Urteil des BVerwG vom 19.08.2003

Eingrenzung, Gefährdung, Anerkennung, Gefahr

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 48.03
VGH 20 B 00.1666
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in
dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März
2003 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließ-
lich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren
auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Weder hat die Rechtssache die behauptete grundsätzliche
Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegen die Voraussetzungen für die Zulassung
der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor.
1. Die Beschwerde wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob bei der Beur-
teilung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes im Rahmen einer Anfechtungsklage die
letzte Behördenentscheidung der maßgebliche Zeitpunkt sei. Dieses Vorbringen rechtfertigt
nicht die Zulassung der Revision, weil die genannte Frage seit langem in der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist, soweit es - wie im vorliegenden Fall - um
die Anfechtung einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn geht (vgl. zuletzt etwa
BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - BVerwG 4 B 40.98 - NVwZ 1998, 1179 = Buchholz
§ 406.11 § 9 BauGB Nr. 87 m.w.N.). Nach dieser - auch vom Verwaltungsgerichtshof zu-
grunde gelegten - Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob eine angefochtene Bauge-
nehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, grundsätzlich nach der Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Spätere Änderungen zu Lasten des
Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten
sind dagegen zu berücksichtigen.
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind auch mit Blick auf die ebenfalls als
grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage nicht gegeben, ob es sich bei einem Betrieb der
Land- und Teichwirtschaft um eine planungsrechtlich relevante Betriebsänderung handelt,
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wenn der zuvor unter Verwendung von Düngemitteln wirtschaftende Betrieb auf ökologische
Bewirtschaftungsweise umstellt und/oder in den Teichen und Gewässern neben Fischen
auch Edelkrebse gezüchtet werden. Ob die genannten betrieblichen Änderungen planungs-
und genehmigungsrechtlich relevant sind, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles
nicht erheblich. Der Verwaltungsgerichtshof hat, wie seine Bezugnahme auf das Urteil des
Verwaltungsgerichts deutlich macht, die angefochtene Baugenehmigung unter dem Ge-
sichtspunkt geprüft, ob die Kläger deshalb in ihren Rechten verletzt sein könnten, weil die
genehmigte Abwasserpumpstation schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1
Nr. 3 BauGB) hervorrufen und deshalb gegenüber den Klägern rücksichtslos sein könnte.
Zur Beantwortung dieser Frage kommt es auf Art und Ausmaß der zu erwartenden Umwelt-
einwirkungen auf den vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb und nicht darauf an, ob be-
absichtigte Änderungen des Betriebes einer (erneuten) baurechtlichen Genehmigung bedür-
fen oder genehmigungsfrei sind.
2. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof
seine Aufklärungspflicht verletzt hätte (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO). Insoweit
erfüllt die Beschwerde bereits nicht die Anforderungen an die Darlegung des behaupteten
Verfahrensmangels (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine ordnungsgemäße Aufklärungsrüge
setzt voraus, dass substantiiert dargelegt wird, welche Tatsachen auf der Grundlage der
materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts aufklärungsbedürftig waren, welche
für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen,
welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und in-
wiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachenge-
richts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können
(stRspr).
Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen schon deshalb nicht gerecht, weil
sich die Rüge, das Berufungsgericht habe fehlerhaft den verschiedentlich angebotenen
Sachverständigenbeweis nicht erhoben, nicht an der materiellrechtlichen Auffassung des
angefochtenen Urteils orientiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf der Grundlage seiner
- zutreffenden - Auffassung zum maßgebenden Beurteilungszeitpunkt dargelegt, dass es für
die Frage, ob die Kläger durch schädliche Umwelteinwirkungen in ihren Rechten verletzt sein
könnten, unter anderem auf folgenden Streitstoff ankomme (vgl. Urteilsabdruck S. 5/6): Ei-
nerseits sei die mittlerweile vorgenommene Reduzierung der Abwasserentsorgungsanlage
zu beachten, andererseits müssten verschiedene Änderungen im klägerischen Betrieb außer
Betracht bleiben, so die früher gar nicht erwähnte Edelkrebszucht und die Führung eines
anerkannten ökologischen Betriebes, die jedenfalls vor der Baugenehmigung (aber womög-
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lich immer noch) lediglich beabsichtigt gewesen sei. Auf diese Eingrenzung des rechtlich re-
levanten Sachverhalts geht die Beschwerde nicht ein. Sie wiederholt vielmehr lediglich ihre
Beweisangebote in den Schriftsätzen vom 19. Februar und 17./18. März 2003. Diese bezie-
hen sich zum Teil ausdrücklich auf einen Sachverhalt, der für den Verwaltungsgerichtshof
entscheidungsunerheblich war. So ist dort (vgl. Beschwerdebegründung S. 3 und 4) die Re-
de von einer Gefährdung der Edelkrebszucht, von einer Beeinträchtigung eines nach biolo-
gischen Richtlinien wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betriebes bzw. dessen Anerkennung
als Öko-Betrieb sowie von der Gefahr einer Krebspest. Auch die auf S. 5 der Be-
schwerdebegründung in Bezug genommene Beweisanregung im Schriftsatz vom
19. Februar 2003 lässt nicht erkennen, dass sich die Beschwerde mit ihrer Aufklärungsrüge
auf die Basis der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs und des sich
daraus ergebenden entscheidungserheblichen Sachverhalts gestellt hätte. Eine solche diffe-
renzierte Betrachtung wäre indes unerlässlich für eine den Anforderungen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO entsprechende Verfahrensrüge gewesen.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung
der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5
Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO,
§ 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Paetow
Halama
Jannasch