Urteil des BVerwG vom 15.11.2007

Bauherr, Bestimmtheit, Bebauungsplan, Auflage

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 52.07
OVG 2 L 176/02
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungs-
gerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Juli 2007
wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Be-
schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt erfolglos. Die Rechts-
sache besitzt nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beigeladene bei-
misst.
Die Beigeladene möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, „wie detailliert und
konkret in einem baurechtlichen Genehmigungsbescheid Auflagen zugunsten
des Lärmschutzes abgefasst werden müssen, um etwaige betroffene Nachbarn
nicht in unzumutbarer Weise mit dem Risiko zu belasten, dass der Bauherr die
Auflage auch einhält“. Diese Rechtsfrage wäre in einem Revisionsverfahren
nicht klärungsfähig.
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Das Oberverwaltungsgericht hat in Auslegung des Bebauungsplans entschie-
den, dass der für das eingeschränkte Gewerbegebiet festgesetzte flächenbe-
zogene Schallleistungspegel zugunsten der Kläger nachbarschützende Wirkung
besitzt. Der Bebauungsplan gehört dem irrevisiblen Landesrecht an; an seine
Auslegung wäre das Revisionsgericht in einem Revisionsverfahren gebunden
(§ 173 VwGO, § 560 ZPO). Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer den
Bebauungsplan vollziehenden Baugenehmigung und etwaiger Nebenbe-
stimmungen (Auflagen) zugunsten der Nachbarschaft beurteilt sich nach
diesem Schutzzweck. Da sich der nachbarschützende Charakter des festge-
setzten flächenbezogenen Schallleistungspegels aus dem irrevisiblen Landes-
recht ergibt, sind auch die nachbarschützenden Anforderungen, die diese Fest-
setzung an die Zulässigkeit eines konkreten Bauvorhabens auf der Genehmi-
gungsebene stellt, dem irrevisiblen Landesrecht zuzurechnen.
Die Vorinstanz konkretisiert den nachbarschützenden Gehalt des festgesetzten
Schallleistungspegels wie folgt: Eine Baugenehmigung, die bei problematischen
Immissionsverhältnissen nur schematisch die Einhaltung bestimmter
Immissionsrichtwerte aufgebe, stelle nicht wirklich sicher, dass die Zulässig-
keitsvoraussetzungen für das Bauvorhaben erfüllt würden; solche Auflagen
dürften den Nachbarn nicht in unzumutbarer Weise mit dem gesamten Risiko
belasten, dass der Bauherr die Auflage auch einhalte, ohne dass es zu einer
echten nachbarlichen Konfliktschlichtung komme. Überschritten die bei der
Nutzung einer Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die
für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze oder sei mit einer ge-
wissen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Immissionen zumindest
in die Nähe der maßgeblichen Grenz- oder Richtwerte reichten, genüge es
nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als
Grenzwert festzulegen; vielmehr müsse die genehmigte Nutzung schon in der
Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden.
Das Oberverwaltungsgericht kommt damit in der Sache zu dem Ergebnis, dass
eine Baugenehmigung aus Gründen des bauplanungsrechtlichen Nachbar-
schutzes so bestimmt sein müsse, dass nicht nur der Bauherr, sondern auch
der Nachbar aus ihr in Verbindung mit den zugrunde liegenden Unterlagen ein-
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deutig die Reichweite des genehmigten Vorhabens bzw. der genehmigten Nut-
zung erkennen könne (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 29. August 1995
- OVG 1 L 3462/94 - BauR 1996, 79 <80>; VGH München, Urteil vom 18. Juli
2002 - VGH 1 B 98.2945 - BRS 65 Nr. 190). Diese Anforderungen an die ge-
nehmigungsrechtliche Umsetzung des nachbarschützenden Inhalts einer bau-
planerischen Festsetzung fallen in den Bereich des irrevisiblen Landesrechts.
Rechtssätze, die ein Verwaltungsgericht in Auslegung oder Ergänzung einer
landesrechtlichen Vorschrift aufstellt, bleiben Landesrecht (vgl. auch Urteil vom
14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> m.w.N.).
Dass die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung und Anwen-
dung der hier maßgeblichen nachbarschützenden Festsetzung eine klärungs-
bedürftige Frage des Bundesrechts aufwirft, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Sollte die Frage auf die nach dem Rechtsstaatsprinzip gebotene Bestimmtheit
eines Verwaltungsaktes zielen, beträfe sie zwar revisibles Recht. Das Ausmaß
dessen, was in der Baugenehmigung detailliert geregelt werden muss, hängt
aber von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer fallübergrei-
fenden, verallgemeinerungsfähigen Klärung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Dr. Bumke
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