Urteil des BVerwG vom 08.01.2015

Aktenwidrige Feststellung, Rechtsverordnung, Flugsicherung, Erlass

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 46.14
VGH 9 C 2269/12.T
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Januar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Dr. Külpmann
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 27. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
I. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die
Beschwerde beimisst. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfah-
ren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung
über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klä-
rungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen
Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung
muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden,
dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemei-
nen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten
Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits BVerwG, Beschluss vom
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2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch BVerwG, Be-
schluss vom 1. Februar 2011 - 7 B 45.10 - juris Rn. 15)
1. Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob ein Beteiligungsrecht der Gemeinde beim Erlass einer
Rechtsverordnung zur Festlegung eines Flugverfahrens
zumindest mittelbar über das Erfordernis, die Fluglärm-
kommission vor Erlass der Rechtsverordnung anzuhören,
auch dann nicht besteht, wenn eine Aufklärung der Lärm-
betroffenheit der Gemeinde durch die für die Flugsicher-
heit zuständigen Stellen unterblieben ist.
Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Frage ist nicht entscheidungs-
erheblich. Eine Verfahrensbeteiligung der lärmbetroffenen Gemeinden vor Er-
lass von Rechtsverordnungen über die Festlegung von Flugverfahren nach
§ 27a Abs. 2 Satz 1 Luftverkehrsordnung - LuftVO - sieht das einfache Recht
nicht vor. Gemeinden steht ein Anhörungsrecht auch nicht unmittelbar aus
Art. 28 Abs. 2 GG zu (BVerwG, Urteile vom 26. November 2003 - 9 C
6.02 - BVerwGE 119, 245 <251>, vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 - BVerwGE
121, 152 <169> und vom 26. Juni 2014 - 4 C 3.13 - LKV 2014, 460 Rn. 31
Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen>). Klärungsbedarf für den Fall unter-
bliebener Tatsachenermittlungen wirft der Fall nicht auf, weil das Bundesauf-
sichtsamt für Flugsicherung nach den tatrichterlichen Feststellungen den maß-
geblichen Sachverhalt in Bezug auf die Lärmschutzbelange ausreichend ermit-
telt hat und die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen einen hinreichend siche-
ren Aufschluss über die mit den jeweiligen An- und Abflugstrecken verbunde-
nen Lärmbetroffenheiten boten (UA S. 34). Diese Feststellungen wären nach
§ 137 Abs. 2 VwGO in einem Revisionsverfahren bindend, weil in Bezug auf sie
zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind.
Die Beschwerde macht abweichend von ihrem Vortrag in der Tatsacheninstanz
(vgl. UA S. 5, 20 keine „substantielle Beteiligung der Fluglärmkommission“) gel-
tend, die Fluglärmkommission sei vor Erlass der Rechtsverordnung nicht betei-
ligt worden. Dies kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Rechtssache
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wegen grundsätzlicher Bedeutung führen, weil die Beschwerde einen Sachver-
halt zugrunde legt, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat.
2. Die Revision misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
ob sich das Bundesaufsichtsamt bei der Festlegung der
Flugrouten für eine Streuung der Flugverfahren entschei-
den kann, wenn der Planfeststellungsbeschluss eine Bün-
delung der Flugrouten in seiner Grobplanung prognosti-
ziert hat und umgekehrt, ohne Verstöße gegen den
Grundsatz der planerischen Konfliktbewältigung zu prüfen.
Die Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie bereits geklärt ist. Bei der Festle-
gung eines Flugverfahrens hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nach
Maßgabe von Flugsicherheitserfordernissen zu beurteilen, ob die Flugbewe-
gungen gebündelt oder gestreut werden (BVerwG, Urteil vom 24. Juni
2004 - 4 C 11.03 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3 S. 37
BVerwGE 121, 152>). Allerdings obliegt es dem Planfeststellungsbeschluss, die
in der räumlichen Umgebung eines Flughafens aufgeworfenen Probleme abwä-
gend zu bewältigen. Dabei ist die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten im Plan-
feststellungsverfahren systemimmanent mit der Unsicherheit behaftet, dass die
Flugrouten für die An- und Abflüge nicht feststehen (BVerwG, Urteil vom
13. Oktober 2011 - 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 147). Ist nach dem pla-
nerischen Konzept des Planfeststellungsbeschlusses Grundlage für die Zulas-
sung des Vorhabens an dem gewählten Standort, dass bestimmte, besonders
schutzwürdige Gebiete von Verlärmung verschont bleiben, kann er dies mit bin-
dender Wirkung für die spätere Festlegung von Flugverfahren feststellen
(BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 5000.10 u. a. - BVerwGE 144, 1
Rn. 50 f.). Schweigt der regelnde Teil des Planfeststellungsbeschlusses inso-
weit, ist es eine Frage der Auslegung, ob er eine solche Festlegung treffen woll-
te (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17
Rn. 16). Hieraus folgt, dass allein die im Planfeststellungsverfahren prognosti-
zierte Grobplanung keine Bindungen für das Bundesaufsichtsamt für Flugsiche-
rung entfaltet, wenn sie nicht Gegenstand einer ausdrücklichen oder durch Aus-
legung zu ermittelnden Festlegung des Planfeststellungsbeschlusses wird. Dies
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gilt auch für die Entscheidung, ob Flugverfahren gebündelt oder gestreut wer-
den.
Die Beschwerde zeigt auch mit ihrem Hinweis auf die Urteile des Oberverwal-
tungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2013 (- 11 A 10.13 - LKV 2013,
513) und vom 9. April 2014 (- 6 A 8.14 - LKV 2014, 369) keinen grundsätzlichen
Klärungsbedarf auf. Denn diese Entscheidungen wählen die Grobplanung zwar
als Ausgangspunkt, stellen aber anders als die von der Beschwerde aufgewor-
fene Frage auf die erkennbaren planerischen Festsetzungen ab. Es bedarf da-
her auch keiner Klärung, ob die Aussagen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg von den Aussagen des Senats zum Verhältnis von Planfeststel-
lungsbeschluss und der Festlegung von Flugverfahren abweichen.
3. Die Frage der Beschwerde,
ob es § 29b Luftverkehrsgesetz - LuftVG - i.V.m. § 27a
LuftVO und der hiernach geschuldeten Sachverhaltsauf-
klärung bezüglich der Lärmbetroffenheiten der Flughafen-
nachbarn genügt, wenn die Rechtsverordnung festgelegt
wird, ohne dass auf Kartenmaterial, welches verlässlich
Auskunft über die Zahl der Lärmbetroffenen gibt, zurück-
gegriffen wird,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist in der Rechtsprechung des Se-
nats geklärt. Die Sachverhaltsfeststellungen können sich durchweg darauf be-
schränken, anhand von aktuellem Kartenmaterial, das zuverlässig Aufschluss
über die Siedlungsstruktur bietet, näher aufzuklären, wie groß der Kreis poten-
zieller Lärmbetroffener ist. Weitere Ermittlungen sind nur dann anzustellen,
wenn die konkreten Umstände hierzu Anlass geben. Welche Untersuchungstie-
fe hierbei sachlich und räumlich geboten ist, richtet sich nach dem Ausmaß der
Lärmbelastung (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 - BVerwGE 121,
152 <167>). Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat umso eingehender
zu prüfen, je deutlicher die Zumutbarkeitsschwelle voraussichtlich überschritten
wird (BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 4 B 43.05 - juris Rn. 2). Hier-
von ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen (UA S. 32 f.) und hat
eine ausreichende Ermittlung der Lärmbelange der Klägerin angenommen (UA
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S. 34). Dass die Beschwerde diese Einschätzung nicht teilt, führt auf keine Fra-
ge von grundsätzlicher Bedeutung. Denn mit einer Kritik an der Rechtsanwen-
dung im Einzelfall lässt sich die grundsätzliche Bedeutung einer Frage nicht
darlegen (BVerwG, Beschlüsse vom 16. Januar 2013 - 4 B 15.10 - ZfBR 2013,
363 Rn. 3 und vom 26. März 2014 - 4 B 3.14 - BauR 2014, 1129 Rn. 9; stRspr).
4. Die Beschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der
Frage,
ob im Rahmen der nach § 29b Abs. 2 LuftVG geschulde-
ten Abwägung der Lärmbelastung eine ohne Rechtsgrund-
lage begründete und auf formell illegalen Flugbetrieb zu-
rückführende Lärmvorbelastung als für die Flugroutenfüh-
rung sprechender Gesichtspunkt in der Abwägung be-
rücksichtigt werden darf.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache ist damit nicht dargelegt. Der Fall
wirft die Frage nicht auf. Der Verwaltungsgerichtshof hat es in seinen Ausfüh-
rungen zur Sachverhaltsermittlung gebilligt, dass das Bundesaufsichtsamt sich
damit begnügt hat, an die tatsächlichen Lärmbetroffenheiten anzuknüpfen, da
keine erstmalige Festlegung des An- und Abflugverfahrens erfolgt sei, sondern
dieses Verfahren schon mit einer Verfügung der … GmbH - … - vom
21. Februar 2008 festgelegt und seither praktiziert worden sei (UA S. 34). Das
Urteil bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme der Klägerin, die Beklagte
habe diesen Betrieb als Vorbelastung in ihre Abwägung eingestellt und der
Verwaltungsgerichtshof habe dies gebilligt.
5. Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob Verstöße gegen die Vorschrift über die Sicherheitsmin-
destflughöhe gemäß § 6 LuftVO, die mit dem durch
Rechtsverordnung festgelegten Flugverfahren notwendi-
gerweise verbunden sind, grundsätzlich als gegen die
Routenführung sprechender Belang im Rahmen der Ab-
wägung zu berücksichtigen sind.
Auch dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Wegen grundsätzlicher Be-
deutung der Rechtssache ist die Revision nur zuzulassen, wenn sich die grund-
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sätzliche Rechtsfrage unmittelbar, nicht erst auf Grund von weiterer Sachaufklä-
rung nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache beantwortet (stRspr,
vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 1961 - 3 B 43.60 - Buchholz 427.3
§ 339 LAG Nr. 120 S. 151 und vom 19. Februar 2014 - 4 B 40.13 - BayVBl
2014, 477 = juris Rn. 9). Wie auch die Beschwerde erkennt (Begründung S. 31)
hat der Verwaltungsgerichtshof keine Tatsachen festgestellt, dass die Nutzung
des angegriffenen Flugverfahrens notwendigerweise zu einem Verstoß gegen
die Regelungen über die Sicherheitsmindesthöhe in § 6 LuftVO führt (UA
S. 51). Mit den Regelungen der Verordnung sei nicht festgelegt, dass die Si-
cherheitsmindesthöhe nach § 6 Abs. 1 LuftVO nicht einzuhalten sei. Im Übrigen
dürfe die Sicherheitsmindesthöhe nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LuftVO unterschritten
werden, soweit es bei Start und Landung notwendig ist.
6. Schließlich führt auch die Frage nicht zur Zulassung der Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung,
ob die gesetzgeberische Entscheidung des § 2 i.V.m. § 5
FluglärmG, wonach die Zumutbarkeitsgrenze gemäß § 8
Abs. 1 Satz 3 LuftVG für schutzbedürftige Einrichtungen
nicht anders zu ziehen ist als für Wohnungen, auch für
Landeplätze und Verkehrslandeplätze, für die das Flug-
lärmgesetz nicht anwendbar ist, die Wirkung entfaltet,
dass die Zumutbarkeitsgrenze für schutzbedürftige Ein-
richtungen nicht anders zu ziehen ist als für Wohnungen.
Die Frage bedarf keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung. Sie lässt sich auf der
Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln
sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten (vgl. BVerwG,
Beschlüsse vom 24. August 1999 - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270>, vom
16. November 2004 - 4 B 71.04 - NVwZ 2005, 449 <450> und vom 3. April
2014 - 2 B 70.12 - IÖD 2014, 124 = juris Rn. 7).
Für Flugplätze nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm
(FluglärmG) legt § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglärmG
die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze auch mit Wirkung für die fach-
planerische Abwägung normativ fest (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober
2011 - 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 167). Die einfachgesetzliche Grenz-
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linie der Zumutbarkeit für An- und Abflugverfahren ist in § 29b Abs. 2 LuftVG
nicht anders zu ziehen (so OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. April
2014 - 6 A 9.14 - juris Rn. 33; OVG Münster, Urteil vom 13. November
2008 - 20 D 124/06.AK - juris Rn. 76 f.; OVG Bautzen, Urteil vom 27. Juni
2012 - 1 C 13.08 - juris Rn. 80; OVG Lüneburg, Urteil vom 9. Juli 2014 - 7 KS
61/10 - NordÖR 2014, 443 - juris Rn. 37). Denn unzumutbar sind solche
Lärmeinwirkungen, die durch das Qualifikationsmerkmal der Erheblichkeit die
Schädlichkeitsgrenze überschreiten (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 4 C
11.03 - BVerwGE 121, 152 <161>). Für lärmsensible Einrichtungen wie Senio-
ren- und Pflegeeinrichtungen oder Kindertagesstätten gelten keine niedrigeren
Lärmwerte. Dies folgt schon daraus, dass es bei der Festlegung eines Flugver-
fahrens keiner parzellenscharfen Beurteilung der Beeinträchtigung bedarf
(BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <283>),
sondern eine generalisierende Betrachtung ausreichend ist (Urteil vom 24. Juni
2004 a.a.O. S. 157).
Es kann offenbleiben, ob - wie der Verwaltungsgerichtshof angenommen
hat - hiervon abweichend bei An- und Abflugverfahren zu oder von einem Flug-
platz, für den nach § 4 Abs. 1 FluglärmG kein Lärmschutzbereich festzusetzen
ist, die Zumutbarkeitsgrenze des § 29b Abs. 2 LuftVG sich nach den Festset-
zungen des Planfeststellungsbeschlusses bestimmt (UA S. 36). Denn in diesem
Fall gilt nach den tatrichterlichen Feststellungen die Zumutbarkeitsschwelle ei-
nes äquivalenten Dauerschallpegels von 55 dB(A) aus dem gegenüber der Klä-
gerin bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Ver-
kehrslandeplatzes … vom 5. April 2002. Dass der Planfeststellungsbeschluss
für lärmsensible Einrichtungen eine andere Zumutbarkeitsschwelle festsetzt, hat
der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Fragen der Auslegung der §§ 2
und 5 FluglärmG würden insoweit nicht aufgerufen.
II. Auch die Verfahrensrügen führen nicht zur Zulassung der Revision nach
§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
1. a) Die Klägerin sieht das Gebot rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG
und § 108 Abs. 2 VwGO verletzt, weil der Verwaltungsgerichtshof eine unzuläs-
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sige Überraschungsentscheidung getroffen habe mit der Annahme, dass die in
der streitgegenständlichen Rechtsverordnung normierte Wegführung für Sicht-
flüge von Hochleistungsflugzeugen (High Performance Aircraft - HPA) (HPA-
Sichtflüge) über die Meldepunkte YANKEE 1 und YANKEE 2 mit dem An- und
Abflugverfahren über die Pflichtmeldepunkte TANGO und ECHO übereinstim-
me. Eine Überraschungsentscheidung liegt indes nicht vor. Entsprechend den
nachfolgenden Ausführungen zur Rüge einer aktenwidrigen Feststellung hat der
Verwaltungsgerichtshof den Sachverhalt nicht in einer Weise gewürdigt, mit der
auch ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter nicht zu rechnen brauchte
(vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - NVwZ 2013, 1614 Rn. 38
).
b) Die Rüge bleibt auch erfolglos, wenn sie als Rüge einer aktenwidrigen Fest-
stellung verstanden wird. Eine solche Rüge bedarf der schlüssig vorgetragenen
Behauptung zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tat-
sächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Wi-
derspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, so dass es
einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht
bedarf. Die Verfahrensrüge der Aktenwidrigkeit verlangt ferner eine genaue
Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen
aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben
soll (BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1999 - 4 BN 41.99 - UPR 2000,
226 und vom 3. Juni 2014 - 4 BN 14.14 - UPR 2014, 353 = juris Rn. 9).
Soweit die Beschwerde beanstandet, dass der Verwaltungsgerichtshof die in
der Planfeststellung in den Blick genommenen Routen über die Pflichtmelde-
punkte TANGO und ECHO für vergleichbar mit der Wegführung für HPA-
Sichtflüge nach der streitgegenständlichen Rechtsverordnung angesehen habe,
führt dies nicht auf eine aktenwidrige Feststellung. Denn dem auf die Grobpla-
nung des Planfeststellungsverfahrens bezogenen Begriff „vergleichbar“ (UA
S. 24) liegt eine rechtliche Wertung zugrunde, eine Identität der Routen wird
damit nicht festgestellt. Die Beschwerde legt auch im Hinblick auf die Seiten
34 f. des Urteilsabdruckes eine Aktenwidrigkeit nicht dar. Die Formulierung, es
sei eine aus der Festlegung des Flugverfahrens durch die 245. DVO/LuftVO
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resultierende Veränderung zu verneinen, bezieht sich, wie der nachfolgende
Satz zeigt, auf die Verfügung der … GmbH vom 21. Februar 2008. Dass das
Gericht von einer Identität der festgelegten Verfahren mit den Flugverfahren
über die Pflichtmeldepunkte TANGO und ECHO ausging, lässt sich der Seite 34
des Urteilsabdruckes auch im Übrigen nicht entnehmen. Die am Ende des mitt-
leren Absatzes anschließende Formulierung „hierbei“ bezieht sich nicht auf das
Verfahren zur Festlegung des Flugverfahrens, sondern auf das Planfeststel-
lungsverfahren.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers bei der Behand-
lung des Beweisantrags 4.1 zuzulassen. Maßgeblich für die Beurteilung eines
Verfahrensfehlers ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Tatsachen-
gerichts, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteil vom 14. Januar
1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> und Beschluss vom 16. Januar
2014 - 4 B 32.13 - ZfBR 2014, 375 Rn. 20). Die Klägerin hat beantragt, Beweis
durch Sachverständigengutachten zu erheben zu der Tatsache, dass die Nord-
oder Südverschiebung der HPA-Anflugstrecke (bzw. der Pflichtmeldepunkte
YANKEE 1 und YANKEE 2) die Zahl der durch das Anflugverfahren lärmbe-
troffenen Personen bei Betriebsrichtung 27 verringern würde. Nach der materi-
ellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kam es auf diese Be-
hauptung nicht an, weil sich aus einer geringeren Zahl von Betroffenen noch
nicht die Vorzugswürdigkeit einer solchen Alternative ergebe (UA S. 48). Die
Beschwerde wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, sich mit dieser Auffassung
in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung zu setzen oder jeden-
falls nicht die materiellrechtlich gebotenen Folgerungen zu ziehen. Dies ist in-
des nicht geeignet, einen Verfahrensfehler darzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die
Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Petz
Dr. Külpmann
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