Urteil des BVerwG vom 08.04.2014

Genehmigung, Grundstück, Anschluss, Grünfläche

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 5.14
VGH 1 B 13.794
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. April 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 31. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigela-
denen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Er-
folg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätz-
licher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.
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Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine
Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung
einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Be-
schwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen
und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1
VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine
bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungs-
bedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu
erwarten ist (stRspr, so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B
78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011
- BVerwG 7 B 45.10 - juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.
Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob bei der Beurteilung eines Vorhabens im Außenbe-
reich, welches entsprechend den Maßstäben des § 34
Abs. 1 Satz 1 BauGB als Baulücke einzustufen ist, eine
negative Vorbildwirkung auf in unmittelbaren Anschluss
benachbarte Grundstücke, deren Bebauung die planungs-
befugte Gemeinde beabsichtigt, im Zuge der Neuaufstel-
lung des Flächennutzungsplans von bisher planerisch be-
deutsamer Grünfläche in ‚Wohnbaufläche’ darzustellen,
ausüben kann.“
Die Frage bedarf zunächst der Auslegung. Der Klägerin geht es offensichtlich
darum, klären zu lassen, ob von einer negativen Vorbildwirkung eines Bauvor-
habens im Außenbereich und damit von einer Verfestigung bzw. Erweiterung
einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) auch dann auszugehen
ist, wenn die unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstücke nach einer von
der Gemeinde bereits eingeleiteten, aber noch nicht abgeschlossenen Ände-
rung des Flächennutzungsplans zukünftig als Wohnbauflächen dargestellt wer-
den sollen. In dieser Form wäre die Frage zwar einer allgemeinverbindlichen
Klärung zugänglich. Sie führt gleichwohl nicht zur Zulassung der Revision, weil
sie auf einen Sachverhalt abstellt, den der Verwaltungsgerichtshof so nicht
festgestellt hat.
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Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs führt das klägerische
Vorhaben zu einer unerwünschten Verfestigung und Erweiterung einer Splitter-
siedlung. Der Grund hierfür liege in der weitreichenden negativen Vorbildwir-
kung, die das Bauvorhaben auf die drei unmittelbar benachbarten Grundstücke
(FlNr. 496/8, 496 und 498/3) sowie auf das Grundstück FlNr. 498 besitze. Auf
diesen vier Grundstücken sei das Bauvorhaben der Klägerin geeignet, den
Wunsch nach weiterer Wohnbebauung entstehen zu lassen bzw. zu verstärken.
Dieser ließe sich dort aufgrund der Größe und des Zuschnitts der Grundstücke
sowie der Situierung der Bestandsgebäude ohne weiteres erfüllen, wenn auch
auf dem Grundstück FlNr. 498/3 erst nach Abriss der in seinem nördlichen Teil
vorhandenen Garage mit Nebengebäude (UA S. 8, 9). Ferner stellt der Verwal-
tungsgerichtshof fest, dass im Zuge der Neuaufstellung des Flächennutzungs-
plans beabsichtigt sei, die Bebauung entlang der Straße A und der Straße B
(Nr. 14 - 20) als Wohnbaufläche darzustellen (UA S. 9; Niederschrift über den
Ortstermin vom 24. Oktober 2013, GA S. 80). An diese mit Verfahrensrügen
nicht angegriffenen Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 2
VwGO). Folglich ist davon auszugehen, dass allenfalls die Grundstücke
FlNr. 496 und 496/8 zukünftig als Wohnbauflächen dargestellt werden, es je-
doch bei den Grundstücken FlNr. 498/3 und 498 bei der Darstellung „Grünflä-
che“ verbleibt.
Im Übrigen lässt sich die umstrittene Rechtsfrage, ohne dass es hierfür der
Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf, auf der Grundlage der vorhan-
denen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten (z.B. Beschlüsse vom
13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268 = juris Rn. 11 und vom
12. Juli 2012 - BVerwG 4 B 13.12 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 214
Rn. 3).
Nach der Rechtsprechung des Senats reicht es für den Tatbestand des Be-
fürchtens der Verfestigung einer Splittersiedlung aus, dass die Gründe, die wei-
teren Vorhaben entgegengehalten werden könnten, an Überzeugungskraft ein-
büßen würden, wenn das jetzt beantragte Vorhaben nicht aus eben den Grün-
den (Verfestigung einer Splittersiedlung) versagt würde, mit der Genehmigung
also ein sog. Berufungsfall geschaffen würde (vgl. etwa Urteil vom 19. April
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2012 - BVerwG 4 C 10.11 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 386 = juris
Rn. 22). Mit der Versagung der Genehmigung soll bereits „den Anfängen ge-
wehrt“ werden (Beschluss vom 2. September 1999 - BVerwG 4 B 27.99 - Buch-
holz 406.11 § 35 BauGB Nr. 340 = juris Rn. 6; siehe auch Urteile vom 13. Feb-
ruar 1976 - BVerwG 4 C 72.74 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 123 = juris
Rn. 21 und vom 25. Januar 1985 - BVerwG 4 C 29.81 - Buchholz 406.11 § 35
BBauG Nr. 223 = juris Rn. 11). Dabei kommt es für die Beurteilung der Frage,
ob die Genehmigung eines Vorhabens im Außenbereich im Hinblick auf eine
Vorbildwirkung für weitere Bauvorhaben zur Verfestigung einer Splittersiedlung
führt, nicht auf eine abschließende bebauungsrechtliche Prüfung zu „befürch-
tender“ Folgevorhaben, insbesondere nicht auf die Prüfung einer etwaigen Be-
einträchtigung anderer öffentlicher Belange durch ein Folgevorhaben, an (Be-
schluss vom 2. September 1999 a.a.O. = juris Rn. 8). Das gilt in gleicher Weise
für den Tatbestand des Befürchtens der Erweiterung einer Splittersiedlung. Der
öffentliche Belang der Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung wird
nicht dadurch entkräftet, dass der Entwurf eines Flächennutzungsplans den Teil
des Grundstücks als Baufläche darstellt, den der Bauherr bebauen will, denn
Darstellungen eines Flächennutzungsplans haben unmittelbar keine solche po-
sitive Wirkung, sondern allenfalls Indizwirkung für tatsächliche, die Kraft öffentli-
cher Belange abschwächende Umstände (Urteil vom 25. Januar 1985 a.a.O.
juris Rn. 12). Der dem klägerischen Vorhaben entgegenstehende öffentliche
Belang der Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung entfällt folglich
nicht dadurch, dass Teile der Umgebungsbebauung zukünftig als Wohnbauflä-
chen dargestellt werden sollen; er verliert - wenn überhaupt - allenfalls an Ge-
wicht. Das gilt umso mehr, als die intendierte Änderung des Flächennutzungs-
plans noch gar nicht wirksam oder - als frühest denkbarer Zeitpunkt - zumindest
„planreif“ ist (vgl. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 3.02 - Buchholz
406.11 § 35 BauGB Nr. 356 = juris Rn. 31). Einen darüber hinaus gehenden
Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
2. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Kläge-
rin legt nicht dar, dass das angefochtene Urteil von Entscheidungen des Bun-
desverwaltungsgerichts abweicht.
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Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz ist gemäß § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO erforderlich, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten,
die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit
dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder
des Bundesverfassungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung dersel-
ben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschlüsse vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 und vom
13. Juli 1999 - BVerwG 8 B 166.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO
Nr. 9). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
a) Die behauptete Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
22. Juni 1990 - BVerwG 4 C 6.87 - (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 261) liegt
schon deshalb nicht vor, weil diese Entscheidung zur Beeinträchtigung des in
§ 35 Abs. 3 BauGB nicht ausdrücklich genannten öffentlichen Belangs des Um-
fangs bzw. des Maßes der baulichen Nutzung eines Außenbereichsvorhabens
ergangen ist, während es vorliegend um die Frage der Beeinträchtigung des in
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB genannten öffentlichen Belangs der Erweite-
rung und Verfestigung einer Splittersiedlung durch das klägerische Vorhaben
geht.
b) Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs weicht auch nicht von dem Urteil
vom 26. Mai 1967 - BVerwG 4 C 25.66 - (BVerwGE 27, 137 = Buchholz 406.11
§ 35 BBauG Nr. 41) ab. Der Senat hat in dieser Entscheidung zwar ausgespro-
chen, dass bei der Anwendung des § 35 BBauG/BauGB die Lage eines Grund-
stücks in unmittelbaren Anschluss an den Geltungsbereich eines Bebauungs-
plans nicht gänzlich außer Betracht bleiben dürfe (a.a.O. - juris Rn. 15). Eine
Divergenz zu diesem Rechtssatz scheidet aber schon deshalb aus, weil das
Grundstück der Klägerin nach den für den Senat bindenden Feststellungen des
Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) nicht an einen durch Bebauungsplan
überplanten Bereich angrenzt. Die Nachbargrundstücke sind nicht überplant
und im Flächennutzungsplan des Beigeladenen derzeit als planerisch bedeut-
same Grünflächen dargestellt.
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Einen Rechtsgrundsatz, wonach „ein Baugrundstück, das sich nach tatsächli-
cher Betrachtung als Baulücke darstellt, über eine besondere Lage verfügt,
welche bei einer Genehmigung des Vorhabens die Bebauung auch der sonst
benachbarten oder in der Nähe belegenen Grundstücke als Folgewirkung aus-
schließt oder doch jedenfalls nicht ernstlich erwarten lässt“, hat der Senat im
Urteil vom 26. Mai 1967 (a.a.O.) nicht aufgestellt. Bei den fraglichen Ausführun-
gen, auf die die Beschwerde offensichtlich abstellt (a.a.O. - juris Rn. 16), han-
delt es sich nicht um einen Rechtssatz, sondern um die Rechtsanwendung in
dem konkreten Fall.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die
Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52
Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel Dr. Gatz
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