Urteil des BVerwG vom 23.02.2012

Rechtsmittelbelehrung, Nachbar, Zustellung, Zusammenwirken

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 38.11
VGH 15 B 10.191
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Februar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 12. April 2011, berichtigt durch Be-
schluss vom 6. Juni 2011, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin hat
keinen Erfolg.
1. Die Rüge der Klägerin, das angefochtene Urteil weiche gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Be-
schlüsse vom 11. März 2010 - BVerwG 7 B 36.09 - Buchholz 310 § 58 VwGO
Nr. 89 = BayVBl 2010, 443 und vom 7. Juli 2008 - BVerwG 6 B 14.08 - Buch-
holz 442.066 § 131 TKG Nr. 1) ab, genügt nicht den Darlegungsanforderungen
des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der Revisionszulassungsgrund der Abwei-
chung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvor-
schrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem ebensol-
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chen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (Be-
schluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712).
Einen solchen Rechtssatzwiderspruch zeigt die Beschwerde nicht auf. Zwar
werden Rechtssätze aus den in Bezug genommenen Entscheidungen des Bun-
desverwaltungsgerichts zitiert. Es fehlt jedoch an der Formulierung eines davon
abweichenden Rechtssatzes aus der angefochtenen Entscheidung. Die Be-
schwerde beschränkt sich vielmehr auf den Einwand, im vorliegenden Fall sei
das Anschreiben, mit dem der Klägerin eine Abschrift der ausgefertigten Bau-
genehmigung übersandt worden sei, missverständlich und irreführend gewe-
sen, so dass die an sich eindeutige Rechtsmittelbelehrung dadurch missver-
ständlich geworden sei.
Damit setzt die Beschwerde lediglich ihre Rechtsansicht der Auffassung des
Verwaltungsgerichtshofs entgegen, der ausgeführt hat, dass weder der Inhalt
des Anschreibens noch andere Umstände geeignet gewesen seien, bei der
Klägerin den Eindruck zu erwecken, die Rechtsbehelfsbelehrung beziehe sich
nicht auf sie. Mit der Behauptung einer fehlerhaften Rechtsanwendung im Ein-
zelfall lässt sich eine Abweichung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht begrün-
den.
2. Ebenso wenig führt die Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, mit
der die Beschwerde die Frage geklärt wissen will, „ob eine an sich neutrale
Rechtsmittelbelehrung sich dann nicht an den Nachbarn richtet, wenn dieser
gesetzeswidrig am Vorverfahren nicht beteiligt wurde“ bzw. „ob der Nachbar
‚ohne weiteres’ die Rechtsmittelbelehrung in einer ihm zugestellten Baugeneh-
migung auch auf sich beziehen muss, wenn er zuvor rechtswidrig von der ge-
setzlich vorgeschriebenen Beteiligung als Nachbar … ausgegrenzt und fernge-
halten wurde“, zur Zulassung der Revision.
Mit diesen Fragen wird kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt. Viel-
mehr wendet sich die Beschwerde lediglich - nun im Gewande der Grundsatz-
rüge - gegen die wiederum auf einer Würdigung der Umstände des konkreten
Falles beruhenden Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es der Klä-
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gerin, ungeachtet des Umstands, dass die Zustellung einer Ausfertigung der
Baugenehmigung sie mangels Beteiligung am Baugenehmigungsverfahren
„überrascht“ haben möge, nach Lage der Dinge zuzumuten gewesen sei, sich
bei der Beklagten als Baugenehmigungsbehörde über den Inhalt der Bauge-
nehmigung zu informieren. Soweit die Beschwerde darüber hinaus auf ein „kol-
lusives Zusammenwirken“ verweist (Beschwerdebegründung S. 10), legt sie
einen Sachverhalt zugrunde, zu dem der Verwaltungsgerichtshof keine Fest-
stellungen getroffen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Jannasch
Dr. Bumke
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