Urteil des BVerwG vom 14.06.2012

Rechtliches Gehör, Unterschutzstellung, Baudenkmal, Ermessen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 22.12
OVG 10 A 2037/11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juni 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2012 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht er-
stattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Mit der als
grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Frage, ob die mit der Eigentumsgaran-
tie zu begründende Prüfung der Beeinträchtigung des dem jeweiligen Bau-
denkmal zustehenden Umgebungsschutzes an die durch den Inhalt der für die
Unterschutzstellung gegebenen Begründung gesetzten Grenzen stößt, will die
Klägerin wohl geklärt wissen, ob und in welchem Umfang die Beeinträchtigung
eines Baudenkmals von den Gründen abhängt, die von der zuständigen Behör-
de für die Unterschutzstellung angeführt worden sind. Die Frage rechtfertigt
nicht die Zulassung der Revision, weil sie kein revisibles Recht im Sinne des
§ 137 Abs. 1 VwGO betrifft. Ob eine Beeinträchtigung eines denkmalrechtlich
geschützten Baudenkmals vorliegt, beurteilt sich hier nach § 9 Abs. 1 Buchst. b
DSchG NRW (UA S. 22), an dessen Auslegung und Anwendung durch das
Oberverwaltungsgericht der Senat gebunden ist (§ 173 VwGO i.V.m. § 560
ZPO). Die Frage wird nicht dadurch zu einer solchen des revisiblen Rechts,
dass die Klägerin einen Bezug zu Art. 14 GG herstellt. Das wäre nur dann der
Fall, wenn - wie hier nicht - dargelegt wäre, dass diese Vorschrift selbst einen
die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (vgl. Be-
schluss vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B 238.81 - Buchholz 401.84 Benut-
zungsgebühren Nr. 49).
Dem Gedanken, die Revision deshalb zuzulassen, weil die Basilika St. Gereon,
um deren Schutz es der Klägerin geht, als eines der bedeutsamsten Baudenk-
mäler des mittelalterlichen Sakralbaus anzusehen ist, tritt der Senat nicht näher.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die
Klägerin zeigt nicht auf, dass das angefochtene Urteil von der höchstrichterli-
chen Rechtsprechung abweicht. Sie legt nämlich nicht dar, dass das Oberver-
waltungsgericht einen Rechtssatz aufgestellt hat, der einem Rechtssatz aus
den Entscheidungen des Senats vom 21. April 2009 - BVerwG 4 C 3.08 -
(BVerwGE 133, 347) und 14. März 1990 - BVerwG 4 B 45.90 - (Buchholz 316
§ 37 VwVfG Nr. 7) widerspricht. Sollte das Oberverwaltungsgericht einen
Rechtssatz des Senats fehlerhaft angewandt oder aus ihm nicht die rechtlichen
Folgerungen gezogen haben, die für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung
geboten sind, läge darin keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2
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VwGO (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997,
3328; stRspr).
3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
a) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht dadurch einen Verfahrensfehler be-
gangen, dass es aus den Äußerungen des Beigeladenen zu 2 nicht die
Schlussfolgerungen gezogen hat, die die Klägerin für richtig hält. Nach § 108
Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Ge-
samtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist an die Stel-
lungnahmen sachverständiger Stellen nicht gebunden, sondern im Gegenteil
verpflichtet, deren Feststellungen und Schlussfolgerungen auf ihre Aussage-
und Überzeugungskraft zu überprüfen (vgl. Urteil vom 20. Dezember 1963
- BVerwG 7 C 103.62 - BVerwGE 17, 342 <343>). Dem entspricht es, dass das
Gericht sich auch gegen die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens
entscheiden darf. Freilich muss es das begründen (Beschluss vom 6. Juli 1999
- BVerwG 5 B 93.99 - juris Rn. 3). Inwieweit eigene Sachkunde eingesetzt wer-
den kann, liegt im gerichtlichen Ermessen. Woher das Gericht die eigene Sach-
kunde hat, muss es nicht stets in einer von den Parteien und vom Revisionsge-
richt nachprüfbaren Weise überzeugend nachweisen, sondern nur dann, wenn
es einem Experten auf einem Sachgebiet nicht folgt, das durch Kompliziertheit
und wissenschaftliche Bezogenheit gekennzeichnet ist (vgl. Beschluss vom
28. August 1995 - BVerwG 3 B 5.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO
Nr. 270). Dass ein solcher Fall hier vorliegt, legt die Klägerin nicht dar.
b) Das angefochtene Urteil leidet auch nicht unter einem Gehörsverstoß.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO)
gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, dass er
Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem
einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt und zur
Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem
entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Pro-
zessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Nach der
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Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungs-
gerichts ist in der Regel davon auszugehen, dass das Gericht bei seiner Ent-
scheidung dieser Pflicht genügt hat. Das Gericht ist nicht gehalten, das gesam-
te Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem ein-
zelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO),
sondern darf sich auf die Gründe beschränken, die für seine Entscheidung lei-
tend gewesen sind. Deshalb müssen, wenn ein Gehörsverstoß festgestellt wer-
den soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Vor-
bringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen
oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfG,
u.a. Beschlüsse vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>
und 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.>). Solche Um-
stände sind hier nicht erkennbar. Denn das Oberverwaltungsgericht hat sich
nicht nur beiläufig und oberflächlich, sondern eingehend und gewissenhaft mit
der Frage auseinandergesetzt, ob das Erscheinungsbild St. Gereons durch das
Vorhaben der Beigeladenen zu 1 beeinträchtigt wird (UA S. 25 Mitte bis 29 un-
ten).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel Dr. Gatz Petz
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