Urteil des BVerwG vom 20.09.2007

Rechtswidrigkeit, Beratung, Beweismittel, Verfahrensmangel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 38.07
OVG 3 L 243/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. September 2007
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Mai 2007 wird zu-
rückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Er-
folg.
Die Klägerin wirft dem Berufungsgericht vor, seine Entscheidung auf Vermu-
tungen bzw. eine unzutreffende Unterstellung gestützt zu haben; es habe drei
unterschiedliche Begründungen gegeben, ohne die Frage der Rechtmäßigkeit
der Festsetzung der Geländeoberfläche zu prüfen. Damit habe das Berufungs-
gericht seine Aufklärungspflicht verletzt. Die weitere Sachverhaltsaufklärung
habe sich dem Berufungsgericht angesichts der ausdrücklichen Beweisanträge
der Klägerin auch aufdrängen müssen.
Eine Aufklärungsrüge genügt nur dann den Darlegungsanforderungen (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn der Verfahrensmangel sowohl in den ihn (ver-
meintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung
substantiiert dargetan wird. Das bedeutet, dass mit der Beschwerde substanti-
iert hätte dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstän-
de der Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich
gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und
welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sach-
verhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte
dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachenge-
richt, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme
der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hin-
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gewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen
auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen.
Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfah-
rensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung
von Beweisanträgen, zu kompensieren. Lediglich schriftsätzlich angekündigte
Beweisanträge genügen den letztgenannten Anforderungen nicht (vgl. Be-
schluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1
VwGO Nr. 265).
Die Klägerin spricht zwar in der Beschwerde auch ausdrücklich von Beweisan-
trägen. Dass sie in den mündlichen Verhandlungen am 17. April 2007 und
16. Mai 2007 Beweisanträge gestellt hat, lässt sich den Sitzungsniederschriften
jedoch nicht entnehmen und wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Die in
den Schriftsätzen der Klägerin enthaltenen Hinweise auf entsprechende Sach-
verständigengutachten als Beweismittel sind lediglich - wie es die Klägerin an
anderer Stelle in der Beschwerde selbst umschreibt - Beweisangebote.
Dem Berufungsgericht musste sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung auch
nicht aufdrängen. Das Berufungsgericht hat sich zur Begründung auf einen im
Termin am 17. April 2007 eingeführten Lageplan eines Vermessungsbüros ge-
stützt, der Angaben zur natürlichen Geländehöhe enthält (UA S. 10). Dass die-
ser Lageplan grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, von unzu-
treffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder dass Anlass zu Zweifeln
an der Sachkunde des Vermessungsbüros bestünde, behauptet auch die Klä-
gerin nicht. Sie beschränkt sich auf den Einwand, sie habe Beweis dafür ange-
boten, dass die festgesetzte Geländeoberfläche unzutreffend sei. Das genügt
nicht, um aufzuzeigen, dass das Gericht Anlass hatte, an der Aussagekraft des
Lageplans zu zweifeln und von Amts wegen weitere Erkenntnismittel hätte he-
ranziehen müssen.
Soweit die Klägerin meint, die Sitzungsniederschrift vom 17. April 2007 zeige
- mit der Umschreibung „dürfte“ -, dass sich das Berufungsgericht auf Vermu-
tungen beschränkt habe, verkennt sie, dass die Erörterung der Streitsache
(§ 104 Abs. 1 VwGO) unter dem Vorbehalt der nachfolgenden Beratung und
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Entscheidung steht. Die Verwendung der konditionalen Umschreibung „dürfte“
verweist lediglich auf diesen Umstand. Abgesehen davon blendet die Klägerin
aus, dass sich das Berufungsgericht zur Begründung - in dem angefochtenen
Urteil - auf den erwähnten Lageplan stützt.
Aus der Feststellung, dass sich die Angaben in dem Lageplan mit den der
Festsetzung zugrunde gelegten Angaben im Plan Beiakte 2 „decken“ (UA
S. 10), erschließt sich ohne weiteres, „in welcher Weise“ das Berufungsgericht
die strittige Festsetzung überprüft hat. Insofern kann keine Rede davon sein,
dass das Berufungsgericht die - wie die Klägerin moniert - „offensichtlich will-
kürlich und beliebig“ von der Beklagten getroffenen Festsetzungen der Gelän-
dehöhe nicht überprüft hat. Soweit die Klägerin mit diesem Vorwurf sinngemäß
rügen wollte, das Berufungsgericht habe die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen
Festsetzung (vor Erlass der Nachtragsgenehmigung vom 8. Mai 2007) nicht
überprüft, wird nicht beachtet, dass die Klägerin nach der maßgeblichen
Rechtsauffassung des Berufungsgerichts kein berechtigtes Interesse für eine
Klage auf isolierte Feststellung der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bauge-
nehmigung hat (UA S. 7). Es bestand daher kein Anlass, die ursprüngliche
Festsetzung zu überprüfen; die Frage war nicht entscheidungserheblich.
Auch soweit die Klägerin rügt, das Berufungsgericht verwende „unterschiedliche
Darstellungen bzw. Begründungen für den Geländeunterschied“, zeigt keinen
Aufklärungsmangel auf, sondern greift letztlich nur die Entscheidung nach Art
einer Berufungsbegründung an und setzt dabei ihre Auffassung der Auffassung
des Berufungsgerichts entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rojahn Dr. Philipp Dr. Bumke
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