Urteil des BVerwG vom 13.05.2004

Rechtliches Gehör, Öffentliche Aufgabe, Aufklärungspflicht, Gemeinde

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 22.04
VGH 5 S 2311/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Mai 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und
Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 25. November 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 2 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das
Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger bei-
misst.
Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob eine Gemeinde
die Reinigungs-, Räum- und Streupflicht für Gehwege entlang von Bundesfernstra-
ßen auf die Anlieger übertragen kann, auch wenn ihr für den entsprechenden Stre-
ckenabschnitt nicht die Straßenbaulast gemäß § 3 und § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG ob-
liegt. Diese Rechtsfrage könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
Ob eine Gemeinde die Räum- und Streupflicht für Gehwege durch Satzung den
Straßenanliegern ganz oder teilweise auferlegen kann, beurteilt sich im vorliegenden
Fall nach § 41 Abs. 1 und 2 des Straßengesetzes für Baden-Württemberg (i.d.F. vom
11. Mai 1992, GBl 1992, 330) und betrifft daher die Auslegung und Anwendung
irrevisiblen Landesrechts. Das Berufungsgericht legt § 41 Abs. 1 StrG dahin aus,
dass die Räum- und Streupflicht der Gemeinden nicht aus der Straßenbaulast abzu-
leiten ist, sondern eine selbständige öffentliche Aufgabe der Gemeinden darstellt, die
sich im Wesentlichen mit der Verkehrssicherungspflicht deckt. Klärungsbedürftige
Rechtsfragen des Bundesrechts wirft die Beschwerde hierzu nicht auf. Der Hinweis
auf § 3 und § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG lässt einen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf
nicht erkennen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ins-
besondere geklärt, dass § 3 Abs. 3 FStrG die Streupflicht auf Bundesstraßen nicht
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abschließend regelt. In § 3 Abs. 3 Satz 2 FStrG wird ausdrücklich geregelt, dass lan-
desrechtliche Vorschriften über die Pflichten Dritter beim Schneeräumen und Streuen
sowie zur polizeimäßigen Reinigung unberührt bleiben (vgl. hierzu bereits BVerwG,
Beschluss vom 11. November 1960 - BVerwG 1 B 81.60 - NJW 1961, 619 <620>;
zum Verhältnis zwischen Straßenbaulast und polizeilicher Reinigungspflicht bzw. der
allgemeinen Verkehrssicherungspflicht vgl. neben den Hinweisen im Berufungsurteil
auch Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rn. 1532 ff. m.w.N.).
2. Die Rüge, das Berufungsgericht habe seine Hinweispflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO
verletzt, weil es nicht aufgeklärt habe, ob der streitgegenständliche Gehweg entlang
der B 29 dem öffentlichen Fußgängerverkehr gewidmet sei, greift ebenfalls nicht
durch. Die Rüge erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet nach unbestrittener Auffassung keine
allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom
29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>). Es kann zwar in besonde-
ren Fällen geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsansicht oder einen
Aufklärungsbedarf hinzuweisen. Das gilt vor allem dann, wenn das Gericht seine
Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem auch ein
gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte. Eine der-
artige Fallkonstellation zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf.
Der Sache nach rügt die Beschwerde eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86
Abs. 1 VwGO). Für einen derartigen Verfahrensmangel ist nichts ersichtlich. Das gilt
insbesondere im Hinblick darauf, dass das Berufungsgericht die Grundstücke des
Klägers und deren nähere Umgebung in der mündlichen Verhandlung in Augen-
schein genommen hat. Anhaltspunkte dafür, dass sich dem Berufungsgericht
gleichwohl Zweifel an der ordnungsgemäßen Widmung des Gehweges hätten auf-
drängen müssen, legt die Beschwerde nicht dar.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwertes auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Paetow
Prof. Dr. Rojahn
Dr. Jannasch