Urteil des BVerwG vom 18.09.2013

Rechtliches Gehör, Erlass, Rechtsmittelbelehrung, Berufungskläger

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 41.13
OVG 3 L 121/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. September 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Mai 2013 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten
selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die
geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO
sind nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genü-
genden Weise dargelegt oder liegen jedenfalls nicht vor.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) zuzulassen.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine
Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung
einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Be-
schwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen
und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1
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VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine
bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungs-
bedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu
erwarten ist (stRspr; so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B
78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011
- BVerwG 7 B 45.10 - juris Rn. 15). Daran fehlt es hier. Die sinngemäß gestellte
Frage, ob die Berufung noch gesondert begründet werden muss, wenn die Be-
gründung nicht über die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung
hinausginge, ist in der Rechtsprechung des Senats bereits in bejahendem Sin-
ne geklärt (vgl. die Nachweise in den Ausführungen zu 2.). Aus dem Beschwer-
devorbringen ergibt sich nicht, dass die Rechtsprechung in einem Revisionsver-
fahren einer erneuten Prüfung und ggf. einer Korrektur unterzogen werden
müsste.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Dem
Oberverwaltungsgericht ist dadurch, dass es die Berufung der Klägerin infolge
fehlender Begründung als unzulässig verworfen hat, kein Verfahrensfehler un-
terlaufen.
Gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist die Berufung in den Fällen des Absat-
zes 5 der Vorschrift, d.h. der Zulassung des Rechtsmittels auf Antrag durch das
Oberverwaltungsgericht, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Das Oberverwal-
tungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nach Zulas-
sung der Berufung in jedem Fall einen gesonderten Schriftsatz zur Berufungs-
begründung hätte einreichen müssen (so bereits Urteil vom 30. Juni 1998
- BVerwG 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <120 f.> und Urteil vom 4. Oktober
1999 - BVerwG 6 C 31.98 - BVerwGE 109, 336 <338 f.> jeweils zu § 124a
Abs. 3 VwGO i.d.F. des 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996, BGBl I
S. 1626; Urteil vom 8. März 2004 - BVerwG 4 C 6.03 - Buchholz 310 § 124a
VwGO Nr. 26 sowie Beschlüsse vom 16. Juni 2011 - BVerwG 1 B 11.11 u.a. -
juris Rn. 6, vom 19. Oktober 2009 - BVerwG 2 B 51.09 - juris Rn. 3, vom
1. August 2002 - BVerwG 3 B 112.02 - BayVBl 2003, 442 und vom 3. Dezem-
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ber 2002 - BVerwG 1 B 429.02 - NVwZ 2003, 868 jeweils zu § 124a Abs. 6
VwGO i.d.F. des RmBereinVpG vom 20. Dezember 2001, BGBl I S. 3987),
denn diese Anforderung ist unverzichtbar (Beschluss vom 4. Mai 2006
- BVerwG 6 B 77.05 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 31 Rn. 5).
Das Erfordernis einer fristgebundenen, nach Zulassung der Berufung einzurei-
chenden Berufungsbegründung gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist kein
bloßer Formalismus. Es dient in erster Linie der Klarstellung durch den Beru-
fungsführer, ob, in welchem Umfang und weshalb er an der Durchführung des
Berufungsverfahrens ggf. auch unter veränderten tatsächlichen Verhältnissen
festhalten will (Beschluss vom 15. Oktober 1999 - BVerwG 9 B 491.99 - Buch-
holz 310 § 124a VwGO Nr. 13). Da bei einem erfolgreichen Zulassungsantrag
das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt wird und es keiner
Einlegung der Berufung bedarf (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO), hat das durch
das 6. VwGO-Änderungsgesetz in den Rang einer Zulässigkeitsvoraussetzung
erhobene Erfordernis der Berufungsbegründung an Bedeutung gewonnen. Mit
dem Berufungsbegründungsschriftsatz dokumentiert der Berufungskläger nach
Erlass des Zulassungsbeschlusses, dass er an dem Berufungsverfahren ggf.
auch bei nur teilweise zugelassener Berufung noch interessiert ist. Unzumutba-
res wird ihm damit nicht abverlangt. Soweit er im Zulassungsantrag bereits er-
schöpfend vorgetragen hat, genügt es, wenn er darauf in einem innerhalb der
Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO eingehenden Schriftsatz Bezug nimmt
(Urteile vom 30. Juni 1998 a.a.O. S. 121, vom 8. März 2004 - BVerwG 4 C
6.03 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 und vom 7. Januar 2008 - BVerwG
1 C 27.06 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 36 = NJW 2008, 1014, jeweils
Rn. 12; Beschlüsse vom 19. Oktober 2009 - BVerwG 2 B 51.09 - juris Rn. 4 und
vom 27. Januar 2005 - BVerwG 4 B 7.05 - juris Rn. 3) und seine Berufungsan-
träge formuliert (§ 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Es wird von
ihm - anders als die Klägerin meint - daher in solchen Fällen gerade nicht ver-
langt, eine völlig gleichlautende Berufungsbegründungsschrift (nochmals) ein-
zureichen.
Die Notwendigkeit eines gesonderten fristgebundenen Schriftsatzes nach Er-
lass des Zulassungsbeschlusses dient (auch) der Verwirklichung des Be-
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schleunigungsgedankens, denn es entlastet das Berufungsgericht beim Aus-
bleiben der Berufungsbegründung von der häufig aufwendigen Sichtung und
Prüfung, ob schon die Begründung des Zulassungsantrags die erforderlichen
Elemente einer Berufungsbegründung enthält. Andernfalls träten an die Stelle
klarer prozessualer Kriterien Elemente wertender Würdigung (Urteil vom 7. Ja-
nuar 2008 a.a.O.).
Dem entsprechend reicht es nicht aus, dass - wie im vorliegenden Fall - der Be-
rufungsantrag - sofern in der Formulierung „Die Klägerin wendet sich gegen das
klageabweisende Urteil“ auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 27. Juni 2008 über-
haupt ein ausreichender Berufungsantrag zu sehen ist - und die Begründung
der Berufung schon in dem Schriftsatz enthalten waren, mit dem der Antrag auf
Zulassung der Berufung begründet worden war (Urteil vom 7. Januar 2008
a.a.O.).
Auf die Notwendigkeit einer eigenen Berufungsbegründung ist die Klägerin in
der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung
vom 13. Februar 2013 ordnungsgemäß hingewiesen worden. Auch die zusätz-
lich von ihr geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
(Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2
i.V.m.
§ 138 Nr. 3 VwGO) liegt daher nicht
vor. Dass die Vorinstanz die Begründung des Antrags auf Zulassung der Beru-
fung nicht als Berufungsbegründung gewertet hat, verstößt nicht gegen das
Gebot des fairen Verfahrens (Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 GG), sondern ent-
spricht dem Gesetz, das in § 124a Abs. 4 Satz 4 und § 124a Abs. 6 Satz 1
VwGO zwischen beiden Begründungen unterscheidet (Beschluss vom 27. Ja-
nuar 2005 a.a.O. = juris Rn. 2 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die
Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52
Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Decker
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