Urteil des BVerwG vom 26.05.2005

Faires Verfahren, Rechtsmittelbelehrung, Absendung, Irreführung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 21.05
VGH 2 ZB 05.24
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Mai 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G a t z und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 19. Januar 2005 wird verworfen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 2 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der
grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO).
Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs verwirft die vom Be-
schwerdeführer erhobene, den rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichts-
hofs vom 10. Oktober 2003 betreffende Restitutionsklage als unzulässig mit der Be-
gründung, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m.
§ 580 Nr. 6 und 7 ZPO seien offensichtlich nicht erfüllt. Insbesondere handle es sich
bei dem vom Kläger angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
4. Mai 2004 - 1 BvR 1892/03 - (NJW 2004, 2887) nicht um eine Entscheidung, mit
der ein Urteil aufgehoben werde, auf welches der Beschluss des Verwaltungsge-
richtshofs vom 10. Oktober 2003 gegründet sei.
Mit diesen die Entscheidung tragenden Erwägungen setzt sich die Beschwerde nicht
auseinander und verfehlt schon deshalb die Darlegungserfordernisse des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO. Weder wird vorgetragen, inwiefern sich mit Blick auf die hier
maßgebende Vorschrift des § 580 ZPO in einem Revisionsverfahren rechtsgrund-
sätzlich bedeutsame Fragen stellen könnten, noch wird dargelegt, inwiefern der Ver-
waltungsgerichtshof mit Bezug auf diese Rechtsgrundlage oder auf andere Rechts-
vorschriften von Entscheidungen eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten
Gerichte abgewichen sein soll. Vielmehr beschränkt sich die Beschwerde auf Aus-
führungen dazu, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober
2003 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur
Begründung einer Berufungszulassung (§ 124 a Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO in der
seinerzeit geltenden Fassung) fehlerhaft abgelehnt habe. Das Vorbringen, eine un-
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anfechtbare Gerichtsentscheidung sei rechtsfehlerhaft ergangen, eröffnet indes die
Möglichkeit einer Restitutionsklage nur dann, wenn einer der in § 580 ZPO genann-
ten Mängel geltend gemacht wird. Die fehlerhafte Verweigerung der Wiedereinset-
zung in den vorigen Stand wegen einer Fristversäumnis zählt nicht hierzu. Deshalb
geht das - insbesondere auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
4. Mai 2004 a.a.O. verweisende - Vorbringen der Beschwerde an den Gründen des
angefochtenen Beschlusses der Vorinstanz vorbei.
Aus diesem Grund liegt auch die Rüge, der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs
weiche von dem genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ab, neben
der Sache. Diese Entscheidung befasst sich nicht mit Fragen der Restitutionsklage
nach § 580 ZPO, sondern mit der Frage, ob unter den in diesem Fall gegebenen
Umständen der Verfassungsbeschwerdeführer durch die Versagung der Wiederein-
setzung in den vorigen Stand in seinem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2
Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip sowie in seinem Justizgewährungsan-
spruch aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt worden ist.
Unabhängig davon weist der beschließende Senat darauf hin, dass der vom Kläger
beanstandete Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2003 nach
Aktenlage jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Dem Kläger ist freilich
einzuräumen, dass das - im Beschluss vom 10. Oktober 2003 übrigens unerwähnt
gelassene - Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. September 2003 geeig-
net gewesen sein kann, Unklarheit darüber zu stiften, bei welchem Gericht die Be-
gründung des Antrags auf Zulassung der Berufung einzureichen war. Nach der da-
mals geltenden Rechtslage, die in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils des Verwal-
tungsgerichts München vom 30. Juni 2003 richtig wiedergegeben war, musste die
Begründung beim Verwaltungsgericht eingereicht werden (§ 124 a Abs. 4 Satz 5
VwGO a.F.). Trotz dieser eindeutigen Rechtslage ist nicht auszuschließen, dass das
Schreiben der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. September 2003
beim Prozessbevollmächtigten des Klägers Unsicherheit darüber erzeugen konnte,
ob die Begründung entgegen der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung nicht doch
beim Verwaltungsgerichtshof einzureichen war. Letztlich kann dies aber offen blei-
ben. Denn eine beim Prozessbevollmächtigten des Klägers möglicherweise zunächst
eingetretene Unsicherheit wäre jedenfalls nicht ursächlich für die Versäumung der
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Frist geworden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mehrfach vorgetragen,
dass er selbst sich bei Absendung des Begründungsschriftsatzes vom 29. Septem-
ber 2003 im Klaren darüber gewesen sei, dass dieser Schriftsatz beim Verwaltungs-
gericht und nicht beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht werden musste. Dement-
sprechend sei der mit der Zustellung beauftragte Fahrradkurier angewiesen worden,
den Schriftsatz beim Verwaltungsgericht einzuliefern. Von einer (fortbestehenden)
Irreführung durch das Schreiben der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofs
vom 4. September 2003 kann also zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein. Schon dies
unterscheidet den vorliegenden Fall von dem Sachverhalt, der dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2004 a.a.O. zugrunde liegt. Dass der Schrift-
satz vom 29. September 2003 an den Verwaltungsgerichtshof gelangt ist, liegt offen-
sichtlich daran, dass die Bezeichnung des Empfängers - trotz besseren Wissens des
Prozessbevollmächtigten - nicht geändert worden war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung be-
ruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Gatz Dr. Jannasch