Urteil des BVerwG vom 14.09.2007

Beweisantrag, Beteiligter, Erstellung, Abrede

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 37.07
OVG 1 KO 210/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. September 2007
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungs-
gerichts vom 23. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des
Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtli-
chen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Die
erhobene Aufklärungsrüge greift nicht durch.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein
Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich
dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung ab-
sieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat.
Der Beweisantrag ist förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu
stellen (vgl. Beschluss vom 11. August 1999 - BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz
310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19). Die Aufklärungsrüge kann nicht dazu
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dienen, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte
stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (Beschluss vom 5. August
1997 - BVerwG 1 B 144.97 - NVwZ-RR 1998, 784). Einen Beweisantrag haben
die Kläger ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor
dem Berufungsgericht am 23. Mai 2007 nicht gestellt.
Die Tatsache, dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist nur dann uner-
heblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine
weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Eine Aufklärungsrüge
ist jedoch nur dann erfolgreich, wenn sie schlüssig aufzeigt, dass das Gericht
auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung hätte
sehen müssen. Mit der Beschwerde muss ferner dargelegt werden, welche
tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Auf-
klärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte
Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können
(Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328;
stRspr). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, der angefochtene Abmarkungs-
bescheid sei rechtmäßig und verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten, maß-
geblich auf die Stellungnahmen des vom Verwaltungsgericht beauftragten und
in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht angehörten Sach-
verständigen gestützt. Das Berufungsgericht führt hierzu aus, der Sachverstän-
dige habe nachvollziehbar dargelegt, dass Bezugspunkt für den umstrittenen
- und abgemarkten - Grenzverlauf zwischen den Flurstücken der Kläger und
den nördlich angrenzenden Flurstücken des Beigeladenen die in Ost-West-
Richtung verlaufende Grenze zwischen den Grenzpunkten 79 und 81 sei. Da-
von ausgehend sei im Jahr 1986 der heute umstrittene Grenzverlauf festgelegt
worden. Der Fortführungsriss aus dem Jahr 1986 könne auf den Wege- und
Planaufmessungsriss aus dem Jahr 1927 zurückgeführt werden. Nach Ansicht
des Sachverständigen sei zwar unklar, ob der in der Örtlichkeit vorgefundene
Grenzpunkt 81 immer unverändert geblieben sei. Der Sachverständige habe
daher die umstrittene Abmarkung anhand zweier Berechnungsansätze über-
prüft. Ein Ansatz habe zur Voraussetzung gehabt, dass dieser Grenzpunkt ver-
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ändert worden sei. Beide Berechnungen hätten einen Grenzverlauf innerhalb
der zulässigen Toleranzen ergeben. Das Berufungsgericht hat diese Ausfüh-
rungen dahin gewürdigt, es sei nicht zweifelhaft, dass der Nachweis im Liegen-
schaftskataster eine einwandfreie Feststellung des Grenzverlaufs zuließe und
dass die Abmarkung durch das zuständige Katasteramt dementsprechend er-
folgt sei.
Die Kläger ziehen zwar die Aussagen des Sachverständigen und die Beweis-
würdigung des Berufungsgerichts in Zweifel, zeigen aber dabei nicht auf, dass
die Entscheidungsgrundlagen des Berufungsgerichts unvollständig gewesen
sein könnten. Das gilt für das Vorbringen, der sog. Fortführungsriss aus dem
Jahr 1986 sei erstellt worden, weil der Grenzverlauf zwischen den Flurstücken
des Klägers und dem südlichen Grundstücksnachbar J. M. habe geändert wer-
den sollen, ebenso wie für den Einwand, es existierten zwei Fortführungsrisse
aus dem Jahr 1986, in denen jeweils auf dem Grundstück des Beigeladenen
Gebäude eingezeichnet seien, die bei der „angeblichen“ Erstellung des Fortfüh-
rungsrisses im Jahr 1986 noch nicht vorhanden gewesen seien. Die Beschwer-
de legt nicht dar, dass sich dem Berufungsgericht aus diesen Gründen Zweifel
an der Richtigkeit des abgemarkten Grenzverlaufs zwischen den Punkten 79
und 81 an der umstrittenen Grenze zwischen den Flurstücken der Kläger und
des Beigeladenen hätten aufdrängen müssen. Die Kläger stellen selbst nicht in
Abrede, dass die Grenzpunkte in dem Fortführungsriss vom 27. Mai 1986 bzw.
vom 27. September 1986 „sich jetzt in der Realität wiederfinden“. Die Be-
schwerde setzt sich auch nicht mit der vom Berufungsgericht zugrunde geleg-
ten Aussage des Sachverständigen auseinander, der Fortführungsriss aus dem
Jahr 1986 könne auf den Wege- und Planaufmessungsriss aus dem Jahr 1927
zurückgeführt werden. Die Beschwerde äußert sich ferner nicht dazu, dass der
Sachverständige gerade für den Fall, dass der Grenzpunkt 81 sich nicht mehr
an seiner ursprünglichen Stelle befinden sollte, zwei Berechnungen durchge-
führt hat, deren Ergebnisse seinen Angaben zufolge jeweils innerhalb der zu-
lässigen Toleranzen gelegen hätten. Auf der Grundlage dieser Berechnungen
kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass von einer Abweichung in
der von den Klägern behaupteten Größenordnung keine Rede sein könne.
Auch hierzu nimmt die Beschwerde nicht substantiiert Stellung.
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Dem Beschwerdevorbringen ist schließlich nicht zu entnehmen, welche tatsäch-
lichen Feststellungen zum umstrittenen Grenzverlauf zwischen den Flurstücken
der Kläger und des Beigeladenen durch eine Anhörung des südlichen Grenz-
nachbarn J. M. zu erwarten gewesen wären und inwieweit das (unterstellte) Er-
gebnis zu einer für die Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können.
Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Kläger, zwischen ihnen und dem
Beigeladenen habe keine Grenzverhandlung stattgefunden, auch insoweit sei
eine weitere Beweisaufnahme erforderlich gewesen, um den Sachverhalt auf-
zuklären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3
VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rojahn Dr. Jannasch Dr. Bumke
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