Urteil des BVerwG vom 26.05.2004

Gesundheit, Veröffentlichung, Anfang, Landschaft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 30.04
OVG 2 L 5/00
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Mai 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n , G a t z
und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des
Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Februar 2004 wird zurückge-
wiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 25 510 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1.1 Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler, dass das Oberverwaltungsgericht die
Klageänderung für zulässig erklärt hat. Damit zeigt sie keinen Rechtsfehler auf, der
der Beschwerde zum Erfolg verhelfen könnte. Die Klägerin hat ihren Verpflichtungs-
antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Putenmastanlage mit 19 200
Tierplätzen in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt, nachdem für Anla-
gen in dieser Größenordnung nunmehr eine immissionsschutzrechtliche Genehmi-
gung erforderlich ist, und einen Verpflichtungsantrag mit dem Ziel gestellt, eine Bau-
genehmigung in der Größenordnung zu erteilen, die weiterhin dem Baugenehmi-
gungsverfahren unterliegt. Eine derartige Klageänderung konnte das Oberverwal-
tungsgericht unbedenklich als sachdienlich ansehen; im Übrigen ist die entspre-
chende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nach § 91 Abs. 3 VwGO nicht
selbständig anfechtbar. Diese Regelung ist dahin zu verstehen, dass über die Frage,
ob eine Klageänderung sachdienlich ist, kein gesonderter Rechtsstreit geführt wer-
den soll. Der geltend gemachte Verfahrensfehler kann aus diesem Grunde auch kein
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selbständiger Beschwerdegrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein
(BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 1999 - BVerwG 4 B 21.99 - Buchholz 310 § 132
Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 20). Soweit die Beschwerde auf § 529 ZPO in Verbindung
mit § 533 Nr. 2 ZPO verweist, ist hervorzuheben, dass diese Regelungen, wie § 128
VwGO verdeutlicht, im Verwaltungsprozess nicht anwendbar sind.
1.2 Auch die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs verhilft der Beschwerde
nicht zum Erfolg. Die Beteiligten eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens müssen
stets damit rechnen, dass der sachdienliche Antrag in der mündlichen Verhandlung
erörtert und endgültig formuliert wird (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO). Vorliegend hatte die
Beigeladene überdies durch einen ihr zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung
zugestellten Schriftsatz Kenntnis von der beabsichtigten Antragstellung. Die Ableh-
nung des Vertagungsantrags durch das Oberverwaltungsgericht stellt somit schon
keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Davon abgesehen legt die Beschwerde
in keiner Weise dar, was die Beigeladene vorgetragen hätte, wenn ihr die begehrte
Schriftsatzfrist gewährt worden wäre und warum dies zu einer anderen Entscheidung
des Oberverwaltungsgerichts geführt hätte. Nach den Ausführungen unter 1.1 ist
hierfür auch nichts ersichtlich.
1.3 Soweit die Beigeladene hinsichtlich etwaiger Gesundheitsgefährdungen durch die
umstrittene Putenmastanlage eine unzureichende weitere Aufklärung durch das
Oberverwaltungsgericht rügt, genügt sie nicht den Darlegungserfordernissen. Hierfür
hätte substantiiert ausgeführt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen
Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich
gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und wel-
che tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachver-
haltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt
werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere
in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklä-
rung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch Stellung von Beweisanträgen
hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen
auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die
Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten
in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträ-
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gen, zu kompensieren (stRspr). Vorliegend hat die Beigeladene, auch nach ihrem
eigenen Vortrag, in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge gestellt. Im
Übrigen hat sich das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil unter Verwertung des
eingeholten Sachverständigengutachtens eingehend mit den möglichen Einwirkun-
gen auf die Gesundheit auseinander gesetzt (Urteilsabdruck S. 17 ff.) und dargelegt,
dass es einer medizinischen Beurteilung nicht bedürfe, da Gesundheitsbeeinträchti-
gungen nicht zu erwarten seien (Urteilsabdruck S. 20). In diesem Zusammenhang
hat es sich auch mit der Veröffentlichung von Hartung auseinander gesetzt, dessen
Vernehmung die Beschwerde vermisst (Urteilsabdruck S. 18). Es legt sodann dar,
dass es auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung, bei der es sich im Einklang mit
dem Bundesverfassungsgericht sieht, keiner weiteren Beweisaufnahme bedürfe. Mit
diesen Ausführungen (Urteilsabdruck S. 18, 19) setzt die Beschwerde sich nicht aus-
einander. Dem Urteil lässt sich ferner nachvollziehbar entnehmen, aus welchem
Grund es von einer Vernehmung zweier Jäger als Zeugen zu möglichen Nist-, Wohn-
und Brutplätzen von Vögeln absehen konnte (Urteilsabdruck S. 21 f.). Demgegen-
über trägt die Beschwerde nichts dafür vor, warum sich dem Gericht am Ende des
bereits seit Anfang des Jahres 2000 anhängigen Berufungsverfahrens eine weitere
Beweisaufnahme aufdrängen musste.
1.4 Soweit die Beschwerde ferner eine fehlende Verletzung der Klägerin in eigenen
Rechten (§ 42 Abs. 2 VwGO) rügt, zeigt sie keinen Verfahrensfehler auf. Denn nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Baugenehmigung be-
antragt (Urteilsabdruck S. 2). Soweit in dieser Formulierung bei genauer gesell-
schaftsrechtlicher Sicht (es handelt sich um eine GmbH & Co. KG) eine Ungenauig-
keit liegen sollte, hat das Oberverwaltungsgericht dem ersichtlich in Anwendung des
Landesrechts zum Baugenehmigungsverfahren keine rechtliche Bedeutung beige-
messen.
2. Auch die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Eine die Revision eröffnende Abwei-
chung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Beru-
fungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung
tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre
(stRspr). Die Beschwerde legt nicht dar, welche Rechtssätze im Widerspruch stehen
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könnten. Sie rügt vielmehr die Rechtsanwendung im Einzelfall hinsichtlich der Fra-
gen, ob das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet und der Schutz der Landschaft
beeinträchtigt werden.
3. Ferner misst die Beschwerde der Rechtssache hinsichtlich der Erschließung von
baulichen Anlagen im Außenbereich grundsätzliche Bedeutung bei. Es bedarf indes
keiner grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren, dass auch bei Anlagen
nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB lediglich die nach den jeweiligen Umständen erforder-
liche "außenbereichsgemäße" Erschließung zu fordern ist (vgl. hierzu BVerwG, Urtei-
le vom 7. Februar 1986 - BVerwG 4 C 30.84 - BVerwGE 74, 19, 25 und 30. August
1985 - BVerwG 4 C 48.81 - DVBl 1986, 186). Vorliegend setzt sich das Oberverwal-
tungsgericht eingehend mit den danach zu fordernden Maßstäben auseinander und
gelangt zu dem Ergebnis, dass eine bereits vorhandene Gemeindestraße aufgrund
ihres Ausbauzustands für den vom Vorhaben ausgelösten Erschließungsverkehr
ausreichend sei. Bei dieser Sachlage sind Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeu-
tung, die weiterer Klärung bedürften, nicht ersichtlich.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 VwGO ab, da
sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen
eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Prof. Dr. Rojahn Gatz Dr. Jannasch