Urteil des BVerwG vom 23.06.2015

Anfechtung, Bodenrecht, Hauptsache, Meinung

BVerwGE: nein
Fachpresse: nein
Sachgebiet:
Bau- und Bodenrecht, einschließlich der
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für
Windkraftanlagen, sofern der Schwerpunkt der Sache im Bau-
und Bodenrecht liegt
Rechtsquelle/n:
VwGO § 158 Abs. 1
Stichworte:
Nichtzulassungsbeschwerde; isolierte Unanfechtbarkeit der vorinstanzlichen
Kostenentscheidung; Umgehung des Verbots der isolierten Anfechtung der
vorinstanzlichen Kostenentscheidung.
Leitsatz:
Ein Rechtsmittel, das zur Umgehung des Verbots der isolierten Anfechtung der
Kostenentscheidung (§ 158 Abs. 1 VwGO) bloß formell auch wegen der
Hauptsache eingelegt worden ist, ist unzulässig.
Beschluss des 4. Senats vom 23. Juni 2015 - BVerwG 4 B 19.15
I. VG München vom 11. Oktober 2012
Az: VG M 11 K 12.2708
II. VGH München vom 16. Februar 2015
Az: VGH 1 B 13.649
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 19.15
VGH 1 B 13.649
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juni 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 16. Februar 2015 wird verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind
nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig.
Die Rüge des Beklagten, der Verwaltungsgerichtshof habe den Umfang seines
Berufungsbegehrens verkannt und dadurch gegen § 88 VwGO verstoßen, ist
nicht schlüssig erhoben. Der Beklagte zeigt nicht auf, dass er formal oder inhalt-
lich etwas anderes beantragt hat als die Aufhebung des Urteils des Verwal-
tungsgerichts vom 11. Oktober 2012 und die Abweisung der Klage (vgl. UA
Rn. 8). In Wahrheit beschränkt sich seine Kritik an dem seiner Ansicht nach
fehlerhaften Verständnis des erstinstanzlichen Klagebegehrens durch den Ver-
waltungsgerichtshof.
Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die Klägerin den Be-
scheid des Landratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen vom 3. Mai 2012 nur hin-
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sichtlich der an sie gerichteten Duldungsanordnung (Nr. 2) und der darauf be-
zogenen Zwangsgeldandrohung (Nr. 6) angefochten hat, nicht jedoch - wie vom
Verwaltungsgericht angenommen - auch hinsichtlich der an die Mieterin adres-
sierten Nutzungsuntersagung (Nr. 1) nebst Zwangsgeldandrohung (Nr. 5). Der
Beklagte sieht darin einen Verstoß gegen § 88 VwGO, weil der Verwaltungsge-
richtshof damit den Klageantrag, mit dem die Aufhebung des Bescheides er-
strebt worden sei, nicht ausgelegt, sondern an die Stelle dessen, was die Klä-
gerin gewollt habe, unzulässig das gesetzt habe, was sie - nach Meinung des
Berufungsgerichts - habe wollen sollen. Hätte der Verwaltungsgerichtshof den
Klageantrag nicht verfälscht, hätte er der Berufung teilweise stattgeben und die
Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses abweisen müssen, soweit sie die
Nutzungsuntersagung nebst Zwangsgeldandrohung zum Gegenstand hat (Be-
schwerdebegründung S. 4).
Der Beklagte ist durch die Beschränkung des Klageantrags auf die Duldungs-
verfügung materiell nicht beschwert. Seine Beschwer liegt allein darin, dass ihm
der Verwaltungsgerichtshof (nach § 154 Abs. 2 VwGO) die gesamten Kosten
des Berufungsverfahrens auferlegt und die Kosten nicht, wie es bei einer teil-
weisen Stattgabe der Berufung geboten gewesen wäre, gemäß § 155 Abs. 1
Satz 1 VwGO verhältnismäßig geteilt oder gegeneinander aufgehoben hat. Es
liegt auf der Hand und wird vom Beklagten auch nicht verhehlt (Beschwerdebe-
gründung S. 4), dass es ihm letztlich um eine Korrektur der Kostenentscheidung
geht. Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist aber nach § 158 Abs. 1
VwGO unzulässig. Dieselbe Rechtsfolge gilt für ein Rechtsmittel, das - wie vor-
liegend - zur Umgehung des Verbots der isolierten Anfechtung der Kostenent-
scheidung bloß formell auch wegen der Hauptsache eingelegt worden ist (vgl.
BGH, Urteil vom 16. Dezember 1975 - VI ZR 202/74 - NJW 1976, 1267; Ren-
nert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 158 Rn. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die au-
ßergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, obwohl
die Beigeladene wie die Klägerin beantragt hat, die Nichtzulassungsbeschwer-
de zurückzuweisen; denn die Beigeladene steht nach ihrer Interessenlage auf
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der Seite des Beklagten. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1
Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Decker