Urteil des BVerwG vom 26.08.2009

Messung, Grundstück, Kritik

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 47.09
OVG 1 A 10178/09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht
erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die
Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin bei-
misst. Die von ihr für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob es im
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Rahmen einer baurechtlichen Nachbarklage „bei der Beurteilung von veränder-
ter Sach- und Rechtslage dann auf den aktuellen Stand ankommt, wenn die
Veränderung(en) ausschließlich zum Zwecke der Umgehung vorgenommen
worden sind“ (Beschwerdebegründung S. 6), würde sich in einem Revisionsver-
fahren nicht stellen; denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die
Parzelle Nr. 61/7 geschaffen worden ist, um zwar dem Wortlaut des § 8 Abs. 9
LBauO zu genügen, den Sinn der Vorschrift aber zu hintergehen. Die Klägerin
beanstandet das, indem sie dem Berufungsgericht vorwirft, außer Betracht ge-
lassen zu haben, dass die Bildung der Parzelle Nr. 61/7 auf ein treuwidriges
Grundstücksgeschäft der Beigeladenen zurückzuführen sei (Beschwerdebe-
gründung S. 4 f.). Mit einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdi-
gung und Rechtsanwendung lässt sich die Zulassung der Grundsatzrevision
freilich nicht erreichen.
2. Eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet eben-
falls aus. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht den Rechts-
satz im Senatsbeschluss vom 23. April 1998 - BVerwG 4 B 40.98 - (BRS 60
Nr. 178) abgelehnt hat, im Rahmen einer baurechtlichen Nachbarklage seien
Änderungen der Rechts- und Sachlage, die nach Erteilung einer Baugenehmi-
gung einträten, nur dann zu berücksichtigen, wenn sie sich zu Gunsten des
Bauherrn auswirkten. Vielmehr macht sie geltend, das Berufungsgericht habe
zu Unrecht angenommen, dass hier eine Änderung der Sach- und Rechtslage
vorliege (Beschwerdebegründung S. 4). Eine Divergenz im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt indes nicht vor, wenn die Vorinstanz einen Rechtssatz
des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder
daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts-
und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 19. August
1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).
3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines
Verfahrensfehlers zuzulassen. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen das
Gebot der Klärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (§ 86 Abs. 1
VwGO) ist nicht schlüssig dargelegt. Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg ha-
ben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Um-
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stände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich
gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und
welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen
Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Die Klägerin
vermisst angesichts der unterschiedlichen Angaben der Beteiligten (6,98 bis
7,66 m) eine Messung der Länge der Grenzbebauung (zum Flurstück Nr. 71/1)
durch das Berufungsgericht (Beschwerdebegründung S. 6). Sie trägt jedoch
nicht vor, was diese Messung voraussichtlich ergeben hätte. Selbst wenn zu
ihren Gunsten unterstellt wird, sie wolle behaupten, das Berufungsgericht hätte
- wie sie (Berufungsurteil S. 11) - eine Länge von 7,66 m aufgemessen, käme
die Zulassung der Verfahrensrevision nicht in Betracht. Denn auf den fehlenden
Feststellungen des Berufungsgerichts „vor Ort“ würde das Berufungsurteil nicht
beruhen. Das Berufungsgericht ist auch bei Zugrundelegung der von der Kläge-
rin behaupteten Länge der Grenzbebauung zu ihrem Flurstück Nr. 71/7 zu dem
Ergebnis gelangt, dass die Grenzbebauung auf dem Flurstück Nr. 61/7 an allen
Grundstücksgrenzen eine Gesamtlänge von 17,87 m aufweist und damit „immer
noch nach § 8 Abs. 9 LBauO zulässig wäre“ (UA S. 12). Kein tauglicher
Gegenstand der Verfahrensrüge ist der Vorwurf der Klägerin, das Berufungsge-
richt hätte wegen (angeblichen) Unterschreitens des notwendigen Grenzab-
stands von drei Metern zum Flurstück 70/8 auch die Länge der Bebauung zu
diesem Grundstück mit in die Berechnung einstellen müssen (Beschwerdebe-
gründung S. 6). Sollte das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, es kom-
me nur auf die Bebauung an, die „unmittelbar“ an die Grundstücksgrenze her-
anreiche (UA S. 8), und diese Auffassung irrig sein, läge darin ein materiell-
rechtlicher Fehler.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Petz
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