Urteil des BVerwG vom 26.01.2010

Gemeinde, Sicherungsmittel, Verkehrspolitik, Satzung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 43.09
VGH 8 S 31/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Januar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts-
hofs Baden-Württemberg vom 30. März 2009 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung
des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württem-berg vom 30. März 2009 für das Berufungsver-
fahren und für das Beschwerdeverfahren auf jeweils
750 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beteiligten streiten um die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Be-
klagte hinsichtlich Teilflächen eines Grundstücks, das zu einem ehemaligen
Güterbahnhof gehört. 1999 beschloss die Beklagte mit der Begründung, dass
die im Rahmen der Umnutzung frei werdenden Bahnflächen von städtebauli-
cher und stadtentwicklungspolitischer Bedeutung seien, die Aufstellung eines
Bebauungsplans, der u.a. die Freihaltung eines Korridors für ein Sondergebiet
„Logistik-Zentrum“ und ein Sondergebiet „Containerbahnhof“ vorsieht, um den
ehemaligen Güterbahnhof als Verknüpfungspunkt zwischen Straße und Schie-
ne langfristig zu sichern (UA S. 15 f.). 2001 beschloss die Beklagte die hier
streitige Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BauGB. Das Bahngelände ist bislang nicht von der zuständigen Fachpla-
nungsbehörde freigestellt worden. Die Klägerin zu 1 hat sich in dem den Vor-
kaufsfall auslösenden Kaufvertrag gegenüber der Klägerin zu 2 aber verpflich-
tet, einen Antrag auf „Entwidmung“ zu stellen. Das Berufungsgericht hat die
Vorkaufssatzung und die hierauf gestützte Ausübung des Vorkaufsrechts für
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rechtmäßig erachtet und die hiergegen gerichteten Klagen der Klägerinnen ab-
gewiesen.
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerinnen bleibt
ohne Erfolg.
Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwer-
de beimisst. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsent-
scheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Inte-
resse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung
bedarf.
1. Die zum Verhältnis der eisenbahnrechtlichen Fachplanung zur kommunalen
Bauleitplanung aufgeworfenen Fragen (Beschwerdebegründung S. 7 - 15) zie-
len - wie in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird - auf Klärung der Fra-
ge, „ob eine Gemeinde auch befugt ist, die Sicherungsmittel (der Bauleitpla-
nung) zur Absicherung einer Fachplanung paradoxerweise auch dann einzuset-
zen, wenn die zuständige Fachplanungsbehörde eine Fläche von der fachpla-
nungsrechtlichen Zweckbindung freistellt, … während die Gemeinde die Fläche
nichtsdestotrotz weiterhin … auf unbestimmte Zeit für den fachplanerischen
Zweck reservieren möchte“ (Beschwerdebegründung S. 13). Mit dieser Prämis-
se dürfte die Fragestellung nicht den Feststellungen des Berufungsgerichts ent-
sprechen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die gemäß § 23 AEG zu-
ständige Fachplanungsbehörde, das Eisenbahnbundesamt, die Flächen bislang
nicht von der fachplanungsrechtlichen Zweckbindung freigestellt. Planerische
Festsetzungen, die der bestehenden Zweckbestimmung einer Fläche als Bahn-
anlage nicht zuwiderlaufen, sind zulässig (Urteil vom 16. Dezember 1988
- BVerwG 4 C 48.86 - BVerwGE 81, 111, 116). Wie das Berufungsgericht aus-
geführt hat, dienen die mit der Vorkaufssatzung gesicherten Planungsabsichten
der Beklagten gerade Bahnzwecken. Das sieht auch die Beschwerde. Geklärt
wissen will sie letztlich nur die Frage, ob eine Gemeinde vorausschauend für
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den Fall der fachplanerischen Freistellung Mittel der Bauleitplanung einsetzen
darf, um sicherzustellen, dass die Flächen auch nach der Freistellung von der
fachplanerischen Bindung weiterhin nur im Rahmen eben dieser fachplaneri-
schen Zweckbindung genutzt werden dürfen, die die zuständige Fachplanungs-
behörde gerade beseitigt habe (Beschwerdebegründung S. 10). Die Beschwer-
de meint, die Gemeinde setze hier ihre Einschätzung des fachplanerischen Flä-
chenbedarfs an die Stelle der Einschätzung der für die Freistellung nach § 23
AEG zuständigen Fachplanungsbehörde (Beschwerdebegründung S. 13). Mit
dieser Zielrichtung knüpft die Beschwerde an die Annahme des Berufungsge-
richts an, dass sich die Beklagte in einer gewissen planerischen „Zwickmühle“
befinde und nur eine Freihalteplanung betreiben könne. Ob die Auffassung des
Berufungsgerichts, das meint, die Beklagte müsse es befürworten, dass die
Deutsche Bahn AG die Flächen freigebe, damit ein anderes Eisenbahnunter-
nehmen überhaupt ergänzend aktiv werden könne, und das von einer Aufhe-
bung der bahnrechtlichen „Widmung“ ausgeht, die sich nur auf die bundesbahn-
rechtliche Freistellung beziehe (UA S. 17), mit § 23 AEG in Einklang steht, kann
dabei dahingestellt bleiben. Es bedarf nicht erst der Durchführung eines Revisi-
onsverfahrens, um die Frage nach der Zulässigkeit einer kommunalen „Freihal-
teplanung“ die - nach Freistellung gemäß § 23 AEG - auf Ergänzung durch eine
(erneute) eisenbahnrechtliche Planung angelegt ist, zu beantworten. Die Frage
lässt sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts ohne Weiteres mit dem Berufungsgericht bejahen.
Das Fachplanungsprivileg i.S.d. § 38 BauGB hindert die Gemeinde nicht daran,
gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB eine gemeindliche „Verkehrspolitik“ zu betrei-
ben, die auf eine Verknüpfung der Transporte auf der Straße und der Schiene
zielt. In der Rechtsprechung des Senats ist - für den Bereich der Straßenpla-
nung - geklärt, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB den Gemeinden die Möglichkeit
eröffnet, im Rahmen der Selbstverwaltung das Festsetzungsinstrumentarium
des § 9 BauGB für eine eigene „Verkehrspolitik“ zu nutzen (Urteile vom
28. Januar 1999 - BVerwG 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248, 251; vom 7. Juni
2001 - BVerwG 4 CN 1.01 - BVerwGE 114, 301, 306; Beschluss vom 22. April
1997 - BVerwG 4 BN 1.97 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 91; vgl. auch VGH
Kassel, Urteil vom 15. Dezember 2003 - 9 N 639.02 - juris Rn. 58). Besteht ein
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städtebauliches Erfordernis für die Aufstellung eines Bebauungsplans, sind die
Gemeinden nicht gehindert, durch geeignete Festsetzungen einer künftigen
Fachplanung Raum zu verschaffen. Planerische Vorstellungen, die an vorhan-
dene städtische - straßenseitige - Verkehrsinfrastruktur anknüpfen und darauf
zielen, in künftiger Zusammenarbeit mit einem Eisenbahnunternehmen einen
zentralen Verkehrsknotenpunkt für Straße und Schiene zu entwickeln, sind
Ausdruck kommunaler „Verkehrspolitik“ (vgl. auch Urteil vom 8. März 2006
- BVerwG 9 A 29.05 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 14 - juris Rn. 18). Eine
bauleitplanerische Freihaltung bestimmter Flächen von baulicher Nutzung für
künftige verkehrliche Zwecke stellt keine dem Fachplanungsvorbehalt unterfal-
lende Planung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn gemäß § 18 AEG dar.
Denn die Gemeinde setzt mit der Freihaltung nicht mit konstitutiver Wirkung
eine Fläche als Bahnanlage fest. Soweit es um die mit der Freihaltung be-
zweckte künftige schienenseitige Nutzung zu Bahnbetriebszwecken geht, bleibt
es bei dem Fachplanungsvorbehalt: Es obliegt allein dem Eisenbahnbundesamt
als der zuständigen Fachplanungsbehörde über die Zulässigkeit einer Nutzung
der Flächen zu Bahnbetriebszwecken zu entscheiden. Auch wenn das Eisen-
bahnbundesamt nach Durchführung des Verfahrens gemäß § 23 Abs. 2 AEG
die Freistellung erklärt, etwa weil es sich durch die landesplanerischen Vorga-
ben nicht gebunden fühlt (vgl. dazu aber Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG
9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 195), folgt daraus nicht, dass eine Nutzung
der Flächen zu Bahnbetriebszwecken zu einem späteren Zeitpunkt unzulässig
wäre. Denn die Klägerin zu 1 hat - wie auch das Berufungsgericht angemerkt
hat (UA S. 15) - keine Monopolstellung (mehr). Wenn sich ein anderes Eisen-
bahnunternehmen findet, ist allein nach eisenbahnrechtlichen Vorschriften über
eine „Wiederaufnahme“ der Bahnnutzung zu entscheiden. Der in § 38 BauGB
normierte Fachplanungsvorbehalt setzt eine positive fachplanerische Entschei-
dung voraus. Die für eine Freistellung gemäß § 23 Abs. 1 AEG notwendige
Feststellung, dass kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine
Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu er-
warten ist, schließt einen Antrag nach § 18 AEG zu einem späteren Zeitpunkt
nicht aus. Die gemeindliche Planung greift der fachplanerischen Einschätzung
damit nicht vor, sondern schafft lediglich durch die mit den (Sicherungs-)Mitteln
der Bauleitplanung bewirkte Freihaltung der aus ihrer Sicht städtebaulich ge-
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eigneten Flächen die Voraussetzungen dafür, dass ein künftiger Vorhabenträ-
ger die gebotene eisenbahnrechtliche Prüfung durchführen lassen kann (vgl.
auch Urteil vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - BVerwGE 72, 172
<173> - juris Rn. 29). Davon zu unterscheiden ist die von der Beschwerde
ebenfalls mit Grundsatzrügen aufgegriffene Frage (siehe dazu unter 3.), ob die
gemeindliche Planung unter dem Gesichtspunkt der Realisierbarkeit den
Grundsätzen der Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB genügt.
2. Die Frage zum Verhältnis fachplanerischer zu allgemein bauplanerischer Flä-
chensicherung (Beschwerdebegründung S. 15 - 17) ist nicht entscheidungser-
heblich, weil es nicht um eine Sicherung im Zusammenhang mit einem förmlich
eingeleiteten eisenbahnrechtlichen Verfahren geht. Wie sich der Beschwerde-
begründung entnehmen lässt, zielt auch diese Frage auf die Zulässigkeit einer
kommunalen Freihalteplanung, die auf Ergänzung durch eine künftige fachpla-
nerische Entscheidung angelegt ist. Dazu kann auf die Ausführungen unter 1.
verwiesen werden.
3. Die Grundsatzrügen, mit denen die Beschwerde geklärt wissen will, welche
Anforderungen an die Realisierbarkeit der Planung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1
BauGB zu stellen sind (Beschwerdebegründung S. 18 - 22), rechtfertigen eben-
falls nicht die Zulassung der Revision. Auch diese Fragen lassen sich auf der
Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres
beantworten.
§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB bietet der Gemeinde schon in einem Stadium,
das der Verfestigung der Planung weit vorausgeht, die Gelegenheit, Grundstü-
cke zu erwerben. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, durch eine an städtebauli-
chen Interessen orientierte Bodenvorratspolitik die Sicherung einer langfristig
geordneten Planung und Entwicklung zu ermöglichen. Es genügt, dass die Ge-
meinde städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht. Dieser Begriff ist weit zu
verstehen. Darunter fallen alle Maßnahmen, die der Gemeinde dazu dienen,
ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen, vorausgesetzt, sie weisen einen
städtebaulichen Bezug auf. Zu solchen Maßnahmen gehört auch die Aufstel-
lung eines Bebauungsplans. Voraussetzung für den Erlass einer Satzung ge-
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mäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB sind förmlich konkretisierte Planungsab-
sichten aber nicht (Beschluss vom 14. April 1994 - BVerwG 4 B 70.94 - Buch-
holz 406.11 § 25 BauGB Nr. 2 - juris Rn. 5; Beschluss vom 8. September 2009
- BVerwG 4 BN 38.09 - BauR 2010, 81).
Die Vorverlegung der Zugriffsmöglichkeit mit dem Sicherungsmittel des Vor-
kaufsrechts lässt sich indes nur in den Fällen rechtfertigen, in denen sie sich
bereits zu diesem frühen Zeitpunkt aus städtebaulichen Gründen als notwendig
erweist. Das setzt voraus, dass die Vorkaufssatzung objektiv geeignet ist, zur
Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung i.S.d. § 1 Abs. 3
Satz 1 BauGB beizutragen (Beschluss vom 15. Februar 2000 - BVerwG 4 B
10.00 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 4 - juris Rn. 11). Daran fehlt es, wenn
absehbar ist, dass die - im vorliegenden Fall mit dem Aufstellungsbeschluss
aus dem Jahr 1999 konkretisierte - gemeindliche Planung, zu deren Sicherung
die Vorkaufssatzung erlassen wurde, an § 1 Abs. 3 BauGB oder an anderen
unüberwindbaren Planungshindernissen scheitern wird. Ob sich eine künftige
Bauleitplanung als nicht vollzugsfähig erweist, erfordert eine vorausschauende
Betrachtung. Bei dieser Prognose geht es um den Zeitraum, in dem die Unsi-
cherheiten einer Plandurchführung längstens als zumutbar erscheinen und von
den Planbetroffenen hinzunehmen sind. Der zugrunde zu legende Zeithorizont
muss im Hinblick auf die in dem Bebauungsplan vorgesehenen Festsetzungen
realistisch sein. Welcher Zeitraum für die Realisierbarkeit der als Angebot kon-
zipierten Planung als nicht mehr i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB hinnehmbar
angesehen werden kann, hängt von den planerischen Vorstellungen und der
jeweiligen Planungssituation ab. Für den Fall eines planfeststellungsersetzen-
den Bebauungsplans hat der Senat entschieden, dass ein Planungshindernis
gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorliegt, wenn sich absehen lässt, dass die
Verwirklichung des Vorhabens innerhalb eines Zeitraums von etwa zehn Jahren
nach In-Kraft-Treten des Plans ausgeschlossen sein wird (Urteil vom 18. März
2004 - BVerwG 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239 <241>; Beschluss vom 14. Juni
2007 - BVerwG 4 BN 21.07 - juris Rn. 4). Das sieht auch die Beschwerde.
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Es bedarf nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um festzu-
stellen, dass sich die zur zeitlichen Realisierbarkeit entwickelten Grundsätze
(1. Unterfrage) auf den Fall einer Freihalteplanung der vorliegenden Art über-
tragen lassen. Unabhängig davon, inwieweit der Fall der planfeststellungserset-
zenden Straßenplanung mit einer Freihalteplanung vergleichbar ist, die auf Er-
gänzung durch eine eisenbahnrechtliche Fachplanung angewiesen ist, lässt
sich aus der Rechtsprechung des Senats jedenfalls ableiten, dass die fachpla-
nerischen Fristen einen brauchbaren Anknüpfungspunkt für die bauleitplaneri-
sche Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bilden und auch im Fall
einer Freihalteplanung jedenfalls kein kürzerer Zeitraum als der fachplanerisch
normierte Zeitraum im Hinblick auf die Rechtswirkungen der Planfeststellung
und -genehmigung gemäß § 18c Nr. 1 AEG gelten kann. Der Unterschied zwi-
schen der Bebauungsplanung als Angebotsplanung und der Planfeststellung
als Objektplanung schlägt auch hier nicht zu Buche.
Ebenso lässt sich die weitere Unterfrage, ab welchem Zeitpunkt die Frist zu lau-
fen beginnt (2. Unterfrage), die der Beurteilung zugrunde zu legen ist, ob die
Planung auch verwirklicht werden wird, ohne Weiteres im Sinne des Beru-
fungsgerichts beantworten. Ein Planungshindernis i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1
BauGB liegt vor, wenn der Umsetzung der Planung unüberwindliche tatsächli-
che oder rechtliche Hindernisse auf unabsehbare Zeit entgegen stehen. Ob sol-
che Hindernisse bestehen, hat der Plangeber beim Satzungsbeschluss (§ 214
Abs. 3 Satz 1 BauGB) mit Blick auf den gewollten Zeitpunkt des In-Kraft-
Tretens des Bebauungsplans zu beurteilen. Denn § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB soll
verhindern, dass ein Norminhalt in Kraft tritt, der bereits im Zeitpunkt der Be-
kanntmachung funktionslos ist, weil die Festsetzungen auf Dauer nicht realisiert
werden können. Würde - wie es der Beschwerde vorzuschweben scheint - bei
der Prüfung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB auf den Zeitpunkt des Aufstellungs-
beschlusses oder des Beschlusses über die Vorkaufssatzung abgestellt, würde
faktisch ein Planungszwang begründet und die Wirkung einer Vorkaufssatzung
zeitlich begrenzt, obwohl der Erlass einer solchen Satzung keine förmliche Pla-
nung voraussetzt. Die Vorkaufssatzung als Mittel der Bodenvorratspolitik unter-
liegt jedoch - anders als das Sicherungsmittel der Veränderungssperre - keiner
zeitlichen Grenze. Schutzlos ist der betroffene Grundeigentümer nicht gestellt,
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wie § 28 Abs. 3 Satz 7 BauGB zeigt, der einen Nachzahlungsanspruch des
Verkäufers begründet, wenn die Gemeinde das Grundstück nicht innerhalb ei-
ner angemessenen Frist dem mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verfolgten
Zweck zuführt.
Mit der dritten Unterfrage greift die Beschwerde lediglich ihre bereits unter 1.
behandelten Einwände erneut auf. Soweit die Beschwerde geltend macht, die
Rechtsauffassung des Berufungsgerichts habe zur Konsequenz, dass das Si-
cherungsmittel der Vorkaufssatzung für unbegrenzte Zeit genutzt werden kön-
ne, ohne dass jemals die Realisierung der angestrebten zu sichernden Planung
überprüft werden müsse, nämlich wenn eine Planfeststellung unterbleibe (Be-
schwerdebegründung S. 20), berücksichtigt sie nicht, dass sich die Frage, aus
welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen mit der Realisierung einer pla-
nerischen Festsetzung auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist, nach den Um-
ständen des Einzelfalls beurteilt (Beschluss vom 14. Juni 2007 - BVerwG 4 BN
21.07 - juris Rn. 5). Auf diese Umstände stellt das Berufungsgericht ab mit der
Feststellung, es spreche vieles dafür, dass sich in dem Prognosezeitraum die
Rahmenbedingungen für den Güterverkehr auf der Straße verschlechtern und
demgemäß die Attraktivität des Schienenverkehrs steigen werde und es danach
auf der Hand liege und nicht als planerischer Missgriff bezeichnet werden kön-
ne, dass die Beklagte eine Verknüpfung beider Verkehre, die landesplanerisch
bei ihr vorgesehen ist, dort planen dürfe, wo für eine entsprechende Infrastruk-
tur noch Raum sei (UA S. 19). Damit bejaht das Berufungsgericht die Erforder-
lichkeit der Planung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und bringt zum Ausdruck,
dass sich das Planungsziel - auch soweit es um die fachplanungsrechtlichen
Voraussetzungen geht - verwirklichen lasse. Dass die Beschwerde diese Ein-
schätzung nicht teilt, führt nicht auf den behaupteten Klärungsbedarf.
4. Mit den Fragen zu den Gemeinwohlanforderungen an die Ausübung eines
Vorkaufsrecht (Beschwerdebegründung S. 22 - 25) will die Beschwerde das
„Verhältnis zwischen gemeindlicher und fachbehördlicher Einschätzung der
Wahrscheinlichkeit einer (Wieder-)Aufnahme der fachplanerischen privilegierten
und grundsätzlich dem Allgemeinwohl dienenden Nutzung“ geklärt wissen (Be-
schwerdebegründung S. 25). Ein Klärungsbedarf wird damit nicht aufgezeigt.
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Wie die Beschwerde selbst erkennt, kann auch eine Freihalteplanung grund-
sätzlich dem Allgemeinwohl dienen. Mit der Frage, „ob die Gemeinde trotz der
abweichenden Einschätzung der Fachplanungsbehörde eine Bodennutzung für
absehbar möglich erachten und so verfahren darf“ (Beschwerdebegründung
S. 24), wiederholt sie nur ihren Einwand, dass sich das Planungsziel nicht ver-
wirklichen lasse. Dazu kann auf die Ausführungen unter 3. verwiesen werden.
Der Sache nach beschränkt sich die Rüge auf schlichte Kritik an der die konkre-
ten Umstände des Einzelfalls würdigenden Auffassung des Berufungsgerichts,
das unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden
zu der Einschätzung gelangt ist, dass eine erfolgreiche Reaktivierung der
schienenseitigen Nutzung gelingen könne (UA S. 21).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat macht von sei-
ner Befugnis Gebrauch, den vom Berufungsgericht festgesetzten Streitwert
gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern. Die Erwägung des
Berufungsgerichts, der Streitwert sei gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf den Auffang-
wert festzusetzen, weil die Beklagte als Berufungsführerin nur öffentliche Inte-
ressen vertrete, ist unrichtig. Sie lässt sich insbesondere nicht auf § 47 Abs. 1
Satz 1 GKG stützen, wonach sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach
den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt. Der Regelung liegt der Ge-
danke zugrunde, dass sich das Interesse des Rechtsmittelklägers von dem der
übrigen Beteiligten, insbesondere dem Interesse eines Beigeladenen, unter-
scheiden kann; für diesen Fall bestimmt § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG, dass der
Streitwert des Rechtsmittelverfahrens durch den Streitwert des Streitgegens-
tandes des ersten Rechtszuges beschränkt wird. Im Regelfall, insbesondere
wenn der Beklagte das Rechtsmittel führt, ist aber der Streitwert des ersten
Rechtszuges mit dem des Rechtsmittelzuges identisch, soweit der Streitge-
genstand unverändert geblieben ist (Beschluss vom 9. November 1988
- BVerwG 4 B 185.88 - NVwZ-RR 1989, 280). Das ist hier der Fall. Der Senat
folgt den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, dass die Bedeutung der Sache
sich nicht in direkter Anwendung des Streitwertkatalogs (Nr. 9.6.1 für die Kläge-
rin zu 2 als Käuferin und Nr. 9.6.2 für die Klägerin zu 1 als Verkäuferin) auf der
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Grundlage des vereinbarten Kaufpreises in Höhe von 65 124,66 € (einschließ-
lich 16 % Mehrwertsteuer) bestimmen lässt, sondern dass es einer Schätzung
des annähernd reellen Kaufpreises bedarf und zwischen den wirtschaftlichen
Interessen der Klägerinnen nicht zu differenzieren ist. Wie im Beschluss des
Verwaltungsgerichts vom 13. September 2007 ausgeführt, erscheint ein Streit-
wert in Höhe von 375 000 € je Klägerin der Bedeutung der Sache angemessen.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Bumke