Urteil des BVerwG vom 26.05.2008

Ex Nunc, Bebauungsplan, Gemeinde, Erlass

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 31.08
OVG 7 A 2536/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Mai 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2008
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beige-
ladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahrens auf 100 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Be-
deutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
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1. Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
ob, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer Ver-
änderungssperre während ihrer Geltungsdauer entfallen,
die Veränderungssperre ab diesem Zeitpunkt (ex nunc)
auch ohne förmlichen Aufhebungsakt unwirksam wird und
ob sie daher bei einem anhängigen Genehmigungsverfah-
ren durch die Genehmigungsbehörde nicht anzuwenden
ist.
Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Ober-
verwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für
den Erlass der Veränderungssperre zur Sicherung der Aufstellung des Bebau-
ungsplans Nr. 32 „Im Leger“ vor dem Wirksamwerden der 19. Änderung des
Flächennutzungsplans entfallen seien. Es hat vielmehr angenommen, dass die
Beigeladene die Planung für das Gebiet „Im Leger“, das durch die 7. Änderung
des Flächennutzungsplans als Konzentrationszone für Windkraftanlagen dar-
gestellt worden war, bis zum Wirksamwerden der Änderung des Flächennut-
zungsplans nicht endgültig aufgegeben und deshalb das Bedürfnis, die Planung
zu sichern, fortbestanden habe (UA S. 17).
2. Die Beschwerde möchte weiter geklärt wissen,
- ob die Voraussetzungen für den Erlass einer Verände-
rungssperre während ihrer Geltungsdauer auch dann be-
reits „endgültig entfallen“ sind, wenn der dem Bebauungs-
plan, welcher durch die Veränderungssperre gesichert
werden soll, zugrunde liegende Flächennutzungsplan so
geändert werden soll, dass dem Bebauungsplan seine
Grundlage entzogen wird und
- ob eine Gemeinde ihre Planungsabsicht in Bezug auf
den mittels einer Veränderungssperre gesicherten Be-
bauungsplan bereits zweifelsfrei und endgültig durch die
Bekanntmachung des Beschlusses zur öffentlichen Aus-
legung des zu ändernden, dem Bebauungsplan die
Grundlage entziehenden Flächennutzungsplans aufgibt
oder ob es hier zu der ausdrücklichen Aufhebung des Be-
bauungsplans bedarf.
Diese Fragen sind, soweit sie einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich
sind, in der Rechtsprechung des Senats bereits hinreichend geklärt.
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Gibt eine Gemeinde nach dem Erlass einer Veränderungssperre die zu si-
chernde Planung, aus welchen Gründen auch immer, auf, entfällt das erforder-
liche Sicherungsbedürfnis und damit eine der Voraussetzungen für den Erlass
der Veränderungssperre (Beschlüsse vom 26. Juni 1992 - BVerwG 4 NB
19.92 - BRS 54 Nr. 73, vom 9. April 2003 - BVerwG 4 B 75.02 - juris Rn. 9, vom
31. Mai 2005 - BVerwG 4 BN 25.05 - BRS 69 Nr. 120 und vom 10. Oktober
2007 - BVerwG 4 BN 36.07 - BauR 2008, 328). Unter welchen Voraussetzun-
gen davon auszugehen ist, dass die Gemeinde ihre ursprünglichen Planungs-
absichten endgültig aufgegeben hat, bestimmt sich nach den jeweiligen Gege-
benheiten des Einzelfalls (Beschluss vom 9. April 2003 a.a.O.). Beschließt die
Gemeinde, ein Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans einzuleiten
mit dem Ziel, die Darstellung einer Fläche als Konzentrationszone für Wind-
energieanlagen aufzuheben und stattdessen eine andere Fläche als Konzen-
trationszone darzustellen, wird dies zwar in der Regel dafür sprechen, dass sie
auch das Ziel, die Ausnutzung der ursprünglichen Konzentrationszone durch
Festlegung der Anlagenstandorte in einem Bebauungsplan zu steuern, nicht
mehr verfolgen will. Rechtlich zwingend ist diese Schlussfolgerung jedoch nicht.
Ist – wie hier nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 18)
- nicht absehbar, ob die Gemeinde ihre Absicht, den Flächennutzungsplan zu
ändern, wird verwirklichen können, kann dies je nach den Umständen des Ein-
zelfalls dafür sprechen, dass sie ihre Standortplanung für die im geltenden Flä-
chennutzungsplan dargestellte Konzentrationszone auch dann noch nicht end-
gültig aufgibt, wenn sie beschließt, den Entwurf zur Änderung des Flächennut-
zungsplan öffentlich auszulegen. Ebenso wenig lässt sich ein Rechtssatz des
Inhalts aufstellen, dass eine Gemeinde die zu sichernde Planung erst dann
endgültig aufgibt, wenn sie den Beschluss, einen Bebauungsplan aufzustellen,
wieder aufhebt. Einen solchen Rechtssatz hat auch das Oberverwaltungsge-
richt nicht aufgestellt. Es ist lediglich unter den hier gegebenen Umständen da-
von ausgegangen, dass ohne eine ausdrückliche Aufhebung des Aufstellungs-
beschlusses für den Bebauungsplan von der endgültigen Aufgabe der Pla-
nungsabsicht für den Bebauungsplan nicht gesprochen werden könne (UA
S. 19). Die Beschwerde kritisiert diese tatrichterliche Sachverhaltswürdigung.
Mit auf den Einzelfall bezogenen Angriffen gegen die Rechtsanwendung eines
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Oberverwaltungsgerichts kann die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssa-
che im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedoch nicht begründet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow
Dr. Jannasch
Dr. Philipp
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