abzureißen,
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nachdem sich dessen zunächst beabsichtigte Nutzung offenbar nicht hat reali-
sieren lassen (UA S. 11).
1.3 Die Frage,
ob durch eine vertragliche Regelung der gesetzliche Kos-
tenerstattungsanspruch nach § 27d Abs. 3 LuftVG ausge-
schlossen werden kann,
gebietet ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Die Frage würde sich in
einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn der Verwaltungsgerichtshof ist
nicht davon ausgegangen, dass vorliegend durch eine vertragliche Regelung
der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch nach § 27d Abs. 3 LuftVG ausge-
schlossen worden ist. Im Übrigen wurde oben bereits dargestellt, dass neben
der Regelung in § 27d Abs. 2 und 3 LuftVG ergänzende vertragliche Regelun-
gen möglich und zulässig sind.
1.4 Die Frage,
ob eine bauliche Maßnahme zur Schaffung einer Flugsi-
cherungseinrichtung auch dann Teil der Pflichtenerfüllung
nach § 27d Abs. 2 LuftVG ist, wenn sich die Notwendigkeit
der Maßnahme ausschließlich aus unternehmerisch
bestimmten Erweiterungsplanungen des Flugplatzunter-
nehmers ergibt,
würde sich in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht stellen.
Denn der Verwaltungsgerichtshof begründet seine Entscheidung nicht allein
damit, dass die Errichtung des Frachtzentrums West durch die Klägerin die
Sicht vom streitbefangenen Kontrollturm auf das Vorfeld und das Landebahn-
system beeinträchtigt hat, sondern mit einer Reihe von (weiteren) Besonderhei-
ten (vgl. hierzu bereits unter 1.2). Außerdem stehen die Kosten des Abrisses
eines vorhandenen, jedoch nicht mehr geeigneten Kontrollturms im Streit, nicht
jedoch die Kosten für die Errichtung neuer Flugsicherungseinrichtungen. Umso
weniger bietet das vorliegende Verfahren Gelegenheit, rechtsgrundsätzliche
Fragen zu klären, die sich allgemein bei durch Erweiterungsplanungen des
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Flugplatzunternehmers erforderlich werdenden Flugsicherungseinrichtungen
stellen.
1.5 Mit der Frage,
ob der Flugplatzunternehmer nach § 9 Abs. 3 Satz 4
BFSG bei der Bemessung der angemessenen Miete für
einen der Flugsicherung zur Verfügung gestellten Kontroll-
turm die Kosten der Errichtung dieses Kontrollturms be-
rücksichtigen konnte,
wird schließlich außerdem die Auslegung ausgelaufenen Rechts angesprochen.
Die besonderen Voraussetzungen für die grundsätzliche Klärung auslaufenden
Rechts legt die Beschwerde jedoch nicht dar (vgl. Beschlüsse vom 20. Dezem-
ber 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 =
NVwZ-RR 1996, 712 und vom 27. Februar 1997 - BVerwG 5 B 155.96 -
Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 15). Dies wäre umso mehr
geboten, nachdem der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, ob es die Revision
zulassen soll, ausgeführt hat, es handele sich bei dem vorliegenden
Rechtsstreit um den einzigen, der wegen entsprechender Erstattungsforderun-
gen anhängig sei (UA S. 14).
2. Die weiteren Grundsatz- und Divergenzrügen betreffen Überlegungen, die
der Verwaltungsgerichtshof nur zusätzlich und hilfsweise angestellt hat (Verwir-
kung des Anspruchs, Möglichkeit eines Vorgehens nach § 18a LuftVG) und auf
denen das angegriffene Urteil nicht beruht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Prof. Dr. Robel
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Dr. Bumke
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