Urteil des BVerwG vom 26.03.2014

Feststellungsklage, Teilung, Rechtsschutz, Bier

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 55.13
OVG 1 KO 1127/10
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. März 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Thü-
ringer Oberverwaltungsgerichts vom 28. August 2013 auf-
gehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu-
rückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussent-
scheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung an die Vorinstanz
begründet (§ 133 Abs. 6 VwGO).
1. Die Revision ist allerdings nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger bei-
misst.
Die Beschwerde hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Steht der Zulässigkeit einer Feststellungsklage deren
Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen,
wenn dem Feststellungskläger damit zugemutet wird, bei
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der Behörde einen - später im Wege der Verpflichtungs-
klage zu verfolgenden - Anspruch geltend zu machen, der
im Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsauffassung
steht, bzw.
ist es einem Feststellungskläger zuzumuten, bei der Be-
hörde einen Antrag zu stellen, der auf das Gegenteil des-
sen gerichtet ist, was er mit seinem Rechtsschutzbegeh-
ren erreichen will?
Diese Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, denn Reichweite und
Bedeutung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind in der Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts bereits hinreichend geklärt. Nach dieser Vorschrift ist
die Feststellungsklage unzulässig, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestal-
tungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Der
dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie
auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wir-
kungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (vgl. Urteile vom 25. April 1996
- BVerwG 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 TierKBG Nr. 12 S. 18 f. und vom 12. Juli
2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 = Buchholz 310 § 43 VwGO
Nr. 133 = juris Rn. 12). § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO will mithin unnötige Feststel-
lungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres,
sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht (vgl. Urteil vom
7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93
S. 55 f. m.w.N.). Davon kann dann keine Rede sein, wenn die Feststellungskla-
ge einen Rechtsschutz gewährleistet, der weiter reicht, als er mit einer Leis-
tungs- oder Gestaltungsklage erlangt werden kann (stRspr; Urteile vom
21. Februar 2008 - BVerwG 7 C 43.07 - Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 1
Rn. 11, vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156>,
vom 29. Januar 2004 - BVerwG 3 C 29.03 - Buchholz 442.151 § 41 StVO Nr. 9,
vom 5. Dezember 2000 - BVerwG 11 C 6.00 - Buchholz 407.2 § 13 EkrG Nr. 2
und vom 29. April 1997 - BVerwG 1 C 2.95 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127
m.w.N.), wenn also die genannten Klagemöglichkeiten zu keinem gleichwerti-
gen Rechtsschutz führen (Beschlüsse vom 25. Mai 1988 - BVerwG 3 B 5.88 -
Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 98 S. 7 und vom 9. März 1990 - BVerwG 4 B
145.88 - juris Rn. 34). Davon ist etwa dann auszugehen, wenn sich der Kläger
mit der Erhebung einer Verpflichtungsklage in Widerspruch zu seiner eigenen
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Rechtsauffassung setzen müsste. So hat das Bundesverwaltungsgericht bereits
entschieden, dass ein Kläger nicht auf die Erhebung einer Verpflichtungsklage
zur Erlangung einer Erlaubnis verwiesen werden kann, wenn er die beabsichtig-
te Tätigkeit selbst für erlaubnisfrei hält und keine Erlaubnis anstrebt (Urteil vom
17. Januar 1972 - BVerwG 1 C 33.68 - BVerwGE 39, 247 <249>; Sodan, in:
Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 43 Rn. 131 m.w.N.). Einen über diese
Rechtsprechung hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht
auf.
2. Die Beschwerde macht allerdings zu Recht einen Verfahrensfehler im Sinne
von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend. Das Oberverwaltungsgericht hat, indem
es die Klage des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel
des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig angesehen hat, die prozessuale
Bedeutung dieser Vorschrift verkannt.
Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass Kläger und Beigela-
dene beabsichtigen, ihre Miteigentümergemeinschaft an dem ihnen gehörenden
Grundstück durch Teilung aufzuheben. Hierzu seien von den Rechtsvorgängern
des Klägers und den Beigeladenen Vereinbarungen über einen bestimmten
Grenzverlauf sowie über die Teilung des Grundstücks geschlossen worden. Der
Kläger sehe sich an diese Teilungsvereinbarungen aber nicht gebunden, weil er
befürchte, durch diese Grundstücksteilung würden baurechtswidrige Zustände
geschaffen. Gegenüber seinem Begehren festzustellen, dass die Teilung des
Grundstücks entsprechend der „Variante 2“ in zwei Grundstücke Verhältnisse
schaffe, die § 6 ThürBO widersprächen und es zur Genehmigung einer Abwei-
chung eines Verfahrens nach § 63e ThürBO bedürfe, könne er jedoch vorrangig
einen entsprechenden Antrag an die Bauaufsichtsbehörde nach § 8 Abs. 3
ThürBO stellen und so klären lassen, ob die Teilung zu baurechtswidrigen Zu-
ständen führe. Daher bedürfe es der vorliegenden Feststellungsklage nicht (UA
S. 6, 7). Diese Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts werden dem
Rechtsschutzziel des Klägers nicht gerecht und führen daher zu einer Verken-
nung der Anforderungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Der Kläger möchte mit
seiner Klage die Feststellung erreichen, dass eine Grundstücksteilung entspre-
chend der sogenannten „Variante 2“ bauordnungsrechtlich nicht ohne die Zu-
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lassung einer Abweichung nach § 63e ThürBO zulässig ist, weil sie den Anfor-
derungen des § 8 Abs. 1 ThürBO nicht entspricht. Ziel seiner Klage ist mithin
die Feststellung, dass die Grundstücksteilung nach der „Variante 2“ ohne Zu-
lassung einer Abweichung bauordnungsrechtlich unzulässig ist. Nach dem vom
Oberverwaltungsgericht ins Feld geführten § 8 Abs. 3 ThürBO hat die Bauauf-
sichtsbehörde auf Antrag eines Beteiligten ein Zeugnis darüber auszustellen,
dass die Teilung des Grundstücks den Anforderungen des § 8 Abs. 1 und 2
ThürBO entspricht. § 8 Abs. 3 ThürBO regelt damit genau den umgekehrten
Fall zum Rechtsschutzziel des Klägers. Damit kann der Kläger nicht auf einen
entsprechenden Antrag an die Bauaufsichtsbehörde und im Falle seiner Ableh-
nung auf die Erhebung von Widerspruch und Verpflichtungsklage verwiesen
werden. Infolge dessen kann die Feststellungsklage des Beschwerdeführers
entsprechend den unter 1. gemachten Ausführungen nicht an § 43 Abs. 2
Satz 1 VwGO scheitern.
Der somit vorliegende Verfahrensfehler kann sich auf die Entscheidung der Vor-
instanz ausgewirkt haben. Da im Übrigen das Oberverwaltungsgericht keine
Einwände gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage gesehen hat, hätte es
nicht im Wege des Prozess-, sondern des Sachurteils entscheiden müssen.
Insofern ist nicht auszuschließen, dass die Vorinstanz ohne den Verfahrensfeh-
ler zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, weil sie im Rahmen der Be-
gründetheitsprüfung zur Berechtigung des klägerischen Feststellungsbegehrens
- wie bereits das Verwaltungsgericht - hätte kommen können. Da das Oberver-
waltungsgericht hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat und es
insofern in erster Linie um die Anwendung irrevisiblen Landesrechts geht, kann
der Senat nicht feststellen, dass sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig
erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Norm im Verfahren
über die Zulassung der Revision: Beschlüsse vom 14. Februar 2002 - BVerwG
4 BN 5.02 - BRS 65 Nr. 53 m.w.N. und vom 8. Juni 2011 - BVerwG 4 BN
42.10 - BRS 78 Nr. 70 Rn. 9). Weil auch ein Revisionsverfahren deswegen nur
zu einer Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht führen könnte,
macht der Senat von seiner Befugnis nach § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, das
angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Ver-
handlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverwei-
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sen. Aus diesem Grund bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der vom
Kläger weiter geltend gemachte Verfahrensfehler der unzureichenden Sachauf-
klärung vorliegt und ob die in Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts zu § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO erhobene Divergenzrüge (§ 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erfolgreich gewesen wären (vgl. Beschlüsse vom
3. Februar 1993 - BVerwG 11 B 12.92 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 10 = juris Rn. 6, vom 31. August 1999 - BVerwG 3 B 57.99 - NVwZ-RR
2000, 259 = juris Rn. 11 und vom 29. Juli 2013 - BVerwG 4 BN 13.13 - ZfBR
2014, 159 Rn. 9; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 133 Rn. 56;
Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand April 2013, § 133
Rn. 86).
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2
GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Decker
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