Urteil des BVerwG vom 04.08.2009

Rechtliches Gehör, Unteilbarkeit, Belastung, Gleichbehandlung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 45.09
BVerwG 4 B 20.09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:
Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung der Beklag-
ten gegen den Beschluss des Senats vom 15. Juni 2009
werden zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
1. Die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO bleibt ohne Erfolg. Zu Unrecht macht
die Beklagte geltend, der Senat habe in dem beanstandeten Beschluss ihren
Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Der pauschale Vorwurf der Beklagten, der Senat habe nicht zur Kenntnis ge-
nommen, dass die Beklagte die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die
zwischen Alt- und Neunutzern vorgenommene Verteilung der Kosten verstoße
gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Angemessenheit, mit der
Grundsatzrüge angegriffen habe (Schriftsatz vom 30. Juni 2009 S. 4), ist unbe-
rechtigt. Der Senat hat vielmehr zu Lasten der Beklagten durchschlagen lassen,
dass sie nur zu zwei der drei Argumente, die diese Rechtsauffassung
selbständig tragen, Grundsatzrügen formuliert hat. Daran hält er fest. Es trifft
nicht zu, dass sich die Beklagte auch mit der dritten Argumentationsebene des
Berufungsgerichts, bei gleichem oder gar überwiegendem Vorteil einer städte-
baulichen Maßnahme für Altnutzer dürfe die Belastung der Neunutzer diejenige
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der Altnutzer nicht wesentlich übersteigen, im Rahmen einer Grundsatzrüge
auseinandergesetzt hat. Die Beklagte behauptet zwar, sie habe hiergegen den
„Angriff“ geführt, rechtsgrundsätzlich stellten sich … „die bereits zum Kausali-
tätserfordernis als rechtsgrundsätzlich formulierten Fragen (s.o. II.2.b), da das
BU - auch im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit und der Gleichbehand-
lung von Alt- und Neunutzern - von der ‚Unteilbarkeit’ der städtebaulichen Maß-
nahme ausgeht und daraus folgert, angemessen sei nur eine Kostenverteilung,
die dieser ‚Unteilbarkeit’ im Sinne einer Gleichbehandlung von Alt- und Neunut-
zern an den Kosten der Maßnahme entspreche“ (Schriftsatz S. 7). Diese Rüge
lässt sich aber deshalb nicht auf das dritte Argument des Berufungsgerichts
beziehen, weil es auf den Fall einer – unterstellten - Teilbarkeit der verwirklich-
ten städtebaulichen Maßnahme gemünzt ist (UA S. 18 Rn. 60 f.).
Das dritte Argument ist auch nicht deshalb Gegenstand einer Grundsatzrüge
geworden, weil die von der Beklagten als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfe-
ne Frage, ob die Differenzierung zwischen Alt- und Neunutzern sachlich ge-
rechtfertigt sei, Vorfrage eines etwaigen Missverhältnisses zwischen der Belas-
tung der Neu- und Altnutzer sei (Schriftsatz S. 9 f.). Die Beklagte hat mit ihrer
Frage die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts angegriffen, dass die Neu-
nutzer nicht zu den Kosten der in Rede stehenden Infrastrukturmaßnahme he-
rangezogen werden könnten, weil die Maßnahme unteilbar und eine anteilige
Überwälzung der angefallenen Kosten auf die Altnutzer rechtlich nicht möglich
sei: „Die Unteilbarkeit der städtebaulichen Maßnahme steht der Heranziehung
nur einer Nutzergruppe entgegen“ (UA S. 18 Rn. 59). Im Falle der Teilbarkeit
der Maßnahme ist die mangelnde Möglichkeit der Heranziehung der Altnutzer,
die die Beklagte als sachlichen Grund für die Heranziehung nur der Neunutzer
ins Feld geführt hat, nicht von Bedeutung. Vielmehr stellt sich hier die Frage, in
welchem Umfang die Neunutzer - unabhängig von der Schonung der Altnutzer -
zu den Kosten der Maßnahme herangezogen werden dürfen. Das Berufungs-
gericht hält es für rechtsfehlerhaft, wenn bei gleichem oder sogar überwiegen-
dem Vorteil der Maßnahme für die Altnutzer auf Neunutzer ein Anteil umgelegt
wird, der nennenswert höher liegt als der rechnerisch auf den Kreis der Altnut-
zer entfallende Anteil.
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Die Beklagte erkennt an, dass die Prämisse des Berufungsgerichts, bei glei-
chem oder gar überwiegendem Vorteil einer städtebaulichen Maßnahme für
Altnutzer dürfe die Belastung der Neunutzer diejenige der Altnutzer nicht we-
sentlich übersteigen, rechtsgrundsätzliche Fragen nicht aufwirft (Schriftsatz
S. 10). Dann aber ist das Berufungsurteil einer Grundsatzrevision nicht zugäng-
lich.
2. Die Gegenvorstellung ist - ihre Statthaftigkeit unterstellt - unbegründet. Der
Senatsbeschluss vom 15. Juni 2009 ist nicht „greifbar gesetzeswidrig“. Zu
Recht ist darin namentlich die Verfahrensrüge der Aktenwidrigkeit des dem Be-
rufungsurteil zugrunde liegenden Sachverhalts abschlägig beschieden worden.
Eine dem Akteninhalt entgegenstehende Feststellung des Inhalts, dass über
den Gemeindeanteil von vorläufig ca. 13,1 Mio. DM hinaus keine weiteren Zu-
schüsse aus öffentlichen Kassen zu erwarten seien, hat das Berufungsgericht
nicht getroffen. Ob es aus Rechtsgründen gehalten gewesen wäre, auch den
Zuschuss des Freistaats Bayern in Höhe von 12 Mio. DM den Altnutzern „gut-
zuschreiben“, steht auf einem anderen Blatt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfest-
setzung bedarf es nicht. Die Höhe der Gerichtsgebühr für die Anhörungsrüge
ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG, und für die Gegenvorstellung
fallen keine Gerichtskosten an, weil sie keinen Gebührentatbestand nach dem
KV GKG erfüllt.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Petz
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