Urteil des BVerwG vom 13.06.2005

Nebenanlage, Terrasse, Verfügung, Trennung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 27.05
OVG 2 Bf 283/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juni 2005
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. R o j a h n , G a t z und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungs-
gerichts vom 20. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 4 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Be-
schwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich
noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des
revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr). Nicht jede Frage sach-
gerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine ge-
mäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung.
Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr,
dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des
Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch
eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Recht-
sprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn
sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtspre-
chung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne
weiteres beantworten lässt. So liegt es hier.
1. Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, ob eine Sonnenschutzanlage vor
einem gewerblichen Betrieb eine untergeordnete Nebenanlage im Sinne des § 14
Abs. 1 BauNVO darstellt. Dabei geht es um eine Sonnenschutzanlage, die die Ter-
rasse einer Gaststätte überdeckt und aus statischen Gründen nicht nur an einer
Hauswand befestigt ist, sondern darüber hinaus von im Erdboden verankerten Pfos-
ten getragen wird. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 20. Januar
2005, BauR 2005, 849 = NordÖR 2005, 165) hat die Anlage nicht als Nebenanlage
sondern als Teil der Hauptanlage, einem fünfgeschossigen Eckgebäude, angesehen.
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Eine Anlage der umschriebenen Art stellt einen Teil der Hauptanlage dar und ist da-
her rechtlich nicht als Nebenanlage nach § 14 BauNVO einzustufen. Die eine Zulas-
sung auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen erleichternde Regelung in § 23
Abs. 5 Satz 1 BauNVO ist daher nicht anwendbar. Dies bedarf keiner Klärung in ei-
nem Revisionsverfahren. Nebenanlagen im Sinne von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO
können nur Anlagen sein, die nicht Bestandteil des (Haupt-)Gebäudes sind (Senats-
beschluss vom 14. Februar 1994 - BVerwG 4 B 18.94 - Buchholz 406.12 § 23
BauNVO Nr. 1 = ZfBR 1994, 193). Die Zulässigkeit des Hervortretens von Teilen des
Hauptgebäudes über die Baugrenze regelt § 23 Abs. 3 BauNVO. Danach kann ein
Hervortreten nur in geringfügigem Ausmaß zugelassen werden. Diese Vorschrift darf
nicht durch die Anwendung von § 23 Abs. 5 in Verbindung mit § 14 BauNVO umgan-
gen werden.
Zur Abgrenzung einer Nebenanlage vom Teil der Hauptanlage können funktionelle
und räumliche Gesichtspunkte herangezogen werden. Die Terrasse sowie ihre Über-
dachung dienen im Streitfall der Erweiterung der im Hauptgebäude befindlichen
Gasträume. Sie stellen damit der Hauptnutzung eine größere Fläche zur Verfügung
und dienen nicht einem Nebenzweck. Die Sonnenschutzanlage erlaubt die Nutzung
auch bei entsprechender Witterung. Die Ansicht der Beschwerde, insoweit könne
zwischen der Terrasse, die auch sie als Teil der Hauptanlage ansieht, und ihrer
Überdachung unterschieden werden, berücksichtigt nicht ausreichend den gemein-
samen Zweck beider Anlagen, den Gästen eine weitere Fläche zur Verfügung zu
stellen. Überdies ist die Anlage mit dem Hauptgebäude konstruktiv verbunden; daran
ändern die (anders als bei einer einfachen Markise) zur Abstützung erforderlichen im
Erdboden verankerten Pfosten nichts. Es handelt sich nicht - wie in dem dem Urteil
des Senats vom 28. April 2004 - BVerwG 4 C 10.03 - (NVwZ 2004, 1244 = BauR
2004, 1567 ) zugrunde liegenden Sachverhalt - um ein in deutlicher
räumlicher Trennung vom Haupthaus vorgesehenes eigenständiges Gebäude, das
rechtlich nicht das Schicksal des Hauptgebäudes teilen würde. Daher kommt es auf
die weiteren Ausführungen der Beschwerde zur Frage, ob die hier umstrittene Anla-
ge das Merkmal der funktionellen und räumlich-gegenständlichen Unterordnung er-
füllt, nicht an.
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2. Auch die zu § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO gestellte Frage rechtfertigt nicht die Zu-
lassung der Revision. Diese Vorschrift verweist auf die Zulässigkeit oder Zulassung
von baulichen Anlagen nach Landesrecht. Die Beschwerde behandelt lediglich Fra-
gen des Landesrechts. Sie wirft damit keine Frage des revisiblen Rechts (vgl. § 137
Abs. 1 VwGO) auf.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO
ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter
denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf
§ 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG n.F.
Prof. Dr. Rojahn Gatz Dr. Jannasch