Urteil des BVerwG vom 14.06.2004

Genehmigung, Gebäude, Ermächtigung, Unterlassen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 24.04
OVG 3 L 32/99
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juni 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und G a t z
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-
Vorpommern vom 22. Oktober 2003 wird insoweit, als über den
Hilfsantrag der Kläger nicht entschieden worden ist, sowie hin-
sichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben; insoweit wird die
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an
das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern zurück-
verwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfah-
rens als Gesamtschuldner; im Übrigen bleibt die Entscheidung
über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 10 226 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Kläger beantragten am 18. Dezember 1991 beim ehemaligen Landkreis Hage-
now, dem Rechtsvorgänger des Beklagten, die Erteilung einer Abbruchgenehmigung
für das Gebäude auf dem Grundstück P.straße 3 in Hagenow. Mit Bescheid vom
27. April 1992 lehnte der Landkreis den Antrag ab, weil das Gebäude ein erhaltens-
wertes Baudenkmal sei und die Beigeladene zu 1 ihr Einvernehmen versagt habe.
Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung der Kläger mit dem
Antrag, den Beklagten zur Erteilung der Genehmigung zu verpflichten, hilfsweise die
Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 27. April 1992 festzustellen, verpflichtete das
Berufungsgericht den Beklagten zur Neubescheidung des Abbruchantrags unter
Ausübung des aus § 7 Abs. 3 DSchG M-V vom 6. Januar 1998 mit späteren Ände-
rungen abzuleitenden Ermessens. Das Denkmalschutzgesetz in der aktuell gültigen
- 3 -
Fassung sei anzuwenden, weil bei Klagen auf Erteilung einer Baugenehmigung das
Recht anzuwenden sei, das zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch von
der Genehmigungsbehörde anzuwenden wäre. Den Hilfsantrag beschied das Beru-
fungsgericht nicht. Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger die auf
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde erhoben.
II.
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Hinsichtlich des im Berufungsverfahren gestellten Hauptantrags hat sie keinen
Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger
beimessen. Die Kläger halten die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob § 7
Abs. 3 DSchG M-V mit Art. 14 GG vereinbar ist. Ihrer Annahme, die Frage der Ver-
einbarkeit einer landesrechtlichen Rechtsvorschrift mit Bestimmungen des Grundge-
setzes verleihe einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, liegt freilich ein Miss-
verständnis des Verfahrens nach § 133 Abs. 3 VwGO zugrunde. Im Verfahren der
Nichtzulassungsbeschwerde ist es nicht mit der Behauptung getan, eine Vorschrift
des als solches nicht revisiblen Landesrechts stehe mit einer Regelung des Bundes-
rechts (einschließlich des Bundesverfassungsrechts) nicht im Einklang. Vielmehr
muss dargelegt werden, dass der bundesrechtliche Maßstab selbst einen die Zulas-
sung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 22. Dezember 1994 - BVerwG 4 B 114.94 - NVwZ 1995, 700 <702>). Diesen
Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
2. Die Beschwerde ist dagegen begründet, soweit die Kläger die unterbliebene Be-
scheidung des im Berufungsrechtszug gestellten Hilfsantrags beanstanden. Insoweit
ist das Berufungsurteil mit einem Verfahrensfehler behaftet (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 10. Juli 1996 - BVerwG 6 B 8.95 - JZ 1997, 463 = Buchholz 451.9 Art. 48 EG-
Vertrag Nr. 6).
Über einen Hilfsantrag ist dann nicht mehr zu entscheiden, wenn sich ein Kläger mit
seinem Hauptantrag durchsetzt. Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht ist
mit der im Berufungsurteil ausgesprochenen Verpflichtung des Beklagten zur Neu-
- 4 -
bescheidung des Antrags auf Erteilung einer Abrissgenehmigung hinter dem Antrag
auf Erteilung der beantragten Genehmigung zurückgeblieben. Das Bescheidungsur-
teil ist für die Kläger von geringerem Wert, müssen sie doch damit rechnen, dass der
Beklagte von seinem Ermessen zu ihren Lasten Gebrauch macht und die Genehmi-
gung erneut versagt. Vor diesem Hintergrund und weil das Berufungsgericht im Laufe
des Berufungsverfahrens zu erkennen gegeben hatte, dass entgegen der erstin-
stanzlichen Auffassung die Erhaltungssatzung der Beigeladenen zu 1 vom 18. Fe-
bruar 1993 der Erteilung der Genehmigung nicht entgegenstehe, war den Klägern für
den Fall, dass das Berufungsgericht aufgrund der zum Zeitpunkt der Berufungsent-
scheidung geltenden Rechtslage den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung der
Genehmigung verneinen sollte, erkennbar daran gelegen, im Rahmen des Hilfsan-
trags zu erfahren, ob ihnen jedenfalls bis zu einem Zeitpunkt vor In-Kraft-Treten des
Denkmalschutzgesetzes M-V der Anspruch zugestanden hat. An einer entsprechen-
den Feststellung haben sie ein berechtigtes Interesse, weil sie ihre Position in einem
beabsichtigten Amtshaftungsprozess stärken würde. Die Kläger hätten zwar gut dar-
an getan, neben der Feststellung, dass der Ablehnungsbescheid vom 27. Februar
1992 rechtswidrig war, zusätzlich die Feststellung zu beantragen, dass der Beklagte
verpflichtet gewesen ist, ihnen bis zu einem Zeitpunkt vor In-Kraft-Treten des Denk-
malschutzgesetzes M-V vom 6. Januar 1998 die erstrebte Abrissgenehmigung zu
erteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1998 - BVerwG 4 B 72.98 - BRS 60
Nr. 100, S. 389). Ihre Nachlässigkeit kann ihnen aber nicht entgegengehalten wer-
den. Da sie zur Begründung ihres Hilfsantrags im Berufungsverfahren vorgetragen
haben, der Beklagte hätte bis zum In-Kraft-Treten der Erhaltungssatzung die Abriss-
genehmigung erteilen müssen, war ihr Rechtsschutzbegehren hinreichend klar er-
kennbar. Das Berufungsgericht hätte daher entweder gemäß § 86 Abs. 3 i.V.m.
§ 125 Abs. 1 VwGO auf eine sachdienliche Formulierung des Hilfsantrags hinwirken
oder diesen im Sinne des Klagebegehrens auslegen müssen.
Alternativ wäre vom Berufungsgericht zu erwägen und zu erörtern gewesen, dass es
sich bei dem Hilfsantrag nicht um einen Fortsetzungsfeststellungsantrag analog
§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO handelt, über den erst bei (teilweiser) Erfolglosigkeit des
Hauptantrags zu befinden ist. Der Senat lässt es zu, dass ein Verpflichtungskläger im
Wege eines "unechten" Hilfsantrags eine auf § 43 Abs. 1 VwGO gestützte Fest-
stellung begehren kann, dass ihm bereits zu bestimmten Zeiten der geltend gemach-
- 5 -
te materiellrechtliche Anspruch zugestanden habe (vgl. Urteil vom 28. April 1999
- BVerwG 4 C 4.98 - BVerwGE 109, 74 <78>). Dass den Klägern an einer entspre-
chenden Feststellung gelegen sein könnte, lag deshalb nahe, weil zwischen dem
Antrag auf Erteilung der Abrissgenehmigung und der abschließenden mündlichen
Verhandlung vor dem Berufungsgericht nahezu zwölf Jahre vergangen waren.
Zwecks Beschleunigung des Verfahrens macht der Senat von der Ermächtigung des
§ 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, das angefochtene Urteil durch Beschluss teilweise
aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung über
den Hilfsantrag an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Da zugunsten der Klä-
ger davon auszugehen ist, dass das Berufungsgericht die Bescheidung dieses An-
trags nicht versehentlich unterlassen, d.h. "vergessen" hat, sondern irrig der Auffas-
sung war, sich wegen der Stattgabe der Berufung im Sinne eines Bescheidungsur-
teils mit dem Hilfsantrag nicht mehr befassen zu müssen, liegt kein Fall eines über-
gangenen Antrags im Sinne von § 120 VwGO vor, der nur mit fristgebundenem An-
trag auf Urteilsergänzung hätte gerügt werden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom
25. August 1992 - BVerwG 7 B 58 und 113.92 - Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 7).
Die Kostenentscheidung beruht, soweit sie abschließend ist, auf § 154 Abs. 2,
§ 159 Satz 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Halama Gatz Dr. Philipp