Urteil des BVerwG vom 01.10.2009

Rechtswidrigkeit, Gebäude, Gesamtprüfung, Bebauungsplan

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 41.09
VGH 1 B 02.1267
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Oktober 2009
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:
Die Beschwerde des Beigeladenen zu 2 gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 25. März 2009 wird zurück-
gewiesen.
Der Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Beschwerde-
verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen
zu 1, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 112,92 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die von der
Beschwerde behauptete rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird
nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt.
Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklär-
ten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen
Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Ein-
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zelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerdebegründung
wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt haben,
„ob eine materiell zulässig errichtete Baulichkeit, bei der
im Nachhinein festgestellt wird, dass Abstandsflächen, die
einzuhalten waren, nicht eingehalten worden sind, dann
bei weiteren Bauanträgen dazu führen, dass aufgrund
dieser Rechtswidrigkeit jegliche weitere Baumaßnahme,
die in irgendeiner Weise den Nachbarn berührt, dann ab-
zulehnen ist, weil diese Abstandsflächen seinerzeit nicht
eingehalten worden sind.“
Abgesehen davon, dass diese Frage kaum verständlich und in sich wider-
sprüchlich formuliert ist, führt sie schon deshalb nicht zur Zulassung der Revisi-
on, weil sie Abstandsflächenrecht (Art. 6 und 7 BayBO) und damit nicht revi-
sibles Landesrecht betrifft.
Gleiches gilt, soweit die Beschwerde meint, es müsse, „da die Klägerin bei un-
terstellter Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung in ihren nachbarlichen Rech-
ten gleichwohl nicht beeinträchtigt wird“, rechtsgrundsätzlich entschieden wer-
den,
„ob ein Baurecht bzw. eine Baugenehmigung aufzuheben
ist, weil sie möglicherweise ursprünglich rechtmäßig war,
durch Änderungen ihre materielle Rechtmäßigkeit verliert,
aber durch den Bestandsschutz das Gebäude weiterhin
materiellrechtlich zulässig errichtet ist.“
Auch insoweit fehlt es an einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO genügenden Darlegung. Dies gilt bereits deshalb, weil sich allenfalls
unter Heranziehung der weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung
erahnen lässt, dass der Beigeladene zu 2 hiermit rechtsgrundsätzlich geklärt
haben will, ob die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung zutrifft,
dass bei einer Änderung eines genehmigungspflichtigen, aber nicht genehmig-
ten oder abweichend von der erteilten Genehmigung errichteten Gebäudes
nicht die Änderung „isoliert“ zur Überprüfung gestellt werden darf, sondern dass
sich der Bauantrag und dementsprechend auch die materielle Prüfung auf das
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gesamte Gebäude mit der geplanten Änderung erstrecken müssen (UA Rn. 37).
Im Übrigen betrifft diese Frage ebenfalls irrevisibles Landesrecht. Denn sie
bezieht sich auf die dem Urteil zugrunde liegende Auslegung der BayBO
dahingehend, dass bei einer abstandsflächenrechtlich relevanten Änderung
eines Gebäudes eine Gesamtprüfung der abstandsflächenrechtlichen Zu-
lässigkeit jedenfalls dann erforderlich ist, wenn bei der Errichtung des Gebäu-
des in abstandsflächenrechtlich relevanter Weise von der Baugenehmigung
abgewichen wurde (UA a.a.O.). Dass der Verwaltungsgerichtshof diese Ausle-
gung des Landesrechts auch durch eine Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts zum - revisiblen - bauplanungsrechtlichen Vorhabensbegriff (Be-
schluss vom 4. Februar 2000 - BVerwG 4 B 106.99 - NVwZ 2000, 1047 = Buch-
holz 406.11 § 29 BauGB Nr. 64) untermauert, ändert nichts daran, dass er den
bauordnungsrechtlichen Vorhabensbegriff auslegt.
Im Übrigen macht die Beschwerde lediglich eine unrichtige Rechtsanwendung
geltend, auf die eine Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ge-
stützt werden kann. Das gilt auch, soweit der Verwaltungsgerichtshof davon
ausgeht, dass die Tiefe der Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO
a.F. und nicht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO a.F. zu bestimmen seien, weil
Baugrenzen, durch die Außenwände im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO
a.F. zugelassen werden könnten, im Bebauungsplan abwägungsfehlerhaft fest-
gesetzt worden und deshalb unwirksam seien.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Gatz
Dr. Philipp
Petz
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