Urteil des BVerwG vom 18.02.2014

Vergleich, Verfahrensmangel, Bad, Beweisantrag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 46.13
OVG 6 A 10703/12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Februar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 19. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 3 204 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Er-
folg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätz-
licher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine
Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung
einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Be-
schwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen
und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1
VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine
bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungs-
bedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu
erwarten ist (stRspr, so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B
78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011
- BVerwG 7 B 45.10 - juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.
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Die Beschwerde wirft folgende Fragen auf:
Ist es bei der Ermittlung von Bodenwerten in kaufpreisar-
men Lagen
gesetzeskonform, Marktdaten vollständig
durch modellhafte Berechnungen zu ersetzen, ohne
marktnähere Erkenntnismöglichkeiten (Vergleich mit der
Entwicklung an anderen lmmobilienmärkten) auszuschöp-
fen? Ist ein Verzicht auf Vergleichsdaten aus anderen
Gemeinden ohne nachvollziehbare Begründung zulässig?
Diese Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich in einem
Revisionsverfahren nicht stellen würden. Nach den Feststellungen des Ober-
verwaltungsgerichts hat der Sachverständige trotz unzureichender sanierungs-
unbeeinflusster Vergleichskaufpreise unbebauter Grundstücke in S. und der
nicht vergleichbaren Verhältnisse in Bad N., R. und Bad B. davon abgesehen,
den Grundstücksmarkt in anderen vergleichbaren Städten - etwa N., B., L. oder
A. - in den Blick zu nehmen. Der Sachverständige habe hierzu in der mündli-
chen Verhandlung überzeugend dargelegt, die Kaufpreise in den von S. weiter
entfernt gelegenen Städten - insbesondere den genannten - seien aufgrund
abweichender Werteinflüsse nicht mit der Situation in S. vergleichbar, so dass
die Ermittlung von Kaufpreisen in solchen Städten die Aussagekraft des Gut-
achtens nicht erhöht hätte (UA S. 12). An die tatrichterliche Würdigung, dass
ein Vergleich mit der Entwicklung an anderen Immobilienmärkten keine zusätz-
lichen Erkenntnisse erbracht hätte, ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO ge-
bunden, da sie die Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrens-
rügen erschüttert.
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt, dass das Ver-
gleichswertverfahren nur anzuwenden ist, wenn ausreichend Daten zur Verfü-
gung stehen, die gewährleisten, dass der Verkehrswert und - im Falle der Sa-
nierung - dessen Erhöhung zuverlässig zu ermitteln sind. Fehlt es an aussage-
kräftigem Datenmaterial, ist eine andere geeignete Methode anzuwenden (Be-
schluss vom 16. Januar 1996 - BVerwG 4 B 69.95 - BRS 58 Nr. 243 = NVwZ-
RR 1997, 155 <156>). Zulässig ist jede Methode, mit der der gesetzliche Auf-
trag, die Bodenwerterhöhung und damit den Ausgleichsbetrag nach dem Unter-
schied zwischen Anfangs- und Endwert zu ermitteln, erfüllt werden kann (Be-
schlüsse vom 16. November 2004 - BVerwG 4 B 71.04 - Buchholz 406.11 § 154
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BauGB Nr. 5 = BRS 67 Nr. 226 und vom 16. Januar 1996 a.a.O.). Das Ober-
verwaltungsgericht hat mit für den Senat bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2
VwGO) festgestellt, dass es vorliegend keine marktnäheren Erkenntnismöglich-
keiten gab, um die sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung des klägerischen
Grundstücks im Wege des Vergleichswertverfahrens zu bestimmen. Es hat da-
her das vom Sachverständigen angewandte Vergleichsfaktorverfahren gebilligt
(UA S. 12, 13). Ob eine Wertermittlungsmethode in gleichen Maße geeignet ist
wie die in der Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19. Mai 2010 - Immo-
WertV - (BGBl. I S. 639) geregelten Methoden, die Steigerung des Bodenwerts
zuverlässig abzubilden, ist eine Tat- und keine Rechtsfrage (Beschlüsse vom
16. November 2004 a.a.O. = juris Rn. 8 und vom 28. Juli 2010 - BVerwG 4 B
11.10 - ZfBR 2010, 695 = juris Rn. 5).
Die weiter aufgeworfene Frage, ob die Entwicklung der Mietpreise in einem Sa-
nierungsgebiet als unmittelbarer Indikator für die Entwicklung von Bodenwerten
herangezogen werden kann, bezieht sich ebenfalls auf die Wertermittlungsme-
thode und damit auf eine Tatfrage. Unabhängig davon hat der vom Oberverwal-
tungsgericht beauftragte Gutachter die Bodenwertsteigerung nicht allein nach
der Entwicklung der Mietpreise im Sanierungsgebiet beurteilt, sondern unter
Anwendung eines Vergleichsfaktorverfahrens, so dass sich die Frage in einem
Revisionsverfahren auch nicht stellen würde.
Schließlich führt die Frage, ob bei der Erhebung von Ausgleichsbeträgen ein
Modell zur Bodenwertermittlung zu Grunde gelegt werden darf, dessen wesent-
licher wertbestimmender Faktor (hier: Mieten) nicht transparent und nachvoll-
ziehbar gemacht worden ist, nicht zur Zulassung der Revision. Insofern handelt
es sich lediglich um eine in eine Grundsatzfrage gekleidete Kritik an der Be-
weiswürdigung des Berufungsgerichts. Damit lässt sich die grundsätzliche Be-
deutung einer Rechtssache jedoch nicht belegen.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Inso-
fern genügt die Beschwerde schon nicht den Darlegungsanforderungen gemäß
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
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Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfah-
rensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beru-
hen kann. Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) be-
gründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert
dargetan wird (stRspr, siehe etwa Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG
7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f., vom 1. Dezem-
ber 2000 - BVerwG 9 B 549.00 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 60
S. 18 f. und vom 21. Mai 2012 - BVerwG 7 B 70.11 - juris Rn. 10). Diesen An-
forderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht, denn sie bezeichnet
schon keinen Verfahrensfehler, der dem Oberverwaltungsgericht unterlaufen
sein soll.
Bei wohlwollendem Verständnis der Beschwerdeschrift könnte allenfalls ange-
nommen werden, die Klägerin wolle eine Verletzung der gerichtlichen Aufklä-
rungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügen. Dazu hätte aber substantiiert dargelegt
werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände der Aufklärungs-
bedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklä-
rungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächli-
chen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklä-
rung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden
müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in
der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsauf-
klärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder
dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches
Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge
stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tat-
sacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen zu
kompensieren (stRspr, z.B. Beschluss vom 20. September 2007 - BVerwG 4 B
38.07 - juris Rn. 3). Auch diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
Das Oberverwaltungsgericht hat vorliegend zur Klärung der sanierungsbeding-
ten Bodenwertsteigerung Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverstän-
digengutachtens. Dieses Gutachten hat es eingehend überprüft und für über-
zeugend befunden. Nach seinem, im Hinblick auf die Beurteilung eines Verfah-
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rensmangels allein maßgeblichen materiellrechtlichen Standpunkt (stRspr, vgl.
etwa Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115
<119>; Beschlüsse vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - NVwZ 2005,
447 <449> = juris Rn. 21, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 406.25 § 43
BImSchG Nr. 22, vom 20. Dezember 2010 - BVerwG 5 B 38.10 - juris Rn. 18
und vom 28. März 2013 - BVerwG 4 B 15.12 - BauR 2013, 1248 = juris Rn. 8)
war damit der entscheidungserhebliche Sachverhalt hinreichend aufgeklärt
(§ 86 Abs. 1 VwGO). Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen, durch einen
entsprechenden Beweisantrag gegebenenfalls eine weitere Aufklärung des
Sachverhalts in Bezug auf die umstrittene Bodenwertsteigerung ihres Grund-
stücks herbeizuführen. Einen Beweisantrag hat sie jedoch nicht gestellt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung
des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
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