Urteil des BVerwG vom 23.06.2005

Unterschutzstellung, Wiederherstellung, Daten, Erhaltung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 38.05
OVG 8 A 2131/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G a t z und die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Januar 2005 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 102 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde
bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr
die Beschwerde beimisst.
1. Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Fragen,
- ob eine Unterschutzstellung, die auf die Entwicklung und Wiederherstellung
eines naturschutzwürdigen Zustandes und die Einrichtung einer Ergänzungs-
und Verbundfläche gerichtet ist, als zulässige oder unzulässige Inhalts- und
Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG oder als Beschaffungs-
vorgang zugunsten des öffentlichen Zwecks des Naturschutzes (Enteignung im
Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG) zu qualifizieren ist, und
- ob die allgemeine Staatszielbestimmung in Art. 20 a GG auch dann grund-
sätzlich Vorrang gegenüber der Rohstoffsicherungsklausel gemäß § 48 Abs. 1
Satz 2 BBergG hat, wenn eine naturschutzrechtliche Unterschutzstellung
- bezogen auf die Rohstoffflächen - ausschließlich auf die Entwicklung und
Wiederherstellung eines naturschutzwürdigen Zustandes und die Einrichtung
von Ergänzungs- und Verbundflächen ausgerichtet ist,
würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Berufungsurteil beruht
nicht auf der Annahme, dass die naturschutzrechtliche Unterschutzstellung aus-
schließlich auf die Entwicklung und Wiederherstellung eines naturschutzwürdigen
Zustandes und die Einrichtung von Ergänzungs- und Verbundflächen gerichtet sei.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Schutzwürdigkeit der in Rede stehenden Flä-
chen vielmehr auf drei Gesichtspunkte gestützt. Die Unterschutzstellung diene ers-
tens der Erhaltung des Areals als Brut- und Nahrungshabitat jedenfalls des Raub-
würgers, zweitens der Erhaltung des Areals als Funktionsergänzungs- und Verbund-
fläche für die Ausbreitung und den Austausch seltener Lebensformen und drittens
der Wiederherstellung bzw. Entwicklung eines Kalktrocken- und Magerrasenkomple-
xes. Jeden dieser Gesichtspunkte hat es ausdrücklich als selbständig tragend be-
zeichnet (vgl. UA S. 23). In Bezug auf den Urteilsgrund, dass die in Rede stehenden
Flächen schutzwürdig und -bedürftig seien, weil sie ein wertvolles Brut- und Nah-
rungshabitat für die seltene und gefährdete Vogelart des Raubwürgers seien, und die
Unterschutzstellung auch insoweit den Anforderungen des Abwägungsgebots
genüge (UA S. 38 ff.), hat die Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund nicht
- wie dies bei einem auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützten
Urteil erforderlich wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1973 - BVerwG 4 B
92.73 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 109; Beschluss vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26) - geltend gemacht.
2. Die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage, welche Anforderungen sich
aus Art. 14 GG für die Begründung der Naturschutzwürdigkeit im Verfahren zur na-
turschutzrechtlichen Unterschutzstellung ergeben, hat keine grundsätzliche Bedeu-
tung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Antwort auf diese Frage hängt von
den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls ab und ist einer verallgemeinerungsfä-
higen Klärung für eine Vielzahl von Fällen nicht zugänglich. Die zur Konkretisierung
der vorstehenden Frage gestellte Frage, ob die Naturschutzwürdigkeit durch aktuelle
schutzgebietsbezogene Daten wissenschaftlich nachvollziehbar nachzuweisen ist
oder ob auch nicht nachgewiesene Behauptungen von Fachleuten, für andere Zwe-
cke einige Jahre vor der Unterschutzstellung ermittelte Daten sowie Informationen
von Privatpersonen für die Begründung der Naturschutzwürdigkeit ausreichen, würde
sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat we-
der die Aktualität und die Schutzgebietsbezogenheit der den Sachverständigengut-
achten des Biologen Dr. B. und des Dipl.-Geogr. Volker S. zugrundeliegenden Daten
noch die Nachvollziehbarkeit der Gutachten infragegestellt. Auf Informationen von
Privatpersonen hat es sich nicht gestützt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung
auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Dr. Paetow
Gatz
Dr. Philipp