Urteil des BVerwG vom 27.07.2004

Gemeinde, Ermessen, Erlass, Öffentlich

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 52.04
VGH 26 B 02.873
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 21. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen tragen als Gesamtschuldner die Kosten des
Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Sa-
che hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beigeladenen zumessen.
1. Zu Unrecht hält die Beschwerde folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam: "Ist
ein öffentlich-rechtlicher Vertrag rechtswirksam, der zwischen Baugenehmigungsbe-
hörde und Bauherrn geschlossen ist, die Belassung eines im Außenbereich errichte-
ten Gebäudes zum Gegenstand hat und an dessen Abschluss die Gemeinde nicht
beteiligt worden ist, wenn durch den Vertrag ein bauaufsichtliches Einschreiten ge-
genüber dem Bauherrn zu Lasten der Gemeinde ausgeschlossen ist"?
Dieses Vorbringen kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil
die Frage der Rechtswirksamkeit des zwischen den Beigeladenen und dem Beklag-
ten geschlossenen Vertrages für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich
war. Das angefochtene Urteil geht nicht von der Unwirksamkeit dieses Vertrages
aus, sondern spricht ihm lediglich die Wirkung ab, zu Lasten der Klägerin ein bau-
aufsichtliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen auszuschließen (Beru-
fungsurteil S. 8). Davon abgesehen macht schon die Formulierung der Zulassungs-
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frage deutlich, dass sich die Rechtswirksamkeit des Vertrages nach den Besonder-
heiten des zugrunde liegenden Sachverhalts beurteilen würde. Einzelfallübergreifen-
de, einer höchstrichterlichen Klärung bedürftige Rechtsfragen zeigt die Beschwerde
nicht auf.
2. Auch die zweite von der Beschwerde aufgeworfene Frage rechtfertigt nicht die
Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Be-
schwerde möchte geklärt wissen, ob es einen Verstoß gegen § 113 Abs. 5 Satz 1
und 2 VwGO darstellt, wenn das Gericht Spruchreife wegen einer Ermessenredukti-
on auf Null annimmt, obwohl die zuständige Verwaltungsbehörde zuvor noch keine
Ermessensentscheidung in der Angelegenheit getroffen hatte und selbst auch nicht
sämtliche relevanten Ermessensgesichtspunkte in den Rechtsstreit eingebracht hat.
Das mit diesem Vorbringen angesprochene Problem ist in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Es entspricht nicht nur der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Verwaltungsgericht Be-
hörden zum Erlass eines in deren Ermessen stehenden Verwaltungsaktes verpflich-
ten darf, wenn der Behörde für anderweitige Ausübung des Ermessens kein Raum
bleibt (vgl. bereits das Senatsurteil vom 12. Juli 1963 - BVerwG 4 C 177.62 -
BVerwGE 16, 214 m.w.N.). Geklärt ist vielmehr auch, dass eine derartige Entschei-
dung aus verwaltungsprozessualer Sicht auch dann ergehen kann, wenn die Behör-
de ihr Ermessen noch nicht betätigt hat (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993 - BVerwG
5 C 7.91 - BVerwGE 92, 281 <287>). Die Beschwerde legt nicht dar, dass in dem von
ihr erstrebten Revisionsverfahren andere oder weiterführende Ausführungen zu
dieser Problematik zu erwarten wären. Er ist auch weder geltend gemacht noch er-
sichtlich, dass das hier anzuwendende materielle Recht Regelungen enthielte, die es
dem Berufungsgericht verwehrt hätten, selbst die Verpflichtung zum Erlass einer Be-
seitigungsanordnung auszusprechen.
3. Die Beschwerde wirft schließlich die Frage auf, ob es einen Verstoß gegen den
Grundsatz des Vertrauensschutzes darstelle, wenn das Gericht den Anspruch einer
Gemeinde auf Anordnung der Beseitigung eines Gebäudes anerkennt, obwohl zwi-
schen Baugenehmigungsbehörde und Bauherrn ein öffentlich-rechtlicher Vertrag
geschlossen worden ist, der die Belassung des im Außenbereich gelegenen Gebäu-
des zum Gegenstand hat, an dessen Abschluss die Gemeinde nicht beteiligt worden
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ist und auf dessen Wirksamkeit der Bauherr vertraut und daraufhin auch (erhebliche)
Aufwendungen erbracht hat. Auch diese Frage zielt auf die Besonderheiten des
zugrunde liegenden Sachverhalts und ließe in einem Revisionsverfahren keine fall-
übergreifenden Erkenntnisse erwarten. Insbesondere legt die Beschwerde nicht dar,
inwiefern hinsichtlich des bundesrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes
noch ein höchstrichterlicher Klärungsbedarf besteht. Die in diesem Zusammenhang
weiter gestellte Frage der "Reichweite des Grundsatzes des Vertrauensschutzes,
wenn er in Kollision mit der kommunalen Planungshoheit tritt" bezeichnet keine kon-
krete klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streit-
werts auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.
Dr. Paetow Halama Dr. Philipp