Urteil des BVerwG vom 21.01.2008

Ablauf der Frist, Vorprüfung, Umweltverträglichkeitsprüfung, Verwaltungsverfahren

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 35.07
OVG 12 LB 8/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Januar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 26. April 2007 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beige-
ladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätz-
licher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulie-
rung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisi-
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onsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem
die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung bestehen soll (stRspr).
Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift
enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsver-
fahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulas-
sungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene
Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener
Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Ent-
scheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate
des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfe-
ne Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit
Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres
beantworten lässt. So liegt es hier.
Es bestehen hinsichtlich der entscheidungserheblichen Fragen auch keine be-
gründeten Zweifel in Bezug auf die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Fragen,
so dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
gemäß Art. 234 Abs. 3 EG nicht geboten ist.
Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, ob eine Baugenehmigung für
die Errichtung von drei Windenergieanlagen auf die Klage eines Nachbarn allein
deswegen aufzuheben ist, weil eine gebotene standortbezogene Vorprüfung
des Einzelfalls nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVPG) nicht durchgeführt worden ist.
In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage jedoch in einem Revisionsverfah-
ren nicht stellen. Denn das Oberverwaltungsgericht legt seinen Entscheidungs-
gründen tragend zugrunde, dass der Kläger nicht vortrage, dass und gegebe-
nenfalls wie sich die - unterstellt fehlerhafte - Nichtdurchführung einer standort-
bezogenen Vorprüfung des Einzelfalls (nach § 3c Satz 2 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.3
der Anlage 1) auf seine materielle Rechtsposition ausgewirkt haben könne und
dies auch sonst nicht ersichtlich sei. Ferner legt das Gericht in seinen weiteren
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Ausführungen - „in materieller Hinsicht“ - (UA S. 22 - 31) umfassend dar, dass
durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sichergestellt sei, dass
durch die genehmigten Windenergieanlagen schädliche Umwelteinwirkungen
für das Grundstück des Klägers nicht entstehen und dementsprechend die in-
soweit nachbarschützenden Vorschriften des § 5 Abs. 1 bzw. des § 22 Abs. 1
Satz 1 BImSchG (Bundes-Immissionsschutzgesetz) nicht verletzt seien. Hierzu
belegt das Gericht näher, dass das Grundstück keinen schädlichen Umwelt-
einwirkungen durch periodischen Schattenwurf ausgesetzt werde (UA
S. 22 - 26), keine unzumutbaren optischen Immissionen in Form von Lichtrefle-
xen mit Disco-Effekt einwirkten (UA S. 26), und das Grundstück auch keinen
unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt sei (UA S. 26 - 30). Auch jen-
seits des Bereichs der schädlichen Umwelteinwirkungen sieht das Gericht kei-
nen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, insbesondere im
Hinblick auf herabstürzende Gegenstände, Eiswurf und die Standsicherheit.
Somit lässt sich dem mit der Beschwerde angegriffenen Urteil die Schlussfolge-
rung entnehmen, dass die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung auch bei
Würdigung aller die Rechtssphäre des Klägers betreffenden umweltrelevanten
Gesichtspunkte keine Rechte des Klägers verletzt und seine Klage aus diesem
Grund keinen Erfolg haben kann. Dem Urteil lässt sich ferner entnehmen, dass
alle behandelten Umweltgesichtspunkte bereits im Verwaltungsverfahren sowie
im Widerspruchsverfahren eingehend behandelt worden sind (UA S. 3 - 6).
Auch das Beschwerdevorbringen ergibt nichts dafür, aus welchen Gründen eine
im Verwaltungsverfahren durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des
Einzelfalls weitere Gesichtspunkte zum Vorschein gebracht hätte, auf deren
Grundlage die Baugenehmigung hätte versagt werden können und die einer
Nachbarklage des Klägers zum Erfolg verholfen hätte.
Somit würde sich die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage al-
lenfalls mit der Einschränkung stellen, ob eine Baugenehmigung für die Errich-
tung von drei Windenergieanlagen auf die Klage eines Nachbarn aufzuheben
ist, weil eine gebotene standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nicht
durchgeführt worden ist, wenn fest steht, dass die maßgeblichen umweltrele-
vanten Gesichtspunkte im Verwaltungsverfahren geprüft worden sind und die
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gerichtliche Überprüfung ergeben hat, dass der Kläger nicht in seinen (mate-
riellrechtlichen) Rechten verletzt worden ist.
Diese Frage lässt sich jedoch auf der Grundlage der vorhandenen Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs be-
antworten, ohne dass es eines Revisionsverfahrens und einer eventuellen Vor-
lage an den Europäischen Gerichtshof bedarf.
Auf die Erteilung einer Baugenehmigung besteht, wenn die Genehmigungsvor-
aussetzungen erfüllt sind, in einem Fall der vorliegenden Art ein Rechtsan-
spruch. Ein planerisches Ermessen steht der Genehmigungsbehörde nicht zu.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die
Aufhebung selbst einer Zulassungsentscheidung wegen des Feh-
lens einer rechtlich gebotenen nur in Betracht
kommt, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Behörde nach Durch-
führung einer Umweltverträglichkeitsprüfung anders entschieden hätte (Urteile
vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <250>, vom
18. November 2004 - BVerwG 4 CN 11.03 - BVerwGE 122, 207 <213> und vom
13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - zur Veröffentlichung vorgesehen;
Beschlüsse vom 22. März 1999 - BVerwG 4 BN 27.98 - Buchholz 406.11 § 1
BauGB Nr. 103 und vom 29. Mai 2000 - BVerwG 11 B 65.99 - juris
Rn. 5). Die UVP-Richtlinie und die zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen
Rechtsvorschriften beschränken sich auf verfahrensrechtliche Anforderungen
im Vorfeld der Sachentscheidung, ohne das Umweltrecht materiell anzurei-
chern. Unterbleibt eine rechtlich gebotene Umweltverträglichkeitsprüfung, folgt
allein aus diesem Umstand nicht, dass der Zweck der gesetzlichen Regelung
nicht erreicht wird und eine Abwägungsentscheidung rechtswidrig ist. Der Man-
gel ist nur unter der Voraussetzung erheblich, dass er auf das Abwägungser-
gebnis von Einfluss gewesen ist. Dies ist nur anzunehmen, wenn die konkrete
Möglichkeit besteht, dass die Planungsbehörde ohne den Fehler anders ent-
schieden hätte.
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Das Revisionsverfahren könnte auch nicht zur Klärung von Fragen beitragen,
die sich nach dem Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes stellen. Das
Oberverwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass § 4 Abs. 1 des
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRBehG) vom 7. Dezember 2006 (BGBl I
S. 2816), das zur Umsetzung des durch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai
2003 (ABl EG Nr. L 156 S. 17) eingefügten Art. 10a UVP-Richtlinie erlassen
wurde, vorliegend noch nicht anwendbar ist. Denn das Umwelt-Rechts-
behelfsgesetz gilt nur für Verfahren, die nach dem 25. Juni 2005, also nach
Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2003/35/EG, eingeleitet wor-
den sind oder hätten eingeleitet werden müssen (§ 5 UmwRBehG). Vorliegend
ist der Bauantrag bereits wesentlich früher gestellt worden; auch der Wider-
spruchsbescheid ist schon im Jahr 2001 ergangen.
Jedenfalls für Projekte, für die das Genehmigungsverfahren vor Ablauf der Frist
zur Umsetzung dieser Richtlinie 2003/35/EG eingeleitet wurde, gebietet auch
das Gemeinschaftsrecht nicht, eine Baugenehmigung wegen des Unterlassens
einer - unterstellt - rechtlich gebotenen standortbezogenen Vorprüfung aufzu-
heben, wenn es - wie hier - keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass die
Behörde eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn eine förmliche stand-
ortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls für das Projekt durchgeführt worden
wäre (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C
9.06 -). Das ist auch im Hinblick auf die jüngere Rechtsprechung des Europäi-
schen Gerichtshofs, insbesondere das auch von der Beschwerde herangezo-
gene Urteil vom 7. Januar 2004 (Rs. C-201/02 - Slg. 2004, I-723 = NVwZ 2004,
593), derart offenkundig, dass auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten des
Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und
der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der
Gemeinschaft für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil
vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, CILFIT - Slg. 1982, I-3415). Der Senat
wäre deshalb in einem Revisionsverfahren nicht verpflichtet, gemäß Art. 234
EG den Gerichtshof anzurufen und ihm die genannte Frage zur
Vorabentscheidung vorzulegen.
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Die UVP-Richtlinie in der hier noch anwendbaren Fassung der Richtlinie
97/11/EG regelt die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung, die
Umweltverträglichkeit eines Projekts nach den Vorgaben der Richtlinie zu prü-
fen, nicht. Nach dem in Art. 10 EG vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zu-
sammenarbeit sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen
eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben; die zuständigen
Behörden müssen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle allgemeinen oder be-
sonderen Maßnahmen ergreifen, um dem Unterlassen der Umweltverträglich-
keitsprüfung eines Projekts abzuhelfen (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004
a.a.O. Rn. 64, 70).
Daraus folgt jedoch nicht, dass ein Verwaltungsgericht eine Baugenehmigung
aufzuheben hat, damit der im Verwaltungsverfahren fehlende Verfahrensschritt
einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls nachgeholt werden kann,
wenn es sich auf der Grundlage des Vortrags des Klägers und mit den Mög-
lichkeiten der Amtsaufklärung davon überzeugt hat, dass die fehlende Vorprü-
fung des Einzelfalls sich auf die materiellrechtliche Rechtsposition des Klägers
nicht ausgewirkt hat. Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie sind die
Einzelheiten des Verfahrens Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines
jeden Mitgliedstaats. Sie dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen,
die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip),
und die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rech-
te nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitäts-
prinzip - EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 a.a.O. Rn. 67 m.w.N.).
Diese Grenzen der Verfahrensautonomie sind nicht überschritten, wenn das
deutsche Recht die Nachholung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung
nur verlangt, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass deren Unterlassen
auf das Ergebnis der Zulassungsentscheidung von Einfluss gewesen ist (vgl.
Urteil vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - zur Genehmigung nach
dem LuftVG). Das Unterlassen der standortbezogenen Vorprüfung des Einzel-
falls hat keine ungünstigeren Rechtsfolgen als andere Verfahrensfehler. Auch
bei anderen Verfahrensfehlern kann ein Nachbar die Aufhebung einer Bauge-
nehmigung nur dann vor Gericht durchsetzen, wenn diese ihn weiterhin in sei-
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nen Rechten verletzt; anderenfalls steht dem bereits der Anspruch des Bau-
herrn auf Erteilung der Baugenehmigung entgegen. Zwar müssen die Mitglied-
staaten die UVP-Richtlinie so ausführen, dass die Ausführung in vollem Umfang
den Anforderungen entspricht, die sie in Anbetracht ihres wesentlichen Zieles
aufstellt; dieses Ziel ist, dass Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer
Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die
Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung der Genehmigung einer Prüfung auf ihre
Auswirkungen unterzogen werden (vgl. EuGH, Urteile vom 16. September 2004
- Rs. C-227/01 - Slg. 2004, I-8253 Rn. 47 und vom 23. November 2006
- Rs. C-486/04 - Slg. 2006, I-11025 Rn. 36). Die Durchführung einer Umweltver-
träglichkeitsprüfung ist jedoch kein Selbstzweck. Auch das ist in der Rechtspre-
chung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt. In der Entscheidung vom
11. August 1995 (Rs. C-431/92 - Slg. 1995, I-02189 Rn. 45) zum Wärmekraft-
werk Großkrotzenburg hat der Europäische Gerichtshof die Vertragsverlet-
zungsklage abgewiesen, weil die Kommission auf den Einwand der Bundesre-
publik, de facto habe das Verfahren alle Anforderungen der Richtlinie eingehal-
ten, nicht dargelegt hatte, in welchen konkreten Punkten die Anforderungen der
UVP-Richtlinie nicht erfüllt worden waren. Wenn trotz des Unterlassens einer
förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. hier lediglich einer standortbe-
zogenen Vorprüfung des Einzelfalls der wesentliche Zweck der Richtlinie er-
reicht wurde, ist der verbleibende Verstoß im Wesentlichen formeller Art. In
einem solchen Fall konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit zu verlangen,
dass die Genehmigungsbehörde ohne den Fehler anders entschieden hätte, er-
schwert die Ausübung eines etwaigen durch die Richtlinie verliehenen Rechts
nicht übermäßig. Denn die Nachholung einer standortbezogenen Vorprüfung
des Einzelfalls, die nur eine bereits durchgeführte materielle Prüfung der Um-
weltauswirkungen wiederholt, würde weder dem Kläger noch dem Ziel der
Richtlinie nützen.
2. Die in diesem Zusammenhang erhobene Divergenzrüge bleibt schon deswe-
gen ohne Erfolg, da der Europäische Gerichtshof nicht zu den in § 132 Abs. 2
Nr. 2 VwGO genannten Gerichten gehört. Der Vorlagepflicht nach Art. 234 EG
ist im Rahmen der Prüfung der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) Rechnung zu tragen.
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3. Die unter II. erhobene Divergenzrüge greift ebenfalls nicht durch. Eine die
Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechts-
satz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben
Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechts-
satz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr).
Die Beschwerde benennt das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Oktober
2004 - V ZR 85/04 - (unzutreffend als Urteil vom 8.12.2004 - V ZR 84/04 ange-
geben). Darin befasst sich der Bundesgerichtshof mit der Auslegung von § 906
Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Zu dieser Rechtsvorschrift stellt das Oberverwal-
tungsgericht keinen Rechtsgrundsatz auf, so dass schon aus diesem Grund
eine Abweichung ausscheidet. Zum Messabschlag nach Nr. 6.9 TA Lärm ver-
weist der Senat überdies auf sein Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C
2.07 - (DVBl 2007, 1564; Abdruck in BVerwGE vorgesehen).
4. Auch aus der unter III. von der Beschwerde geübten Kritik an den Ausfüh-
rungen des Oberverwaltungsgerichts zu dem von den Rotoren der Windener-
gieanlage hervorgerufenen Schattenwurf ergibt sich keine Frage von rechts-
grundsätzlicher Bedeutung, die in einem Revisionsverfahren zu klären wäre.
Die Beschwerde wirft hierzu - auch sinngemäß - keine Rechtsfrage auf, auf der
das angegriffene Urteil beruhen würde. Denn das Gericht orientiert sich zum
einen an einer aus den einschlägigen Handreichungen für die Praxis abgeleite-
ten Faustformel - die schon für sich genommen keine Norm des revisiblen
Rechts darstellt - und betont überdies, dass für die Beurteilung der Frage, ob
schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen, im Rahmen einer wertenden Be-
trachtung die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen
sind (UA S. 22/23). Im Übrigen bedürfte die Beantwortung der Frage, ob bei der
Bestimmung der zumutbaren Beeinträchtigung mit berücksichtigt werden darf,
dass in der betroffenen Jahreszeit Wetterlagen mit Bewölkung weit überwiegen
(UA S. 25) und es daher nicht zu einem Schlagschatten kommen kann, keiner
Klärung in einem Revisionsverfahren, sondern wäre ohne weiteres zu bejahen.
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5. Eine Divergenz zum Senatsurteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 4 C 9.03 -
(BVerwGE 121, 182) ist weder dargelegt noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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