Urteil des BVerwG vom 25.09.2002

Bindungswirkung, Eingriff, Rechtsgrundlage, Klagegrund

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BESCHLUSS
BVerwG 4 AV 1.02
VG 1 A 228/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. September 2002
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Dr. B e r k e m a n n , H a l a m a
und Prof. Dr. R o j a h n
beschlossen:
Das Verwaltungsgericht Braunschweig ist zustän-
dig.
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G r ü n d e :
I.
Der Kläger fordert mit seiner vor dem Amtsgericht Braunschweig
erhobenen Klage von der beklagten Gemeinde die Zahlung eines
Betrages von 4 549,22 €. Zugleich hat er die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe beantragt. Dem Klagevorbringen ist dazu
Folgendes zu entnehmen:
Der Kläger beantragte 1997 einen Bauvorbescheid. Dieser wurde
ihm zunächst versagt, weil die Beklagte gemäß § 36 Abs. 1
BauGB ihr Einvernehmen versagte. Nach erfolglosem Widerspruch
erhob der Kläger gegen die Versagung vor dem Verwaltungsge-
richt Braunschweig Klage. Die Klage war gegen den Landkreis
Gifhorn gerichtet. Später erteilte dieser das Einvernehmen.
Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit für erle-
digt. Das Verwaltungsgericht Braunschweig stellte mit Be-
schluss vom 24. März 1998 das Verfahren ein und erlegte dem
Landkreis die Kosten auf.
Mit dem Klagebetrag werden verschiedene Rechnungspositionen
geltend gemacht. Sie haben ihren Ursprung nach Ansicht des
Klägers in seinem seinerzeitigen, indes zunächst erfolglosen
Bemühen, alsbald einen baurechtlichen Vorbescheid zu erhalten.
Das Amtsgericht Braunschweig hat den Rechtsstreit mit Be-
schluss vom 29. April 2002 an das Verwaltungsgericht
Braunschweig verwiesen. Dieses hat ihn an das Landgericht
Braunschweig weiterverwiesen. Das Landgericht Braunschweig hat
die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Akten dem Ver-
waltungsgericht Braunschweig zurückgegeben. Das Verwaltungsge-
richt Braunschweig hat die Sache in entsprechender Anwendung
des § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO dem Bundesverwaltungsgericht zur
Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Die vorin-
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stanzlichen Gerichte sind unterschiedlicher Auffassung
darüber, aus welchem Klagegrund der Kläger sein Begehren her-
leiten könnte. Das Verwaltungsgericht Braunschweig stellt als
Rechtsgrundlage Art. 34 GG in den Vordergrund. Das Landgericht
Braunschweig sieht andere Rechtsgrundlagen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat Kläger und Beklagte gehört.
II.
1. Das Bundesverwaltungsgericht ist in entsprechender Anwen-
dung von § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO zuständig, das zuständige Ge-
richt zu bestimmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1993
- BVerwG 11 ER 400.93 - NJW 1993, 3087, BGH, Beschluss vom
15. März 1978 - IV ARZ 17/78 - NJW 1978, 1163).
2. Zuständig ist das Verwaltungsgericht Braunschweig. Die Zu-
ständigkeit ergibt sich aus der Verweisung des Rechtsstreits
durch Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 29. April
2002. Diese Verweisung ist für das Verwaltungsgericht
Braunschweig bindend. Die Bindung beruht auf § 17 a Abs. 2
Satz 3 GVG. Zwar sind die rechtlichen Zweifel des Verwaltungs-
gerichts Braunschweig an der amtsgerichtlichen Begründung
durchaus berechtigt. Die Bindungswirkung entfällt indes nur,
wenn die der Verweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung
auch im Ergebnis willkürlich ist. Das lässt sich nicht sagen.
Das Landgericht Braunschweig macht darauf aufmerksam, dass ne-
ben einem Anspruch aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG
auch andere Anspruchsgrundlagen denkbar sind. So liegt es in
der Tat. Neben Rückzahlungsansprüchen und gesetzlichen Kosten-
erstattungsansprüchen kommt nach der Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs unter Umständen auch ein Anspruch aus enteig-
nungsgleichem Eingriff in Betracht. Für den letzteren ist der
Vorbehalt des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG nicht gegeben, da es
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sich um einen einfach-rechtlichen Anspruch handelt (vgl. BGHZ
90, 17). Gewiss muss für jede einzelne Anspruchsposition die
Zulässigkeit des Rechtsweges getrennt geprüft werden. Dies mag
das Amtsgericht Braunschweig vielleicht nicht in der gebotenen
Weise getan haben. Es kann auch sein, dass bei der Einzelprü-
fung der Klageerfolg nicht gegeben ist, weil ein anderes Ge-
richt zuständig oder ein anderes Verfahren für die Entschei-
dung vorgesehen ist. Insoweit ist das Verwaltungsgericht
Braunschweig nicht gebunden. Kann mithin für einzelne Rechts-
positionen die Zulässigkeit des Rechtsweges nach § 40 Abs. 1
VwGO gegeben sein, zeigt dies zugleich, dass von einer zwar
recht bedenklichen, aber nicht von einer schlechthin rechtsir-
rigen Verweisung gesprochen werden kann.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen
Kosten sind Teil des Hauptsacheverfahrens.
Berkemann
Halama
Rojahn