Urteil des BVerwG vom 01.09.2003

Lärmbelastetes Gebiet, Richteramt, Luftfahrt, Bundesamt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 41.03
VGH 2 A 1062/01
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. September 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und G a t z
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beklagten wird die Entscheidung des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtzulassung der
Revision gegen das Urteil vom 11. Februar 2003 aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
11. Februar 2003 wird verworfen.
Die Beigeladene trägt die Hälfte der Gerichtskosten und der außer-
gerichtlichen Kosten der Klägerinnen. Ihre eigenen Kosten trägt sie
selbst. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens der Kostenentscheidung in der Hauptsache vor-
behalten.
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren
auf 35 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Beklagten ist begründet. Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO zugelassen. Das Revisionsverfahren bietet Gelegenheit, die Rechtsprechung zum
Rechtsschutz gegen Lärmbelastungen zu vertiefen, die sich aus der Festlegung von Flug-
verfahren gemäß § 27 a Abs. 2 Satz 1 LuftVO ergeben.
Die Beschwerde der Beigeladenen ist unzulässig. Ihr fehlt die Beschwerdebefugnis.
Nach § 66 Satz 1 VwGO kann der Beigeladene zwar innerhalb der Anträge eines Beteiligten
selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen. Die Zulässigkeit eines
Rechtsmittels setzt jedoch eine materielle Beschwer voraus (vgl. BVerwG, Urteile vom
16. September 1981 - BVerwG 8 C 1. und 2.81 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 76, vom
30. Mai 1984 - BVerwG 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256 und vom 14. Januar 1993 - BVerwG
4 C 2.90 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 109). Diesem Erfordernis ist genügt, wenn die Vor-
instanz eine Rechtsauffassung vertreten hat, die zu einer Beeinträchtigung materieller Rech-
te des Beigeladenen führen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. April 1997 - BVerwG 3 C
3.95 - BVerwGE 104, 289 und vom 14. April 2000 - BVerwG 4 C 5.99 - Buchholz 406.11 § 35
BauGB Nr. 342). Für eine solche Beschwer ist hier nichts ersichtlich.
Die Beigeladene weist darauf hin, dass es im An- und Abflugverkehr schon jetzt Engpässe
gebe, da der Frankfurter Flughafen bis an die Grenze seiner Kapazität ausgelastet sei. Die
angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs lässt indes das Flugaufkommen
unberührt. Sie führt rechtlich nicht zu Einschränkungen des Flugbetriebs. Ihre Wirkung er-
schöpft sich darin, den durch Genehmigung und Planfeststellung zugelassenen Flugverkehr
ggf. nach Maßgabe der Entscheidungsgründe umzuverteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom
28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276).
Auch soweit die Beigeladene die Befürchtung äußert, im Falle der Nichtanwendung der
212. DVO-LuftVO die An- und Abflugkoordinierung auf Einzelweisungen umstellen zu müs-
sen, drohen ihr keine rechtlichen Nachteile. Der Verwaltungsgerichtshof hat Vorsorge dafür
getroffen, dass der Flugbetrieb durch etwaige Umplanungen nicht beeinträchtigt wird. Er hat
durch den Zusatz, dass die Klägerinnen die Nutzung der streitgegenständlichen Verfahren
"nach Ablauf von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils nicht zu dulden ha-
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ben", die Wirkung seines Feststellungsurteils um drei Monate hinausgeschoben. Die Beige-
ladene macht selbst nicht geltend, dass dieser Zeitraum nicht ausreicht, um den Abflugver-
kehr ohne Kapazitätsbeschränkungen oder sonstige Betriebsbeeinträchtigungen anders zu
verteilen.
Schließlich läuft die Beigeladene nicht Gefahr, mit ihrer eigenen Verpflichtung, vermeidbaren
Fluglärm zu verhindern und die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß
zu beschränken (§ 29 b Abs. 1 LuftVG), in Konflikt zu geraten. Ohne Erfolg hebt sie hervor,
dass die von der Vorinstanz nahe gelegte Verschiebung der Nordabflüge in westliche Rich-
tung zur Folge hätte, dass ein dichter besiedeltes und schon jetzt stark lärmbelastetes Ge-
biet im Nahbereich des Flughafens häufiger überflogen werden müsste. Für die Festlegung
der Abflugstrecken trägt nicht sie die Verantwortung. Würde die beanstandete Flugroute ver-
legt, so hätte nicht sie, sondern das Luftfahrt-Bundesamt dafür einzustehen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 4 C
11.03 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen.
Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, ein-
zureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der
Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer
an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung
zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen
Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum
Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Be-
amte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde
oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zuge-
hören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, so-
weit er einen Antrag stellt.
Paetow Halama Gatz