Urteil des BVerwG vom 01.04.2003

Aufschiebende Wirkung, Halle, Richteramt, Einkaufszentrum

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IM NAMEN DES VOLKES
GERICHTSBESCHEID
BVerwG 4 A 7.02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. April 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. L e m m e l , H a l a m a , Prof. Dr. R o j a h n
und Dr. J a n n a s c h
für Recht erkannt:
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Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird
das Klageverfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Klageverfahren bis zur Klagerücknahme auf
500 000 €, danach auf 250 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen den Planfest-
stellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Dessau vom
28. Februar 2002 für den Ausbau der Bundesautobahn A 9
Berlin - München im Bereich der Anschlussstelle Halle sowie
den Bau der B 100 Ortsumgehung Brehna.
Der Planfeststellungsbeschluss betrifft die Verbreiterung und
Grunderneuerung der Bundesautobahn A 9, die Neuerrichtung der
Anschlussstelle Halle, die nach Norden verlegt wird, sowie den
vierspurigen Neubau der B 100 (Halle - Bitterfeld) als nördli-
che Umfahrung von Brehna.
Die Klägerin ist Eigentümerin einer größeren Grundstücksflä-
che, auf der sich ein Einkaufs- und Gewerbezentrum befindet.
Dieses konnte bisher von der Anschlussstelle Halle über die
B 100 (alt) unmittelbar angefahren werden, während die Zufahrt
künftig nur über die B 100 (neu) und eine neu zu errichtende
etwa 1 200 m lange Straße (Planstraße A) möglich ist.
Sie hat am 17. April 2002 Klage erhoben und am 22. April 2002
beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage herzustellen.
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Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. Juni 2002
- BVerwG 4 VR 4.02 - abgelehnt.
Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 26. März 2003
hat die Klägerin nach eingehender Erörterung der Sach- und
Rechtslage erklärt, sie beantrage nur noch
den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststel-
lungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Dessau vom
28. Februar 2002 zu verpflichten, den Planfeststellungsbe-
schluss vom 28. Februar 2002 dahingehend zu ergänzen, dass
der Vorhabenträger verpflichtet wird, eine Brücke im Zuge
der B 100 (alt) wieder neu zu errichten und für den Kraft-
fahrzeugverkehr in Richtung West/Ost zu öffnen.
Im Übrigen hat sie die Klage zurückgenommen. Sie rügt eine
Verletzung des Abwägungsgebots.
Der Beklagte tritt der Klage entgegen.
II.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren ein-
zustellen und über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden
(§ 92 Abs. 1 und 3 VwGO).
Im Übrigen macht das Gericht von der ihm durch § 84 VwGO er-
öffneten Möglichkeit Gebrauch, über die Klage durch Gerichts-
bescheid zu entscheiden. Der Streitfall weist keine besonderen
Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Der
Rechtsstreit ist mit den Beteiligten eingehend erörtert worden
und die Klägerin wurde mehrfach auf die Möglichkeit einer Ent-
scheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen.
Die Klägerin hat im Erörterungstermin keine Einwendungen mehr
dagegen erhoben, dass die künftige Anschlussstelle der B 100,
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(die zweibahnig von Halle kommend an Brehna vorbeiführen
soll), an die A 9 nördlich der bisherigen Anschlussstelle er-
richtet wird. Zum Ausgleich der damit wegfallenden unmittelba-
ren Zufahrt von der B 100 zum Grundstück der Klägerin wird ei-
ne neue Zufahrtsstraße errichtet.
Die Klägerin meint aber, im Rahmen der Abwägung wäre der Be-
klagte verpflichtet gewesen, auf der Linienführung der bishe-
rigen B 100 eine Brücke wieder neu zu errichten und für den
Kraftfahrzeugverkehr in Richtung West/Ost zu öffnen. Damit
seien die auf ihren Grundstücken betriebenen Einzelhandelsge-
schäfte für die aus Westen kommenden Kunden besser erreichbar.
Dem ist jedoch nicht zu folgen. Zum einen hat der Senat be-
reits in seinem genannten Beschluss vom 11. Juni 2002 auf das
relativ geringe Gewicht hingewiesen, das den Belangen von An-
liegern zukommt, deren Grundstücke durch eine neu zu schaffen-
de Zufahrt erschlossen werden. Vorliegend können die von Wes-
ten kommenden Kunden das Einkaufszentrum über die auszubauende
B 100 und die neu zu errichtende Zufahrtsstraße gut erreichen.
Zwar ist der Fahrweg für aus Westen kommende Kraftfahrzeuge
etwas weiter; der zusätzliche Zeitaufwand ist jedoch sehr ge-
ring. Für aus östlicher Richtung (z.B. aus Bitterfeld,
Delitzsch und Lutherstadt Wittenberg) anfahrende Kunden ver-
bessern sich die Verkehrsverhältnisse in Folge des Ausbaus der
Bundesstraße, die eine Durchfahrung des Ortszentrums von
Brehna unnötig macht.
Zum anderen liegt es nicht nahe, eine für Kraftfahrzeuge ge-
eignete Brücke über eine Autobahn mit acht Fahr- und zwei
Standspuren neu zu errichten, die den Zubringerverkehr zu ei-
nem Einkaufszentrum und anderen Gewerbebetrieben geringfügig
erleichtern soll. Dies gilt vorliegend umso mehr, als diese
Zufahrt nur in west-östlicher Richtung befahrbar wäre, da die
für die Gegenrichtung zu schaffende weitere Über- oder Unter-
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führung zum Anschluss an die B 100 auch in den Augen der Klä-
gerin unverhältnismäßige Kosten verursachen würde. Hinzu
tritt, dass die kurze Abfolge zweier Ausfahrten hintereinander
(für diese Zufahrt und auf die A 9) aus Gründen der Verkehrs-
sicherheit äußerst ungünstig und mit den technischen Regelwer-
ken des Straßenbaus kaum zu vereinbaren wäre. Eine derartige
Lösung, die im Laufe des Planfeststellungsverfahrens von nie-
mandem vorgeschlagen worden ist, und die zugleich (gegenüber
der vorgesehenen Brücke für Radfahrer und Fußgänger) erhebli-
che Mehrkosten in der Größenordnung von 1 Mill. € verursacht,
drängt sich nicht auf. Der Beklagte konnte vielmehr ohne Ver-
stoß gegen das Abwägungsgebot von ihr absehen.
Daher kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin mit ihrem
erst lange nach Ende der Sechswochenfrist unterbreiteten Vor-
schlag im Hinblick auf § 17 Abs. 6b FStrG ausgeschlossen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2
VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1
GKG; zur Höhe wird auf die Ausführungen im Beschluss vom
11. Juni 2002 - BVerwG 4 VR 4.02 - verwiesen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung
des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Der
Antrag ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107
Leipzig, einzureichen.
Hierfür besteht Vertretungszwang. Jeder Beteiligte muss sich,
soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder
einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Be-
vollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öf-
fentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte
oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomju-
risten im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch
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Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zu-
ständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen
Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören,
vertreten lassen.
Paetow Lemmel Halama
Rojahn Jannasch