Urteil des BVerwG vom 09.07.2003

Duldung, Gebäude, Grundstück, Sicherheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 56.03
OVG 10 A 3666/99
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und H a l a m a
beschlossen:
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Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in
dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 6. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Ge-
samtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren
auf 5 337,89 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Gründe für
eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Das angefochtene Urteil weicht nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
6. November 1968 - BVerwG 4 C 31.66 - (BVerwGE 31, 22) und vom Beschluss des Bun-
desverwaltungsgerichts vom 23. November 1998 - BVerwG 4 B 29.98 - (BRS 60 Nr. 82) ab.
Das Bundesverwaltungsgericht geht seit dem Urteil vom 6. November 1968 a.a.O. in ständi-
ger Rechtsprechung davon aus, dass eine vorhandene, nicht genehmigte Bebauung nur
dann zum Bebauungszusammenhang im Sinne von § 34 BBauG/BauGB gehört, wenn sie in
einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behör-
den mit dem Vorhandensein der Bauten abgefunden haben (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom
17. Mai 2002 - BVerwG 4 C 6.01 - NVwZ 2003, 211 <214>). Gleiches gilt für die - im vorlie-
genden Rechtsstreit entscheidungserhebliche - Frage, ob eine vorhandene, nicht genehmig-
te Bebauung oder Nutzung bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung zu
berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 1998 a.a.O.).
Von dieser Rechtsprechung ist das Oberverwaltungsgericht sowohl hinsichtlich des Grund-
stücks Velberter Straße 188 als auch hinsichtlich des Grundstücks Heidestraße 9 ausge-
gangen. Es hat nämlich ausgeführt, die auf diesen Grundstücken derzeit vorhandene
Wohnnutzung wäre für die Feststellung des Gebietscharakters nur dann zu berücksichtigen,
wenn diese Nutzung dauerhaft durch die zuständige Behörde geduldet würde. Bei dem
Grundstück Velberter Straße 188, auf dem ein als betriebsbezogenes Wärterhaus für die
Stadtwerke genehmigtes Gebäude (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) stehe, sei dies nicht der Fall,
weil der Beklagte nur aus Rücksichtnahme auf das hohe Alter der gegenwärtigen Bewohne-
rin und deren besondere Lebenssituation eine etwaige bauplanungsrechtliche Fehlnutzung
vorübergehend hinnehme (Urteilsabdruck S. 15 f.). Auch bei dem als Bürogebäude mit
Wohnräumen für den Betriebsinhaber genehmigten Gebäude auf dem Grundstück
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Heidestraße 9 könne nicht angenommen werden, dass die derzeit dort offenbar bestehende
teilweise, möglicherweise auch überwiegende Wohnnutzung von der Behörde dauerhaft
geduldet werde. Eine derartige Duldung könne nicht darin gesehen werden, dass der Be-
klagte nicht unverzüglich gegen die ihm im Laufe des vorliegenden Verfahrens bekannt ge-
wordene Fehlnutzung eingeschritten sei. Abgesehen davon, dass der Behörde ein ange-
messener zeitlicher Spielraum für die Sachverhaltsprüfung und die Art ihres Vorgehens zu-
gebilligt werden müsse, setze eine dauerhafte Duldung mehr als ein Untätigbleiben voraus.
Erforderlich seien Bekundungen oder Handlungen der Behörde, aus denen die Betroffenen
unmissverständlich schließen könnten, dass der illegale Zustand auf Dauer geduldet werden
solle.
Mit diesen Anforderungen ist das Oberverwaltungsgericht nicht über die Maßstäbe hinaus-
gegangen, die in den erwähnten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellt
sind. Ob die erforderliche Sicherheit, dass sich die zuständigen Behörden mit dem Vorhan-
densein der illegalen Bebauung oder Nutzung abgefunden haben, stets voraussetzt, dass
über ein Untätigbleiben hinaus ausdrückliche Bekundungen oder Handlungen der Behörde
erfolgt sein müssen, kann dahinstehen. Im hier zu entscheidenden Fall ergeben jedenfalls
die von der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen im angefochtenen Urteil, dass
sich der Beklagte mit der Wohnnutzung auf den beiden Grundstücken nicht auf Dauer abge-
funden hat.
Weitere Zulassungsgründe macht die Beschwerde nicht geltend, soweit es um den Rechts-
standpunkt des Oberverwaltungsgerichts geht, die von den Klägern beantragte Nutzungsän-
derung sei nach § 34 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig. Da diese Erwägungen das
Urteil sowohl hinsichtlich des Hauptantrages als auch hinsichtlich der beiden Hilfsanträge
selbständig tragen, kommt es auf die übrigen Rügen nicht mehr an. Denn selbst wenn inso-
weit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 VwGO erfüllt wären, hätte das Be-
rufungsurteil Bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts folgt aus § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Paetow Lemmel Halama