Urteil des BVerwG vom 24.07.2002

Wirtschaftliche Einheit, Erhaltung, Zumutbarkeit, Gebrauchtwagen

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BESCHLUSS
BVerwG 4 B 37.02
OVG 1 L 4339/00
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juli 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. L e m m e l und G a t z beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Urteil des
Niedersächsichen Oberverwaltungsgerichts vom
13. März 2002 wird verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerde-
verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 15 338 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerde legt entgegen
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht dar, dass die Revision nach
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache oder nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Ver-
fahrensfehlers zuzulassen ist.
1. Das Berufungsurteil beruht auf den §§ 6 und 7 des Nieder-
sächsischen Denkmalschutzgesetzes. Da es sich bei diesem Ge-
setz um Landesrecht handelt, dessen Nachprüfung dem Revisions-
gericht versagt ist (§ 137 Abs. 1 VwGO, § 173 VwGO, § 562
ZPO), kommt eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Be-
deutung nur dann in Betracht, wenn mit der Nichtzulassungsbe-
schwerde die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der
Auslegung und Anwendung des Landesrechts erhoben wird u n d
sich daraus eine klärungsbedürftige bundesrechtliche - z.B.
verfassungsrechtliche - Rechtsfrage herleitet. Näher darzule-
gen ist, inwiefern die gegenüber dem Landesrecht als korrigie-
render Maßstab angeführte bundesverfassungsrechtliche Norm ih-
rerseits Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft
(BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1997 - BVerwG 6 B 42.97 -
Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 8. Diesem Erfordernis
wird die Beschwerde nicht gerecht.
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Die Beschwerde formuliert neun Fragen, die - zusammengefasst -
der Klärung eines denkmalrechtlichen Erhaltungsgebots/Besei-
tigungsverbots mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als
Bestandteil der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG dienen
sollen. Sie zeigt aber nicht auf, dass der Inhalt des Verhält-
nismäßigkeitsprinzips selbst, das heißt losgelöst von den Vor-
schriften des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes, weiter
klärungsbedürftig ist. Der als gegeben unterstellte Klärungs-
bedarf, welche Anforderungen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
an die Vorschriften des Niedersächsischen Denkmalschutzgeset-
zes und seine Auslegung und Anwendung stellt, betrifft trotz
seines bundesrechtlichen Bezuges Landesrecht (vgl. BVerwG, Be-
schluss vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B 238.81 - Buchholz 401.84
Rundfunkgebühren Nr. 49). Die Prüfung der verfassungsrechtli-
chen Vereinbarkeit einer landesrechtlichen Rechtsvorschrift
oder ihrer Handhabung mit Bundesrecht als solche zielt auf
keine klärungsfähige Rechtsfrage gerade des revisiblen Rechts
(BVerwG, Beschlüsse vom 6. September 2001 - BVerwG 4 B 66.01 -
und 11. Februar 2002 - BVerwG 4 B 58.01 -).
2. Die Verfahrensrügen sind ebenfalls nicht schlüssig erhoben.
a) Die Beschwerde bemängelt eine unklare Wirtschaftlichkeits-
berechnung durch das Berufungsgericht. Da nicht feststehe,
welche Zahlen maßgeblich seien, sei nicht auszuschließen, dass
das Gericht von einem unzutreffenden oder unvollständigen
Sachverhalt ausgegangen sei. Die Beschwerde legt indessen
nicht dar, dass das Berufungsurteil bei Zugrundelegung eines
plausiblen Zahlenwerks möglicherweise zu Gunsten der Klägerin
ausgefallen wäre und deshalb auf dem Verfahrensmangel beruhen
kann. Gleichwohl sieht sich der Senat veranlasst, auf das Be-
schwerdevorbringen näher einzugehen.
Das Berufungsgericht hat der Prüfung, ob die Erhaltung des
Tankstellengebäudes der Klägerin wirtschaftlich zumutbar ist,
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den Rechtssatz vorangestellt, dass ein lediglich ausgegliche-
ner Saldo, bei dem sich Lasten und Erträge mit dem Ergebnis
einer "schwarzen Null" die Waage halten, keine sinnvolle Nut-
zung des denkmalgeschützten Eigentumsgegenstandes mehr dar-
stellt (UA S. 6). Den für die Zumutbarkeit erforderlichen, die
Aufwendungen von jährlich (abgerundet) 7 450 DM übersteigenden
"namhaften" Überschuss hat es damit begründet, dass die Kläge-
rin das gesamte, eine wirtschaftliche Einheit bildende Be-
triebsgrundstück mit Tankstellengebäude, Werkstatt, Reihenga-
ragen und Freiflächen rentabel verpachten könne. Sie erhalte
von dem derzeitigen Pächter des Grundstücks 766 € im Monat.
Dies entspreche umgerechnet einem Betrag von 17 977,99 DM im
Jahr (UA S. 12, 13), der noch erhöht werden könne, wenn das
Tankstellengebäude, das sich für 5 400 DM im Jahr vermieten
lasse (UA S. 12), einer eigenständigen Nutzung und die Frei-
flächen einer Nutzung etwa als Lagerflächen für Gärtnerei-
erzeugnisse oder Getränke oder zur Bereitstellung von Ge-
brauchtwagen zugeführt würden (UA S. 15). Ferner müsse sich
die Klägerin Steuerersparnisse in Höhe von 733 DM im Jahr für
die Instandhaltung des Tankstellengebäudes anrechnen lassen
(UA S. 12).
Nicht ins Bild passt allerdings, dass das Berufungsgericht an
anderer Stelle (UA S. 14) die möglichen Erlöse und Steuerer-
sparnisse nur mit 7 500 DM angibt. Da es die Zumutbarkeit zur
Erhaltung des Tankstellengebäudes aus der Möglichkeit der Klä-
gerin ableitet, das Betriebsgrundstück als Ganzes "in wirt-
schaftlich guter Weise" zu verwerten, und den möglichen Ertrag
auf nennenswert höher einschätzt als die derzeit erzielten
Pachteinnahmen von 766 € pro Monat (UA S. 15), kann jedoch
nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass mit dem Betrag von
7 500 DM die Summe aus den möglichen Erlösen und Steuererspar-
nissen nur für das Tankstellengebäude gemeint ist. Dieser Wert
stimmt aber nicht mit der Summe der Einzelposten überein, die
mit 5 400 DM an Mieteinnahmen und 733 DM an Steuervorteilen
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beziffert sind; die Addition beider Rechnungspositionen ergibt
einen Betrag von lediglich 6 133 DM. Der erzielbare Gewinn aus
dem Betriebsgrundstück würde sich danach zwar um 1 367 DM min-
dern; gleichwohl würde die Klägerin aus dem eine wirtschaftli-
che Einheit bildenden Betriebsgrundstück einen eine "schwarze
Null" erheblich übersteigenden Gewinn erzielen können.
b) Die Beschwerde vermisst eine Begründung für die Aussage im
Berufungsurteil, die Einwendungen des von der Klägerin beauf-
tragten Architekten gegen das vom Verwaltungsgericht eingehol-
te Sachverständigengutachten seien zu pauschal und in sich wi-
dersprüchlich. Sie rügt damit einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1
Satz 2 VwGO.
Die Beschwerde entspricht auch insoweit nicht den an sie zu
stellenden Darlegungsanforderungen. Die in § 108 Abs. 1 Satz 2
VwGO angeordnete Begründungspflicht soll sicherstellen, dass
das Gericht alle wesentlichen Gesichtspunkte, insbesondere
auch das Vorbringen der Beteiligten, wirklich berücksichtigt,
sich ernsthaft damit auseinander setzt und sich ausschließlich
von objektiven, einer Nachprüfung zugänglichen Erwägungen lei-
ten lässt (Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 108 Rn. 30
m.w.N.). Wird sie nicht erfüllt, kann dies ein Indiz dafür
sein, dass das Gericht auch die hinter ihr stehenden Pflichten
missachtet hat. Hierzu trägt die Beschwerde nichts vor. Sie
zeigt namentlich nicht auf, dass die Einwendungen des Archi-
tekten, die sich die Klägerin zu Eigen gemacht hat, wesentlich
und damit beachtlich sind. Das wäre nur dann der Fall, wenn
sie substanziiert wären und das Beweisergebnis ernsthaft er-
schüttern würden (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1992 - BVerwG
4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89). Allein aus
ihrer Ausführlichkeit, auf die die Beschwerde hinweist, ergibt
sich ihre Beachtlichkeit nicht.
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c) Die Beschwerde beanstandet, dass das Berufungsgericht die
Einwendungen des Architekten nicht als Parteivortrag gewertet
und die finanziellen Belastungen der Klägerin durch die Erhal-
tung des Tankstellengebäudes unzutreffend ermittelt habe. Sie
übersieht dabei, dass Fehler in der Sachverhalts- und Beweis-
würdigung einen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründen können, sondern dem
sachlichen Recht zuzuordnen sind (BVerwG, Beschluss vom
12. Januar 1995 - BVerwG 4 B 197.94 - Buchholz 406.12 § 22
BauNVO Nr. 4; Beschluss vom 10. August 2001 - BVerwG 9 B
43.01 - juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die
Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 13
Abs. 1 Satz 1 GKG.
Paetow Lemmel Gatz