Urteil des BVerwG vom 22.01.2003

Vorzeitige Besitzeinweisung, Offenlegung, Übereinstimmung, Gerät

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BESCHLUSS
BVerwG 4 B 3.03
OVG 11 A 4294/99
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Januar 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. L e m m e l , Prof. Dr. R o j a h n und G a t z
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Urteil des Ober-
verwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 10. Oktober 2002 wird zurückge-
wiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerde-
verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen, die diese selbst
trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 11 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat kei-
nen Erfolg. Die Revision kann nicht zur Klärung der als grund-
sätzlich bedeutsam bezeichneten Frage zugelassen werden,
"ob dem von einer Teilenteignung betroffenen Grundstücks-
eigentümer die beanspruchte Übernahme der Restflächen
deswegen grundsätzlich versperrt ist, weil der Wegfall
der angemessenen wirtschaftlichen Nutzbarkeit auf einer
Einigung der Beteiligten beruht mit der Folge, dass eine
vorzeitige Besitzeinweisung dadurch entbehrlich geworden
ist".
Der Zulassung der Revision steht allerdings nicht entgegen,
dass der mit der Zulassungsfrage angegriffenen Aussage des Be-
rufungsgerichts, der Besitzüberlassungsvertrag zwischen der
Klägerin und der Beigeladenen vom 18. Mai 1983 sei privat-
rechtlicher Natur und habe deshalb nicht den Charakter eines
hoheitlichen Eingriffs (Urteilsabdruck S. 17), entscheidungs-
erhebliche Bedeutung nur zukommen könnte, wenn für die Beur-
teilung der Rechtslage auf den Zeitpunkt der Offenlegung der
Planunterlagen abzustellen ist, und die Beschwerde den Befund
der Vorinstanz, der geltend gemachte Übernahmeanspruch sei
auch dann ausgeschlossen, wenn die Verhältnisse im Zeitpunkt
des Enteignungsbeschlusses maßgeblich seien, nicht mit einem
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Zulassungsgrund in Frage stellt. Bei alternativen Begründungen
reicht es aus, dass die Beschwerde einen der beiden Begrün-
dungsteile angreift. Denn wenn nur einer von ihnen in Zweifel
gerät, ist nicht mehr gesichert, dass der andere Begründungs-
teil die Entscheidung trägt (BVerwG, Beschluss vom 26. Mai
1993 - BVerwG 4 NB 3.93 - NVwZ 1994, 269 f.).
Die Zulassung der Revision ist indessen ausgeschlossen, weil
der aufgeworfenen Fragestellung die nach § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO erforderliche Revisibilität fehlt. Die Frage betrifft die
vorinstanzliche Auslegung der landesrechtlichen Bestimmung des
§ 7 EEG NW. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen (z.B. § 137
Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG) abgesehen, kann die Revi-
sion aber nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene
Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1
Nr. 1 VwGO). Die Ansicht der Beschwerde, die Revisibilität des
§ 7 (Abs. 3) EEG NW ergebe sich aus der annähernden Wort-
gleichheit mit § 92 Abs. 3 BauGB, trifft nicht zu. Die wörtli-
che Übereinstimmung von Landesrecht mit bundesrechtlichen Nor-
men erfüllt den Tatbestand des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht
(vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 - BVerwG 4 B
216.95 - BVerwGE 99, 351 <353 f.>).
Die Revision könnte auch dann nicht zugelassen werden, wenn
die Beschwerde behaupten wollte, die vorinstanzliche Interpre-
tation des § 7 EEG NW sei mit Art. 14 GG nicht vereinbar. Eine
Frage des Bundesrechts wäre nur aufgeworfen, wenn dargelegt
wäre, dass der bundesverfassungsrechtliche Maßstab selbst ei-
nen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf
aufweist (BVerwG, Beschluss vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B
238.81 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49). Diesen
Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Zulassung der Revision scheitert überdies daran, dass das
Berufungsgericht den behaupteten Übernahmeanspruch im Zeit-
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punkt der Offenlegung der Planunterlagen nicht nur mangels ho-
heitlichen Eingriffs, sondern auch deshalb ("im Übrigen") ver-
neint hat, weil im Zeitpunkt des Abschlusses des Besitzüber-
lassungsvertrages die in Rede stehenden Restflächen zusammen
mit den südlich benachbarten, vom Planfeststellungsbeschluss
nicht berührten Flächen der Klägerin einheitlich wirtschaft-
lich und damit angemessen im Sinne des § 7 Abs. 3 EEG NW hät-
ten genutzt werden können, und die Beschwerde dieses Begrün-
dungselement nicht mit einem Zulassungsgrund im Sinne des
§ 132 Abs. 2 VwGO angreift. Ist die Entscheidung der Vorin-
stanz – kumulativ - auf mehrere selbständig tragende Begrün-
dungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden,
wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungs-
grund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Be-
schluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz
310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Wenn nur bezüglich einer
Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begrün-
dung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang
des Verfahrens ändert. Weder beruht deshalb das Urteil auf der
wegdenkbaren Begründung, noch ist die Klärung mit ihr etwa zu-
sammenhängender Grundsatzfragen in einem Revisionsverfahren zu
erwarten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3
VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Lemmel Rojahn Gatz